MAN: Korruptionsverdacht:Vorbild in Bedrängnis

MAN-Chef Håkan Samuelsson wollte im Kampf gegen Unregelmäßigkeiten alles richtig machen - jetzt bringen fragwürdige Zahlungen sein Unternehmen in Not.

Thomas Fromm und Klaus Ott

Der 15. November 2006 muss MAN-Chef Håkan Samuelsson alarmiert haben. Es war der Tag, an dem die Ermittler in der Siemens-Zentrale am Wittelsbacherplatz anrückten und die Büros nach Hinweisen auf Schmiergeldzahlungen durchforsteten. In den Tagen und Wochen danach bläute der MAN-Vorstandschef seinen Führungskräften ein, dass er in seinem Unternehmen Bestechung nicht dulde. Und als er bei der Weihnachtsfeier des Konzerns einige Wochen später von Journalisten gefragt wurde, wie sein Unternehmen gegen Korruption vorgehe, lächelte er. Schüttelte den Kopf und verwies auf die ausführlichen Verhaltensrichtlinien für Mitarbeiter, die unter seiner Federführung im Herbst 2005 entstanden.

MAN, ddp

MAN-Chef Samuelsson hat das System zur Korruptionschefbekämpfung perfektioniert - jetzt treffen seinen Konzern böse Vorwürfe.

(Foto: Foto: ddp)

Darin heißt es schwarz auf weiß: "Im Wettbewerb um Aufträge bauen wir auf die Qualität und den Nutzen unserer Produkte und Leistungen für unsere Kunden sowie auf angemessene Preise." Man unterstütze "die nationalen und internationalen Bemühungen, den Wettbewerb nicht durch Bestechung zu beeinflussen". Die Regeln beinhalten eine klare Warnung an die Konzernmitarbeiter: "Zuwendungen aller Art durch Mitarbeiter der MAN Gruppe an Amtsträger oder Mitarbeiter anderer Unternehmen mit dem Ziel, Aufträge oder unbillige Vorteile für MAN oder andere Personen zu erhalten, sind nicht erlaubt."

Verstöße melden

Der Schwede Samuelsson gilt im Konzern als derjenige, der das System der Korruptionsbekämpfung perfektioniert habe. Eine Hotline ließ er einrichten, bei der Mitarbeiter anonym Verstöße melden konnten. 2007 holte er zusätzlich zwei externe Ombudsmänner ins Unternehmen - als einer der ersten Dax-Chefs überhaupt.

Und doch, trotz aller strenger internen Richtlinien: Seit zwei Tagen wird oft der Name Siemens zitiert, wenn es um MAN geht. Noch ist völlig unklar, welche Dimensionen der Fall MAN tatsächlich hat - die Rede ist von etwa16 Millionen Euro, die geflossen sein sollen. Eine Summe, die verhältnismäßig klein wirkt, verglichen mit den 1,4 Milliarden Euro, um die es am Ende bei Siemens ging. Andererseits: Bei Siemens war in den ersten Tagen nur die Rede von 20 Millionen Euro. Es dauerte damals seine Zeit, bis die Ermittler das ganze Ausmaß der Affäre vor Augen hatten.

Bei MAN heißt es lediglich, man kooperiere mit den Behörden. Im Konzern verweist man auf die gängigen Vertriebsmechanismen; darauf, dass ein ganz legales System sogenannter "unverdeckter Provisionszahlungen" an der Tagesordnung sei, ähnlich wie beim Verkauf von Versicherungspolicen oder Zeitungsabos. Die Ermittler schauen bislang auf die Jahre 2002 bis 2005. Auch wenn die Staatsanwaltschaft betont, dass die oberste Führungsebene von den Vorwürfen nicht betroffen sei: Es geht um einen Zeitraum, in dem der heutige MAN-Chef Samuelsson die Nutzfahrzeugsparte führte.

Die Schockmeldungen treffen MAN zudem zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Im ersten Quartal brach der Gewinn des Motorenkonzerns , der neben Lkws und Bussen auch Turbomaschinen und Dieselmotoren verkauft, um drei Viertel ein. Der Umsatz sank um 27 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro. Auch der Auftragseingang sank dramatisch, um 53 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Die traditionell starke Lastwagensparte schaffte es mit einem Gewinn von fünf Millionen Euro so gerade eben in die schwarzen Zahlen.

Eine Prognose für den Geschäftsverlauf in den nächsten Quartalen wollte Samuelsson zuletzt nicht mehr abgeben - gerade das MAN-Geschäft mit Lkws und Bussen dürfte erst dann wieder richtig anspringen, wenn sich auch die konjunkturelle Lage erholt. Jetzt geht es vor allem um eines: "Wir müssen sparen, wo wir können", lautet die Durchhalteparole Samuelssons. Um immerhin 500 Millionen Euro sollen die Kosten bei MAN gesenkt werden; die Mitarbeiter in der Produktion und in der Verwaltung müssen sich auf Kurzarbeit mindestens bis zum Jahresende einstellen.

Aufmerksamer Fiskus

Auf die mutmaßlichen Schmiergeldzahlungen war zuerst der Fiskus aufmerksam geworden. Es kommt immer wieder vor, dass erfahrenen Betriebsprüfern der Finanzbehörden Rechnungen und Buchungen auffallen, mit denen fragwürdige Geschäfte verschleiert werden sollen. So war das offenbar auch in diesem Fall. MAN soll im Inland über ein fein ausgeklügeltes, aber schlecht getarntes System Angestellte von Firmen bestochen haben, die dort für den Einkauf von Lastwagen und Bussen zuständig waren.

Nach dem Abschluss von Kaufverträgen mit MAN und nach der Bezahlung der gelieferten Fahrzeuge sei das Schmiergeld geflossen. 400, 500 oder 600 Euro pro Fahrzeug, manchmal auch mehr. Je nach Umfang des Auftrag könnte einiges zusammengekommen sein. Überwiesen wurde das Geld nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler meist nicht direkt an diese Angestellten, sondern an Verwandte, Freunde oder Bekannte. Es sollte eben nichts auffallen.

Sollten auch die eigenen Vorgesetzten bei MAN getäuscht werden? Das schließen Beteiligte an dem Ermittlungsverfahren nicht aus, und so ähnlich soll sich auch ein von der Staatsanwaltschaft vernommener Top-Manager eingelassen haben. Andererseits war davon auch bei Siemens die Rede, ehe die Strafverfolger schließlich gegen Vorstände ermittelten. Bei MAN ist derzeit wohl nur eines gewiss. "Die Dimension ist noch nicht absehbar", sagt ein Insider.

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