MAN: Kampf gegen Korruption:Vorbild Siemens

Der MAN-Konzern verschärft sein Vorgehen gegen Korruption. Im Vertrieb herrscht nun Unsicherheit: Was ist noch erlaubt - und was verboten?

Thomas Fromm und Klaus Ott

Der von einer Schmiergeldaffäre erschütterte Nutzfahrzeugkonzern MAN verstärkt seine interne Korruptionsbekämpfung und orientiert sich dabei an Siemens. So soll die Anti-Korruptionsabteilung, die zurzeit vom Chefjuristen des Hauses geführt wird und in der unter anderem die Topmanager des Unternehmens nebenher sitzen, zu einer schlagkräftigen Einheit umgebaut werden.

MAN, Korruptionsskandal, dpa

MAN stärkt die Korruptionsbekämpfung - und orientiert sich dabei an Siemens.

(Foto: Foto: dpa)

An der Spitze der neuen Compliance-Organisation soll dann ein erfahrener Experte stehen. "Es wird jemand Hochrangiges gesucht", heißt es aus Firmenkreisen. Noch sei nicht entschieden, ob der Neue auch Vorstandsrang erhalte. Details würden für die kommende Aufsichtsratssitzung im Oktober erwartet.

Auch Siemens reagierte auf seine Korruptionsaffäre, indem der Konzern seine Anti-Korruptionsarbeit massiv ausbaute und im Herbst 2007 mit dem Amerikaner Peter Solmssen erstmals einen Vorstand für Recht und Compliance einsetzte. Allerdings ging es bei Siemens um dubiose Zahlungen von weit mehr als einer Milliarde Euro - bei MAN war zuletzt von 16 Millionen Euro die Rede, davon eine Million im Inland.

Geringere Dimension als Siemens-Skandal

Wie der Konzern im Anschluss an eine Aufsichtsratssitzung am Mittwoch mitteilte, sei die Anwaltskanzlei Wilmer Hale bei ihren Überprüfungen auf rechtswidrige Zahlungen in "überschaubarem" Rahmen gestoßen; Hinweise auf schwarze Kassen habe es nicht gegeben. Bei den Prüfungen, so Wilmer Hale, habe man festgestellt, dass die Verdachtsfälle von 2007 an "drastisch" zurückgegangen seien - auch dies wohl eine Folge des Siemens-Skandals, der im Herbst 2006 seinen Anfang nahm. Schon damals hatte MAN damit begonnen, sein internes Kontrollsystem auszubauen.

Zwar hat die Affäre bei MAN nach jetzigem Kenntnisstand eine andere Dimension als seinerzeit bei Siemens. Dennoch kann der Motoren- und Lkw-Konzern die Vorgänge nicht auf die leichte Schulter nehmen. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass auch ehemalige Tochterfirmen ins Visier der Staatsanwaltschaft geraten sind. So habe es Durchsuchungen unter anderem in Essen und Mühlheim gegeben. Ermittelt wird inzwischen gegen insgesamt mehr als 100 Beschuldigte, die Hälfte davon aus dem Vertrieb.

Genau hier setzt MAN-Chef Hakan Samuelsson an: In den kommenden Wochen und Monaten soll der sensible Nutzfahrzeugvertrieb umgestaltet werden. Insbesondere Gelegenheitsprovisionen an Privatleute, heißt es in München, sollen unterbunden werden.

Ebenso soll das System der Beraterhonorare überprüft werden. In Unternehmenskreisen ist von einem "Spagat" die Rede, den Vorstand und Aufsichtsrat bewältigen müssten. Um glaubwürdig zu sein und gute, saubere Geschäfte zu machen, bleibe der Konzernspitze nichts anderes übrig, als die Korruptionsaffäre gründlich aufzuklären. Das wiederum könne aber den Vertrieb lähmen, der in der Wirtschaftskrise gefordert sei wie nie zuvor. MAN setzt nur noch halb so viele Lkw und Busse ab wie 2008.

Verunsicherte Belegschaft

Die Verkäufer sollen den Absatz ankurbeln, viele von ihnen sind aber seit der Großrazzia unschlüssig, was sie noch tun dürfen und was nicht. Mehr als 500 Beschäftigte hatten sich innerhalb kürzester Zeit gemeldet, als Vorstandschef Samuelsson ein Amnestieprogramm startete. Wer über fragwürdige Praktiken auspackte, sollte von Kündigungen oder Schadenersatzforderungen verschont bleiben, sofern er nicht in die eigene Tasche gewirtschaftet hatte.

500 Leute, das ist im Prinzip die komplette Vertriebs-Mannschaft, die neue Aufträge hereinholen soll. Ein Großteil weiß aber angeblich gar nichts von kriminellen Machenschaften zu berichten, sondern will vielmehr wissen, welche Art von Provisionen bei der Kundenwerbung noch erlaubt sind. Ein teilweise gelähmter Vertrieb wäre schon in normalen Zeiten für jede Firma eine Belastung.

Um Überkapazitäten bei der Produktion zu vermeiden, hat der Konzern Leiharbeiter nach Hause geschickt und Kurzarbeit eingeführt. Frei werdende Stellen werden oftmals nicht mehr besetzt. Bessert sich die Lage bis 2010 nicht, drohen Kündigungen bei der Stammbelegschaft. Jetzt rächt sich aber offenbar auch, dass Vorstand und Aufsichtsrat von MAN nach dem Korruptionsskandal bei Siemens im Jahr 2006 nicht konsequenter aufgeräumt haben. Alle Großunternehmen in Deutschland waren damals in Sorge, solch eine Affäre könne auch sie ereilen.

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