Mächtige Investoren:Staatsfonds - die undurchsichtigen Billionen-Manager

Lesezeit: 3 Min.

Der große Reichtum des norwegischen Staatsfonds hängt unter anderem mit den Öl- und Gasvorkommen des Landes zusammen. (Foto: dpa)
  • Staatsfonds verwalten etwa fünf bis zehn Prozent des globalen Anlagevermögens. Es gibt kaum einen Dax-Konzern, an dem etwa Norwegens Pensionsfonds nicht beteiligt ist.
  • Es spricht einiges dafür, dass Staatsfonds zuletzt Aktien verkauft haben - und damit wohl auch zu Kursrutschen beigetragen haben.

Von Aloysius Widmann, München

Ein Gespenst geht um an den Aktienmärkten. Der Deutsche Aktienindex lag vor rund einem Jahr noch bei über 12 000 Punkten, heute notiert er etwa 2000 Punkte darunter. Ein Blick nach Shanghai, New York oder London zeigt: Die weltweit größten Aktienindizes haben seit Anfang 2015 allesamt verloren. Schuld daran ist nicht nur Unsicherheit bezüglich der Konjunktureinbrüche in China und anderen Schwellenländern. Hinter dem Abwärtstrend könnten auch Staatsfonds stecken.

Laut Sovereign Wealth Fund Institute (SWFI) sollen sie 2015 Aktien im Wert von rund 200 Milliarden Dollar verkauft haben. Für 2016 erwartet das Forschungsinstitut nochmals Aktienverkäufe im Wert von 400 Milliarden Dollar. Das würde die Börsenkurse weiter unter Druck setzen. Staatsholdings tauchen immer wieder in Aktionärslisten großer Unternehmen auf. Wie groß die Beteiligungen wirklich sind, ist aber kaum einsehbar. "Hinter Investitionsentscheidungen von Staatsfonds stecken auch aufwendige Marktanalysen", erklärt Stefan Kooths, der das Prognosezentrum am Kieler Institut für Weltwirtschaft leitet. Die Ergebnisse dieser Arbeit werden unter Verschluss gehalten.

Strafzins
:Die EZB führt uns auf direktem Weg ins Mittelalter

Die Sparkassen melden einen Run auf Schließfächer, große Versicherungen bunkern wegen des Strafzinses immer mehr Bargeld. Und das ist womöglich nur der Anfang.

Kommentar von Marc Beise

Rund zwei Drittel der Dax-Aktionäre sind ausländische Investoren

Aber das ist nicht der einzige Grund dafür, dass man die Aktiendepots von Staatsfonds kaum rekonstruieren kann. Ein Beispiel: Der norwegische Pensionsfonds ist der drittgrößte Aktionär von Daimler, hält aber auch fast sechs Prozent der Blackrock-Aktie - also an Daimlers zweitgrößtem Aktionär. Verstrickungen solcher Art gibt es zahlreiche, Fonds sind an Fonds beteiligt, die selbst wiederum an Fonds beteiligt sind und immer so weiter. Größter Einzel-Aktionär des Stuttgarter Autoherstellers ist übrigens ein weiterer Staatsfonds, die Kuwait Investment Authority. Auch hier ist kaum bekannt, welchen genauen Anteil an Daimler das Emirat über andere Fonds und Konzerne hält.

Gleiches lässt sich hierzulande von nahezu allen börsennotierten Unternehmen sagen. Kaum ein Dax-Konzern, bei dem der norwegische Pensionsfonds und Blackrock nicht unter den größten Aktionären aufscheinen. Bei anderen Staatsfonds, etwa jenen der Golf-Emirate, geschieht das seltener. Kuwait ist mit 3,24 Prozent an Infineon beteiligt, Qatar hält über seinen Staatsfonds mehr als elf Prozent der Volkswagen-Aktien. Abu Dhabi hat Anteile an Vonovia und der Deutschen Börse. Zudem ist das Emirat über seine nationale Fluglinie Etihad an Air Berlin beteiligt. Über indirekte Beteiligungen kann man aber auch hier nur spekulieren. Dass der Einfluss von Staatsfonds auf deutsche Aktien beträchtlich sein dürfte, sind sich Experten einig. Rund zwei Drittel der Dax-Aktionäre sind ausländische Investoren.

Dafür, dass Staatsfonds zuletzt Aktien abgestoßen haben, spricht einiges. Auch Kooths vermutet, dass die Kursrutsche an den Börsen zum Teil auf Verkäufe durch Staatsfonds zurückgehen: "Es hat auf den weltweiten Aktienmärkten eine breite, umfassende Kurskorrektur gegeben. Fast alle Branchen waren gleichermaßen betroffen." Ein Indiz dafür, dass die weltweite Nachfrage nach Aktien zurückgegangen ist. Verkäufe durch Staatsfonds seien eine plausible Erklärung, verwalten diese doch sechs Billionen Euro weltweit - insgesamt fünf bis zehn Prozent des globalen Anlagevermögens, vermutet das SWFI-Institut. Die Hälfte davon ist in Aktien angelegt.

Staatsfonds sind extrem langfristig orientiert. Regierungen bündeln Überschüsse, etwa aus Rohstoffverkäufen, in Fonds und investieren weltweit in unterschiedliche Anlageklassen. Die erzielten Renditen werden teilweise ins nationale Budget eingegliedert und teilweise reinvestiert. "Der anhaltend niedrige Ölpreis setzt die nationalen Haushalte von Ölexporteuren unter Druck", sagt Kooths. Die Staaten, die am stärksten unter dem Preisverfall leiden, sind auch Eigner einiger der weltweit größten Staatsfonds: Abu Dhabi, Qatar, Saudi-Arabien, Dubai, Norwegen und andere Ölexporteure verwalten allein fast die Hälfte allen Staatsfondsgeldes. Besonders die Golfstaaten können ihre laufenden Ausgaben nicht mehr mit Öleinnahmen decken und müssen wählen: Etat kürzen, Schulden machen oder Vermögen verkaufen.

Der mächtigste Staatsfonds ist der norwegische

Staatsausgaben zu senken sei oft keine Option, meint Kooths. Die Ölförderländer am Golf legitimieren ihr politisches System mit einem überbordenden Wohlfahrtsstaat. Wenn öffentliche Gehälter gekürzt würden, könnten Proteste ausbrechen. Wie sehr die Emirate unter Druck sind, zeigt Kuwait. Die dortige Regierung hat angekündigt, Anleihen auszugeben, um das Schmelzen seiner finanziellen Reserven zu verlangsamen.

Dass Staatsfonds weiter im großen Stil Positionen auflösen, wäre ein Novum. 2015 stagnierten ihre weltweiten Beteiligungen zum ersten Mal seit über zehn Jahren. Nicht-Ölstaaten stockten ihre Fonds 2015 weiter auf. Aber allein der Ausfall der erwarteten Zunahme der Aktiennachfrage erklärt einen Teil der Kursstürze, sind doch die Fonds beliebte Investoren, die nicht nur auf kurzfristigen Profit aus sind.

Die neue Situation betrifft alle Firmen der Welt. Aktienverkäufe werden genauso mit langfristigem Blick vollzogen wie Käufe: branchenübergreifend und breit gestreut. Der wohl mächtigste Staatsfonds am heimischen Markt ist der norwegische - derzeit sieht es noch nicht danach aus, als müsste er sehr bald Positionen en masse auflösen.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Reiche Ökonomen
:Diese Ökonomen machte ihr Wissen steinreich

Unter ihnen ist ein Börsen-Orakel, ein Lehrbuchautor - und die reichste Ente der Welt.

Von Vivien Timmler und Matthias Huber

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: