Madeleine Schickedanz:Millionen statt Milliarden: Quelle-Erbin bekommt weniger Entschädigung

Madeleine Schickedanz

Die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz verlor durch die Insolvenz von Arcandor riesige Summen.

(Foto: Marius Becker/dpa)
  • Die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz hatte die Deutsche Bank und andere Geschäftspartner auf 1,9 Milliarden Euro Schadenersatz verklagt.
  • Nun steht eine Einigung kurz bevor. Schickedanz bekommt deutlich weniger Geld. Verarmen wird sie aber trotzdem nicht.

Von Klaus Ott und Uwe Ritzer

Noch steht das Zivilverfahren mit dem Aktenzeichen 21 O164/12 im Sitzungsplan des Kölner Landgerichts. Demnach will Stefan Singbartl, Vorsitzender Richter der 21. Zivilkammer, am kommenden Dienstag eine Entscheidung in einem der spektakulärsten Schadenersatzprozesse seit Jahren verkünden. Es geht um die 1,9-Milliarden-Euro-Klage der Quelle-Versandhauserbin Madeleine Schickedanz, 73, gegen ihre frühere Hausbank Sal. Oppenheim, deren Muttergesellschaft Deutsche Bank und ein Dutzend weiterer, ehemaliger Geschäftspartner. Doch zu einem Urteil in der Streitsache wird es vermutlich nicht mehr kommen.

Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung und WDR haben sich alle Beteiligten nach jahrelangen Verhandlungen auf einen außergerichtlichen Vergleich geeinigt. Er ist bereits verbindlich ausformuliert und soll spätestens am 21. Dezember, einen Tag nach der anberaumten Urteilsverkündung also, endgültig notariell beglaubigt werden. Offiziell mag dies kein Beteiligter bestätigen, und auch über Inhalte der Einigung hüllt man sich in Schweigen.

Unbestätigten Informationen aus involvierten Kreisen zufolge soll das Volumen, das Schickedanz in dem Vergleich zugesprochen wird, im dreistelligen Millionenbereich, jedoch weit unter den von ihr geforderten 1,9 Milliarden Euro liegen. Vermittelt hat die Einigung Clemens Vedder, ein deutscher Geschäftsmann mit Wohnsitz in den USA und Firma in der Schweiz. Er gilt als ausgefuchster Verhandler und war in der Vergangenheit bereits mehrfach als Mediator in komplizierten Streitfällen erfolgreich. Im Herbst 2015 bat ihn Schickedanz, sich in die damals heillos festgefahrenen Verhandlungen einzuschalten. Nun haben Schickedanz' Anwälte Vedder dem Vernehmen nach bereits für sein erfolgreiches Engagement gedankt. Er selbst wollte auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben; die Anwälte von Schickedanz waren am Mittwoch nicht erreichbar.

Die Erleichterung auf Seiten von Madeleine Schickedanz ist besonders verständlich, hatte sie doch in dem Verfahren von Anfang an einen schweren Stand. Bereits zu Prozessbeginn vor vier Jahren machte Richter Singbartl Schickedanz ihr wenig Hoffnung, tatsächlich am Ende das Gericht mit 1,9 Milliarden Euro Entschädigung zu verlassen. Die Erbin des Versandhauses Quelle, das 2009 mit dem Mutterkonzern Arcandor unterging, hatte in ihrer Klage schwere Vorwürfe erhoben. Es ging um Einlagen in geschlossene Immobilienfonds, vor allem aber um Aktiengeschäfte von Schickedanz, deren Privatvermögen einstmals auf mehr als drei Milliarden Euro taxiert wurde.

Mehrfach hatte die Erbin in den Jahren vor dem Arcandor-Untergang große Aktienpakete an dem Handelskonzern erworben und sich dafür bei Sal. Oppenheim einen hohen dreistelligen Millionenbetrag geliehen. Die Darlehen sicherte sie mit den Arcandor-Aktien ab. Je tiefer das Unternehmen abstürzte, desto wertloser wurden die Anteilsscheine. Und desto massiver die Forderungen der Banker nach weiteren Sicherheiten. In einem ersten Schwung musste Schickedanz zahlreiche Immobilien verkaufen, darunter Bürohäuser in besten Großstadtlagen und Villen in St. Moritz.

In ihrer Klage machte Schickedanz geltend, die Bank und ihr Vermögensberater, der Troisdorfer Immobilienunternehmer Josef Esch, hätten sie nicht korrekt über Risiken aufgeklärt und letztendlich reingelegt. Sie habe, sagte Schickedanz einmal, "den falschen Leuten vertraut und nicht rechtzeitig erkannt, dass das Ganze vollkommen danebengeht".

Ihrem Bild vom arglosen Opfer mochte das Landgericht allerdings nicht vorbehaltlos folgen. Schon zu Prozessbeginn machte die 21. Zivilkammer deutlich, dass eine Investorin in dieser Größenordnung wissen müsse, was sie tue. Zudem habe Schickedanz' Ehemann Leo Herl als Aufsichtsratsmitglied bei Arcandor und als Generalbevollmächtigter seiner Frau an vielen relevanten Besprechungen teilgenommen. So argumentierten die Banken und Esch auch in ihren Gegenklagen, mit denen sie die Vorwürfe zurückwiesen und ihrerseits Geld von Schickedanz forderten.

Sie selbst wird nicht verarmen

Obgleich die Situation vor Gericht vorteilhaft für das zwischenzeitlich von der Deutschen Bank übernommene Geldhaus Sal. Oppenheim und den ebenfalls beklagten Josef Esch schien, verhandelten alle Beteiligten weiter über einen außergerichtlichen Kompromiss. Zumal das Gericht in einem Hinweisbeschluss im August 2015 auch hatte erkennen lassen, dass Schickedanz durchaus Rückabwicklungsansprüche in einer Höhe von 85 Millionen Euro aus zwei Immobilienfondsgeschäften haben könnte, weil sie nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt worden sei. Ein Teil ihrer Einlage sei zudem zweckentfremdet worden, um einen anderen der sogenannten Oppenheim-Esch-Fonds zu subventionieren, an dem sie gar nicht beteiligt war. Vermutlich also müssten bei einem Urteil auch Esch und die Banken Federn lassen.

Doch dazu wird es nun wohl nicht mehr kommen. So der Vergleich nicht im letzten Moment überraschend platzt, würde er das Ende der zivilrechtlichen Aufarbeitung der Vorgänge im Zuge des Arcandor-Untergangs und die Rolle von Madeleine Schickedanz bei alledem bedeuten.

Sie selbst wird nicht verarmen; ein Insider sprach davon, mit dem ihr nun via Vergleich zugesprochenen Vermögen könnten die Erbin und ihre Nachkommen ziemlich beruhigt eine lange Zeit leben. Die von Schickedanz einst in einem Interview geäußerte Klage, nur noch beim Discounter einkaufen und beim Italiener lediglich Pizza essen zu können, dürfte sich erledigt haben. Einem sorglosen Lebensabend stünde nichts mehr im Weg. Wie viel sie dafür benötigt, soll sie einmal gegenüber Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff nach dessen Aussage klar beziffert haben: eine Milliarde Euro.

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