Uber Files:Macron nach Berichten über Absprachen mit Uber unter Druck

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Muss sich aufgrund seiner bislang unbekannten Kontakte zum Mobilitätsdienstleister Uber erklären: Emmanuel Macron. (Foto: Ludovic Marin/AFP)

Nach den Enthüllungen aus den Uber Files wirft die Opposition Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor, private Interessen über jene des Landes gestellt zu haben. Auch die EU-Kommission hat Fragen - an die ehemalige Kommissarin Neelie Kroes.

Von Jan Diesteldorf, Frankfurt

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron steht nach der Enthüllung seiner bisher unbekannten Kontakte zum Mobilitätsdienstleister Uber in der Kritik. Den Weg Macrons durchziehe ein roter Faden, "privaten, oft ausländischen Interessen vor nationalen Interessen zu dienen", sagte Jordan Bardella, Interimspräsident des Rassemblement National, der Partei der Rechtspopulistin Marine Le Pen. Alexis Corbière, Abgeordneter der Nationalversammlung und Ex-Sprecher der Bewegung La France insoumise des Linken Jean-Luc Mélenchon, sagte: "Der Präsident oder derjenige, der Präsident werden wird, darf kein Lobbyist im Dienste privater Interessen und eines nordamerikanischen Unternehmens sein." Die Vorstellung, dass Herr Macron in diesem geheimen Pakt mit einem Unternehmen die Vorschriften für Taxis dereguliert habe, wiege sehr schwer, sagte Corbière. Er brachte die Einrichtung einer Untersuchungskommission ins Spiel.

Macron war zwischen 2014 und 2016 Wirtschaftsminister unter Staatspräsident François Hollande, also genau zu der Zeit, als Uber in Frankreich Fuß fassen wollte. Ex-Verkehrsminister und Macrons früherer Kabinettskollege Alain Vidalies sagte dem Radiosender France Info, er sei ob der Recherchen zu den Uber Files "aus allen Wolken gefallen". Macrons Wohlwollen Uber gegenüber habe ihm und dessen Vorstellungen von einer "Start-up-Nation" entsprochen, sagte Vidalies. Aber das jetzt belegte Ausmaß von Macrons Einsatz für den kalifornischen Fahrdienstleister sei ihm nicht bewusst gewesen.

Die Uber Files, ein Datensatz aus mehr als 124 000 Dokumenten aus dem Inneren des kalifornischen Fahrdienstanbieters, der dem Guardian zugespielt und mit dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), der SZ, dem NDR, dem WDR sowie weiteren 39 internationalen Partnern geteilt wurde, zeigen, wie aggressiv Uber in den Jahren 2013 bis 2017 Lobbyarbeit betrieben hat. Dabei versuchte der Konzern, Amtsträger, Wissenschaftler und Medienschaffende auf seine Seite zu ziehen. Die Ergebnisse dieser Recherche, an der mehr als 180 Journalisten aus 29 Ländern beteiligt waren, werden seit Sonntagabend weltweit veröffentlicht.

Traf Macron geheime Absprachen mit Uber?

Die Daten enthalten eine Reihe von Textnachrichten und E-Mails, die einen direkten Kontakt des Uber-Managements zum damaligen französischen Wirtschaftsminister belegen. Unter anderem setzte sich Macron demnach persönlich für Uber ein, nachdem der Polizeipräfekt der Region Marseille im Herbst 2015 ein Angebot von Uber verboten hatte. Ebenso belegen die Uber Files vier Treffen von Macron mit Uber-Gründer Travis Kalanick zwischen 2014 und 2017. Drei davon waren bislang nicht öffentlich bekannt. In den Daten finden sich auch Hinweise darauf, dass Macron geheime Absprachen mit dem Konzern getroffen und die Gesetzgebung zugunsten Ubers beeinflusst haben könnte.

Der Élysée-Palast teilte mit, Emmanuel Macron habe den Wandel im Passagiertransportsektor lediglich "erleichtert", indem er "bestimmte administrative oder regulatorische Sperren gelöst" habe. Macron sei in seiner Zeit als Wirtschaftsminister natürlich mit vielen Unternehmen in Kontakt gekommen, "die in den genannten Jahren einen tiefgreifenden Wandel im Dienstleistungssektor vollzogen haben, der durch die Lösung bestimmter administrativer oder regulatorischer Hürden erleichtert werden sollte".

Post aus Brüssel für Ex-Kommissarin Kroes

Auch für die frühere Vizepräsidentin der EU-Kommission, Neelie Kroes, haben die Uber Files ein Nachspiel. Die Kommission habe entschieden, die Niederländerin per Brief um Klarstellung des Sachverhalts zu ersuchen, sagte ein Sprecher der Behörde am Montag in Brüssel. Das weitere Vorgehen hänge davon ab, welche Informationen die Kommission in den kommenden Tagen erhalte.

Kroes war Kommissarin für die Digitale Agenda, als Uber mit seinen appbasierten Chauffeurdiensten in Europa an den Markt ging. Nach ihrer Amtszeit in Brüssel soll sie bei Politikern in ihrem Heimatland interveniert haben, als die Behörden dort gegen das Angebot Uber Pop ermittelten, bei dem App-Nutzer mit ihren privaten Autos Fahrgäste chauffierten. Die Uber Files zeigen, dass sie offenbar auch Treffen von Uber-Vertretern mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte sowie zwei Verkehrsministern organisiert hat.

Kroes befand sich damals noch mitten in der 18-monatigen Karenzzeit, während derer ehemalige Kommissionsmitglieder keine Lobby-Jobs in ihrem alten Zuständigkeitsbereich annehmen dürfen. Nach Ablauf der eineinhalb Jahre bestellte Uber die Niederländerin im Mai 2016 offiziell zur Beraterin und in den Uber-Beirat. Kroes hatte auf Anfrage angegeben, zuvor weder formell noch informell für das Unternehmen tätig gewesen zu sein.

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