Süddeutsche Zeitung

Machtwechsel in Wolfsburg:Wie Piëch Volkswagen noch schaden könnte

  • Die Machtfrage bei Volkswagen ist vorerst entschieden: Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch ist am Wochenende abgetreten.
  • An der Börse jubeln sie über diesen Schritt - die VW-Aktie steigt am Montag zeitweise um mehr als fünf Prozent.
  • In Wolfsburg ist indes klar, dass wohl unruhige Zeiten anstehen: Großaktioniär Katar bestetzt ein Aufsichtsratsmandat neu - und im Sommer übernimmt der frühere BMW-Manager Herbert Diess die Führung der Stammmarke VW.

Von Thomas Fromm

Als es passierte, waren sie sprachlos in den Wolfsburger VW-Büros. Sie wussten ja schon seit Tagen, dass irgendetwas passieren würde. Nur dass der Patriarch die Bühne verlassen würde, das hätten sie nicht gedacht. "Da knallten keine Sektkorken, und es gab auch keine Jubelfeiern", sagt einer, der dabei war am Wochenende. "Solche Momente muss man erst einmal verarbeiten, so etwas dauert".

An der Börse jubeln sie am Montag. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch tritt ab, und der Wert der VW-Aktie steigt zeitweise um über fünf Prozent auf 245 Euro. Tagelang hatten VW-Aktien wegen des Machtkampfes verloren, nun steigen sie, ohne dass der Konzern irgendwelche neuen Erfolgszahlen veröffentlicht hätte. Das heißt: Einige Menschen können mit einem Rückzug Aktienkurse bewegen - manchmal sogar mehr als gute oder schlechte Geschäftszahlen.

Viele Investoren sagen an diesem Montag, dass nun endlich Klarheit an der VW-Spitze herrsche, und Investoren mögen Klarheit. So etwas wird honoriert.

Es werden wieder VW-Aktien gekauft.

Alles klar? Nichts ist klar an diesem Montag, und in Wolfsburg wissen sie auch, dass dies nicht der Moment ist für große Partys. Eine Atempause vielleicht, ein Tag, an dem man ahnt, dass VW nun interessante Zeiten bevor stehen. Ob sie aber ruhiger werden, ist eine ganz andere Frage.

Es beginnt mit dem, der am Samstag gegangen ist: Ferdinand Piëch. Der Milliardenerbe hält noch immer 13 Prozent der Stammaktien an der Porsche Holding SE, die wiederum die Hälfte der Volkswagen-Anteile kontrolliert. Umgerechnet gehören Piëch also an die 6,7 Prozent der VW-Stammaktien. Börsenwert: an die 4,6 Milliarden Euro. Was macht er nun damit? Wie gekränkt ist Piëch nach seinem erzwungenen Abtritt? Hat er mit allem abgeschlossen? Oder will er sich rächen?

Die Möglichkeit hätte er nun. Die Eigentümer-Familien Porsche und Piëch haben ein Vorkaufsrecht, wenn das jeweils andere Familienmitglied seine Anteile loswerden will. Es könnte aber auch anders gehen: Jemand will keine 4,6 Milliarden Euro für einen Konzern ausgeben, den er eh schon zu einem großen Teil besitzt. Dann könnte der andere seine Aktien verkaufen. Über die Börse, über eine Investmentbank. Er könnte den Markt mit seinen Aktien "fluten", wie Börsianer das nennen. Für den Aktienkurs wäre das ungesund, und für den Konzern auch.

Piëch könnte sein Paket aber auch behalten. Nicht, weil er es als Kapitalanlage bräuchte. Wer Anteile besitzt, kann über Aktionärsversammlungen mitreden und neue Allianzen im Aufsichtsrat aufbauen. Interessant ist daher, wer an die Stelle von Piëch und seiner Ehefrau Ursula in den Aufsichtsrat nachrückt. Werden es Nachkommen aus der Piëch-Dynastie sein?

Verkaufen und aussteigen oder dran bleiben und weiter kämpfen? Noch ist nicht klar, welche Variante Piëch bevorzugt, aber bald werden sie es in Wolfsburg wissen. Als Aufsichtsratschef ist er weg. Als Eigentümer aber noch da.

An der Spitze des Aufsichtsrates steht nun Berthold Huber, Ex-IG-Metall-Chef und bisher Vizechef des Gremiums. Arbeitnehmervertreter spielten in diesem Konzern, der zu 20 Prozent dem Land Niedersachsen gehört, schon immer eine wichtige Rolle. Jetzt aber wird der VW-Vorstandsvorsitzende Winterkorn von einem Arbeitnehmervertreter kontrolliert. Wer hätte das gedacht.

Huber muss nicht nur die Hauptversammlung des Konzerns am Dienstag nächster Woche leiten, er muss auch seinen Nachfolger suchen. Das könnte Winterkorn selbst sein, aber auch jemand ganz anderes. Piëch hat zwar kein Amt mehr - aber die Diskussionen über Ämter bleiben.

Katar will eine aktivere Rolle in Wolfsburg spielen

Es wird sondiert, diskutiert, austariert. Am Montag teilte der VW-Großaktionär Katar überraschend mit, dass er eines seiner zwei Aufsichtsratsmandate neu besetzen will. Das Emirat, das 17 Prozent der Stimmrechte von VW hält, will nun den Chef des Luftfahrtkonzerns Qatar Airways, Akbar Al Baker, zu VW schicken. Der Manager gilt als gewiefter Taktiker, von daher könnte man die Besetzung auch so interpretierten: Die Kataris wollen künftig eine aktivere Rolle in Wolfsburg spielen.

Spätestens im Sommer dann wird es richtig spannend: Dann übernimmt der frühere BMW-Manager Herbert Diess die Führung der Stammmarke VW, die bisher von Winterkorn mit geführt wurde. Die Marke VW mit ihren Brot- und Butter-Modellen, mit ihren Golfs und Passats, macht zwar einen großen Teil des Konzern-Umsatzes insgesamt aus, verdient aber selbst zu wenig Geld. Die Gewinne im Konzern kommen woanders her, von Audi und von Porsche. Der Münchner Diess hat den Ruf eines harten Kostenkillers, und die Rezepte, die er schon bei BMW anwandte, dürfte er mit nach Wolfsburg bringen.

Es geht um die Preise der Zulieferer, aber nicht nur. Vieles von dem, was VW heute noch selber fertigt, könnte Diess an externe Komponentenlieferanten oder ins Ausland verlagern. Spätestens dann geht es um die Frage, wie viele hoch bezahlte Jobs sich der Konzern noch in Deutschland - in Niedersachsen - leisten will.

Es geht um nicht weniger als den Erhalt und Verlust von Arbeitsplätzen, und Diess, dazu braucht es wenig Phantasie, hätte bei solchen Operationen wohl einen Piëch auf seiner Seite. Aber keine niedersächsischen Landespolitiker und auch keine Arbeitnehmervertreter.

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SZ vom 28.04.2015/infu
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