Klaus-Dieter Koch, Gründer und Geschäftsführer der Managementberatung Brand Trust, erklärt, warum Firmen im Luxus-Segment gern eigene Events planen.
SZ: Der Luxuskonzern LVMH war gerade auf seiner Roadshow in Shanghai, Breitling hat seine Uhrenkollektion auf exklusiven Events präsentiert und Porsche lädt Kunden auf die World Roadshow zum Testfahren. Warum setzen gerade Top-Marken auf den singulären Auftritt?
Klaus-Dieter Koch: Das hat zwei Gründe. Zum einen den Druck, relevante Themen für die Medien zu erzeugen, indem man unverwechselbare Ereignisse schafft. Das kann eine Marke natürlich sehr gut, wenn exklusive Events nicht nur gesponsert werden, sondern auch eigene geschaffen werden. Dann hat das Unternehmen die Hoheit über den Ablauf und die Kontrolle über die Botschaften für Kunden, Journalisten und Blogger. Es entstehen also Bilder und Inhalte, ohne dass jemand dazwischenfunkt.
Und die zweite Ursache?
Diese ist mit dem Niedergang der klassischen Leitmessen für viele Branchen zu erklären. Marken wählen heute ganz andere Umfelder, um auf sich aufmerksam zu machen. Automobilhersteller präsentieren sich beispielsweise auf der Messe für Unterhaltungselektronik CES in Las Vegas, und die Swatch Group, traditionell größter Aussteller der Basler Uhrenmesse mit 50 Millionen Franken Budget, verlässt die Messe, um selbst etwas auf die Beine zu stellen.
Hatten Luxusmarken bislang ein Problem mit dem direkten Kundenkontakt?
Nein, aber Probleme mit der Kontrolle. Den Luxus des Preispremiums, das eine Top-Marke erzeugen muss, kann sie nur kreieren, wenn das Unternehmen Produkte, Vertriebswege und auch die Darstellung der Marke komplett kontrolliert. Das gelingt natürlich in Umfeldern, auf denen sie die Eigentümerschaft hat, sehr viel konsequenter, als wenn sie sich das Spielfeld mit anderen Marken teilen muss und den Vorgaben der Veranstalter ausgeliefert ist. Durch die Exklusivität bekommen die Markenauftritte eine einzigartige Klarheit, einen Fokus und sie erzeugen Momentum im Markt.
Die Premium-Marken stellen auf Messen häufig andere Aussteller in den Schatten.
Absolut, es ist ja auch nicht zwingend eine Entweder-oder-Frage. Wenn sie etwa Rolex und Wimbledon nehmen, dann sehen Sie genau dieses Phänomen. Die Marke kann als offizieller Zeitgeber des prestigeträchtigsten Tennisturniers absolut die Dominanz-Karte spielen. Bei Messen gelingt das schon weit weniger. Eine Marke kann sich dort über die Größe des Standes, die Anzahl der Stockwerke und die Ausgestaltung dem direkten Vergleich stellen. Die Alternative zu sagen, ich muss mich nicht gegen die Wettbewerber abgrenzen, sondern mache alles komplett auf meiner eigenen Plattform, hat noch einmal einen ganz anderen Reiz. Um meine Thematik zu flankieren und den ausgewählten Besuchern ein kompletteres Erlebnis zu bieten, kann ich Kooperationspartner und Marken aus meinem Konzern nutzen.
Statt den Normalverbraucher auf Messen zu betreuen, werden also Kunden und Testimonials eingeladen. Was ist der Vorteil?
Die Gefahr, die falschen Endkunden zu haben, fällt damit weg. Auf Roadshows haben sie die Besucher und Multiplikatoren komplett selbst unter Kontrolle. Im Vorfeld können sie den Erfolg durch VIP-Programme und Kundenbindungsaktionen bereits steuern und die Veranstaltung entsprechend vorbereiten. Die Unternehmen wählen die eingeladenen Multiplikatoren selbst aus. Und darüber hinaus bleibt die Konkurrenz draußen. Damit meine ich nicht die echte Konkurrenz, sondern all jene, die kopieren. Im Modebereich ist es besonders problematisch, wenn die Modeketten die Laufsteg-Kollektionen schneller in den Geschäften haben als die Marken, die sie kreiert haben.
Wie passt die Roadshow zur digitalen Marketingwelt?
Das klingt ein wenig paradox, aber beides passt exzellent zusammen. Am Ende ist das gesamte Bestreben der digitalen Transformation, die Distanz zum Kunden zu überwinden. Also dem Kunden so nahe wie möglich zu kommen. Und dies findet nicht nur online statt, sondern auch offline. Das sind dann die Kirschen auf der Torte. Das Messegeschäft schrumpft deshalb nicht, es wächst trotz der Digitalisierung weiterhin. Gerade wegen der Digitalisierung nimmt das Bedürfnis an persönlichen Kontakten in der realen Welt zu und davon können gut konzipierte Messen profitieren. Und das tun sie auch.
Sind Luxusmarken stärker gefordert, innovative Marketingkonzepte zu liefern?
Das würde ich nicht sagen, denn Luxus ist langsam. In den darunterliegenden Marktsegmenten gibt es deutlich schnellere Bewegungen und Entscheidungen. Wer luxuriös kauft, hat einen anderen Kaufhorizont und Entscheidungsspielraum. Globale Luxusmarken können sich mehr Zeit lassen als in anderen Segmenten und sie haben auch das Geld dazu. Bewegungen wollen hier wohlüberlegt sein, da muss man nicht jeden Trend sofort aufgreifen. Das ist auch gar nicht die Aufgabe der Marken. Nachhaltigkeit, Wertstabilität und Beständigkeit sind die entscheidenden Erwartungen von Kunden, die dafür viel Geld bezahlen. Wenn sie das Thema angehen, dann muss es gründlich passieren.
Haben die Kunden in Asien und im Nahen Osten andere Bedürfnisse?
Sie haben andere Erwartungen an Luxusmarken, das zeigen auch die ersten Ergebnisse unserer neuen Luxury & Brands Studie, und es geht natürlich um das Marktpotenzial in Asien. Am Uhrenmarkt geht man davon aus, dass künftig 50 Prozent aller Luxusuhren in China verkauft werden. Bei diesem Wachstum kann es sich keine Top-Marke leisten, dort nicht vertreten zu sein. Roadshows sind da das adäquate Mittel. In China und Korea sind klassische Mehrmarken-Modegeschäfte und Uhren-Konzessionäre unbekannt, dort gibt es große Warenhäuser oder Mono-Marken-Händler. Damit sind die Kunden empfänglicher für die monolithischen Botschaften einer Roadshow als für Veranstaltungen, wo mehrere Marken um ihre Aufmerksamkeit buhlen.