Lofts liegen im Trend. So sehr, dass sogar neue gebaut werden, zum Beispiel in München: Fünf Meter hoch sind die Steidle Lofts in den Lenbachgärten, bis zu 330 Quadratmeter groß die Arrangements in den geplanten Isarlofts samt eigenem Lichthof.
Immer mehr Großraumwohnungen drängen auf den Markt. Andererseits springen immer mehr Anbieter auf den fahrenden Zug. Sie versprechen sich vom Label Loft Gewinn. Ist ihre Wohnung nicht 2,40 Meter hoch, sondern 2,50 Meter, gilt sie bereits als Loft. Jedes Dachgeschoss beherbergt plötzlich ein potenzielles Loft, jedes Penthouse sowieso.
Erst elende Künstlerschuppen, dann Statussymbol für Yuppies
Wie sich die Zeiten doch ändern. Lofts, das waren früher elende, kaum sanierte Schuppen, billige Behausungen für Künstler und soziale Randgruppen, in den achtziger Jahren Statussymbol der Yuppies, die einen Drink mit Blick auf Manhattan schlürften, heute verbirgt sich hinter dem Begriff die schwammige Bezeichnung für große Wohnungen.
Was ist überhaupt ein Loft? Ein ,,schönes, helles, modernes Dachgeschoss-Appartement im vierten Obergeschoss eines sanierten Altbaus'' mit 70 Quadratmetern, wie es eine Anzeige verspricht? Sven-Thorsten Stiller, Geschäftsführer des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V., erklärt, dass es keine rechtliche Definition gebe und ,,Lofts sehr wohl im Trend liegen.'' Muck Petzet, Münchner Architekt, weiß es genauer: ,,Ein großer, ungeteilter Raum mit eingestellten Körpern.''
Zwei Zimmer auf 250 Quadratmetern
Petzet hat zusammen mit seinem Kollegen Josef Peter Meier-Scupin solche ,,Räume mit Körpern'' geschaffen. Mitten in Sendling, in einer ehemaligen Schaltzentrale der Post. Wo einst die Fräulein vom Amt stöpselten, leben nun Mieter in fließenden Raumschöpfungen.
Der Aufwand dafür war enorm: Im Rückgebäude mussten die Architekten sogar die Richtung des Tragwerks drehen, um durchgesteckte Wohnungen von 250 Quadratmetern zu erhalten. Zwei Zimmer, mehr nicht. Spätere Unterteilung möglich. ,,Die Sehnsucht nach Lofts ist groß'', glaubt Petzet, und mit ihnen gehe ,,die Orientierung nach Amerika'' einher. Loft heißt Luxus. Und die Ansprüche steigen. Wenn es um ,,großzügige und ausgefallene Wohnlösungen'' geht, wie einige Anbieter werben, geht nichts über XXL.
Loft ist im Grunde keine Bezeichnung für Immobilien, sondern für einen Zustand, einen Geisteszustand: offen, abgehoben, über den Dingen stehend. Die Größe der Wohnung zeigt die Größe ihrer Besitzer. Sie leben das, was sich der Durchschnitt nicht mehr leisten kann: 300 Quadratmeter Raum mit Kücheninsel, Badbox und vielleicht einem abgetrennten Schlafzimmer.
In München sind Industtrieareale Mangelware
Loft heißt Luft, und die muss ihre Besitzer umwehen wie ein Leinenshirt im Hochsommer. Lofts aber fallen nicht vom Himmel, sie müssen gefunden und umgebaut werden, in alten Industriearealen, Hallen, Lagerschuppen, bevor sie mit mehr oder weniger großem Aufwand zu Wohndomizilen werden.
München ist nicht das Ruhrgebiet, München ist auch nicht der Osten. Wo liegen aufgelassene Industrieareale an der Isar? Selbst die Künstler der Domagk-Straße arbeiten nicht in Riesenräumen, sondern müssen sich mit dem Kasernenzuschnitt von gestern zufrieden geben.
Von der Umnutzung zum Neubau
Das öffnet einen neuen Markt. Lofts werden heute nur noch selten aus unserer industriellen Vergangenheit destilliert, sondern mangels Masse gleich neu gebaut.
Wie bei MediaWorksMunich in der Rosenheimer Straße, wo die Textilfirma Konen bis 1996 Anzüge, Hosen und Hemden schneiderte. Auf 68000 Quadratmetern Fläche und 26 Metern Raumtiefe ist vieles möglich. Vom zentralen, raumhoch durch Glas abgetrennten Besprechungsraum bis zur völligen Offenheit. Auf ein Hinterhaus sollen zwei neue Etagen im Loft-Stil gepackt werden - ein Entwurf von Steidle Architekten.
Wohnen im "Wolkenbügel"
Sie haben für das Areal auch eine 40 Meter hohe Medienbrücke mit 25000 Quadratmetern geplant. Ein Bauwerk im Stil des vom russischen Architekten El Lissitzky ersonnenen ,,Wolkenbügels'', der die Tugenden der bisherigen Büros fortschreiben soll mit ungewöhnlichen Gebäudebreiten und Raumhöhen. Ein ,,Wolkenbügel'' ist ein Hochhaus, das sich wie eine Brücke über die bestehenden Gebäude legt.
Auch hier verändert sich das Loft-Gefühl. Wem reicht schon Estrich, so ästhetisch eine derartige glänzende Fläche auch sein mag? Manche Umbauten fühlen sich daher wie Neubauten an, und sind es eigentlich auch. Selbst manche Loft-Büros erhalten heute Parkett.
Luxuriös, großzügig, modern - aber nicht mehr preiswert
Loft steht heute eben für alles, nur nicht mehr für preiswertes Wohnen in umgebauten Fabrik-und Lagerhallen. Loft ist ein Label, bei dem sich jeder bedient. Auch die Lenbachgärten mit den SteidleLofts klingen nach einem kleinen Paradies; ,,modern und komfortabel'' sei ,,das Haus-in-Haus-Wohnen auf einer Gesamtfläche von circa 180 Quadratmetern'', heißt es in der Online-Dokumentation des Bauträgers Frankonia Eurobau AG.
Dieses Wohnkonzept eigne sich ,,für alle nur denkbaren Lebensentwürfe''. Dass es sich dabei nicht um Lofts im ursprünglichen Sinne handelt, ist egal.