Süddeutsche Zeitung

Luxemburgs Premier Xavier Bettel:"Ich kann nicht meine Steuern erhöhen, weil es dem Nachbarland dann besser geht"

Luxemburgs Premier Xavier Bettel freut sich, wenn Konzerne wie Haribo in das Großherzogtum ziehen. Ein Steuerparadies sei sein Land aber nicht.

Interview: Cerstin Gammelin

Xavier Bettel, 41, ist Luxemburgs Premierminister - und damit der Nachfolger von Jean-Claude Juncker. Seit Dezember 2013 ist der Vorsitzende der liberalen Demokratischen Partei im Amt. Vor der Veröffentlichung des Luxemburg-Leaks sprach er über die Rolle seines Landes im europäischen Steuerwettbewerb.

SZ: Herr Premierminister, ist es ein Vorteil für Luxemburg, dass Ihr Vorgänger im Amt, Jean-Claude Juncker, jetzt die EU-Kommission führt? Dort laufen ja drei Untersuchungen wegen aggressiver Steuervermeidung und Informationsverweigerung gegen Ihr Land.

Xavier Bettel: Ich hoffe nicht, dass er strenger mit Luxemburg ist als jemand, der nicht Luxemburger ist. Außerdem wissen Sie sicher, dass Luxemburg der Kommission Dokumente mitgegeben hat, damit sie sehen kann, dass das, was wir gemacht haben, auch in Ordnung ist.

Die Dokumente sind erst nach Junckers Ausscheiden als Premierminister geliefert worden, und sie sind noch immer nicht vollständig.

Vielleicht.

Wird Juncker Nachsicht haben mit seinem Heimatland?

Nein.

Die Länder der EU wollen, dass alle Unternehmen faire Steuern zahlen. Wird Juncker diesen Wandel durchziehen, auch zulasten Luxemburgs?

Wir reden ja manchmal vom "Steuerparadies Luxemburg". Aber Paradies würde heißen, dass man keine Steuern bezahlt. Das ist ja nicht der Fall. Man bezahlt Steuern in Luxemburg.

Dennoch: Muss das Steuersystem nicht fairer werden?

Ich verstehe die Frage nicht. Wenn meine Nachbarn verschuldet sind und deshalb die Steuern erhöhen, kann ich nicht aus diesem Grund meine Steuern auch erhöhen, weil es dem Nachbarland dann besser geht.

Sie finden es fair, dass Luxemburg über Steuerdumping Unternehmen anlockt?

Ich muss mich nicht anpassen, weil ein anderer mit seinen Finanzen nicht zurechtkommt.

Ist es nicht ungerecht, wenn Unternehmen wenig Steuern zahlen und Bürger deshalb auf soziale Leistungen verzichten müssen?

Es gibt Steuern in Luxemburg. Und wenn wir Abschreibungen für Unternehmen anders regeln wollen, müssen wir das auf internationalem Parkett machen.

Die EU könnte anfangen?

Nein, die EU reicht nicht. Wir brauchen internationale Standards.

Luxemburg steht nun im Zentrum der EU-Ermittlungen wegen vermeintlichen Steuerdumpings.

Unser Land ändert sich, man sieht es schon an der Mentalität. Vor 20 Jahren gab es Betriebe in Luxemburg, die hätten am liebsten nur einen Briefkasten gehabt, sonst nichts. Heutzutage kündigen Betriebe, die nach Luxemburg umziehen, das groß an. Amazon hat 1000 Leute hier. Haribo ist nach Luxemburg gekommen, die haben das groß angekündigt.

Ist es nicht ungewöhnlich schnell, wenn ein Unternehmen morgens per Fax einen Steuer-Antrag sendet und am Nachmittag die verbindliche Antwort bekommt?

Wir sind das Land der kurzen Wege. Die eine Firma bekommt bei uns nicht bessere Bedingungen als eine andere Firma. Wenn die Konditionen erfüllt sind, gilt das für jeden Betrieb.

Warum kommen so viele Finanzinvestoren zu Ihnen?

Weil sie hier die Arbeitskräfte finden, die sie brauchen. Wir haben erfahrene Leute. Wir haben politische und wirtschaftliche Stabilität. Wir sind in der Euro-Zone. Wir bekommen von den Ratingagenturen die Bestnote. Die Investoren vertrauen uns.

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