Luxemburg-Leaks zu Eon:Windige Kredite

Offshore Windpark in der Nordsee

Eon investiert auch in Windkraft (Symbolbild).

(Foto: dpa)

Die Luxemburger Tochterfirma Dutchdelta des Energieriesen Eon verleiht konzernintern Milliarden. Aber ist sie wirklich eigenständig? Wenn nicht, drohen deutsche Steuerforderungen in Millionenhöhe.

Von Bastian Obermayer

Wer hat wo das Sagen bei Eon? Das ist die Frage, die am Anfang steht - und die auch am Ende dieses Textes stehen wird. Von der Antwort hängt womöglich ab, ob die Milliardengeschäfte des Konzerns via Luxemburg als aggressive, aber legale Steuervermeidung einzustufen sind. Oder ob es mehr ist.

Von der Düsseldorfer Konzernzentrale am Eonplatz 1 aus orchestriert der deutsche Konzern seine vielen Tochterfirmen und Beteiligungen weltweit - so sah man das jedenfalls bislang. Eine Gesamtstrategie ist in diesen Zeiten für den Energieriesen wichtiger denn je. Schließlich muss er versuchen, trotz der Energiewende, die den Dax-Konzern Milliarden kostet, nicht völlig aus der Spur zu geraten. Noch gelingt das, auch 2013 erzielte Eon Milliardengewinne. Zu den Aufgaben der Konzernleitung gehört es auch, alle verbundenen Gesellschaften mit Geld zu versorgen. Dazu dient eine weitgehend unbekannte Tochter namens Dutchdelta Finance Sàrl in Luxemburg. Über sie steuert Eon konzerninterne Darlehen in Milliardenhöhe. Oder tut Eon genau das eben nicht?

Denn würden jene wichtigen strategischen Entscheidungen in Deutschland fallen, müssten die Zinsgewinne aus diesen Geschäften, oft in dreistelliger Millionenhöhe, wohl auch in Deutschland besteuert werden. Wenn sich nämlich herausstellen sollte, dass die Dutchdelta "überhaupt keine eigenständige Firma ist", erklärt Steuerstrafrechtler Volker Glies, also wenn "die Entscheidungen anderswo, beispielsweise in Deutschland getroffen werden". Insofern sollte die Frage auch deutsche Finanzbeamte interessieren. So viel sei verraten: Ein Besuch der luxemburgischen Eon-Dependance könnte sie ins Grübeln bringen.

Die Recherche beginnt mit einer Reihe ehemals geheimer Steuerdokumente, die in den Luxemburg-Leaks zu finden sind. Darunter auch ein Brief der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) an die Luxemburger Steuerbehörden. Darin wird eine interne Umstrukturierung geschildert, die einhergeht mit verschiedenen konzerninternen Darlehen an Eon-Töchter. Eon versorgt laut diesen Steuerunterlagen Tochterfirmen in den USA, Großbritannien und Schweden. Die Kredite werden teils aus Luxemburg vergeben, teils von einer Eon-Tochter aus Malta, die Summen sind beachtlich: Mal geht es um 2,6 Milliarden Dollar, mal um 200 Millionen Euro, mal um 14 Milliarden Britische Pfund. Würde Eon diese Summen aus Deutschland verleihen, fielen auf die Zinsgewinne vergleichsweise hohe Steuern an. In Luxemburg - und in Malta - ist genau das nicht der Fall, die Steuern sind marginal. Gleichzeitig aber können Tochterfirmen derartige Zinszahlungen auf ihre Gewinne anrechnen lassen und so in ihren jeweiligen Ländern die Steuerlast senken.

So weit, so unbestritten.

Das Schreiben der PwC-Berater soll nun die Sicherheit bringen, dass die Luxemburger Behörden gegen das von Eon vorgesehene Steuerkonstrukt keine Einwände haben. Wenig überraschend haben sie das auch nicht. Dieser Entscheid ist einer der umstrittenen "rulings", jener Art von individuellen Absprachen, die durch die Luxemburg-Leaks erstmals im Detail öffentlich wurden.

Der offensichtliche Steuerschaden liegt in den Ländern, deren Gewinne durch die Zinszahlungen nach Luxemburg sinken. Aber mehr noch anderswo, glaubt der britische Journalist und ehemalige Steuerfahnder Richard Brooks, der Einsicht in die Dokumente hatte: "Im Endeffekt ist Deutschland hier der Verlierer."

Ein Rechenbeispiel: Nimmt man einmal an, das Darlehen über 2,6 Milliarden Dollar wäre 2008 aus Deutschland vergeben und mit damals eher günstigen fünf Prozent verzinst worden: Es wären fast 130 Millionen Dollar Zinsgewinne im Jahr fällig geworden, also rund 100 Millionen Euro. Bei einem deutschen Steuersatz von rund 30 Prozent wären das 30 Millionen Euro gewesen.

Das wäre also theoretisch der Steuerschaden, wenn die Dutchdelta nie eigenständig gewesen wäre. Genau das allerdings bestreitet Eon.

Der Konzern legt außerdem Wert darauf, dass alle Eon-Töchter ihren Steuerverpflichtungen nachkommen. Bei der Milliardenfirma Dutchdelta waren das 2009 etwa 38 000 Euro und 2010 38 500 Euro. Rechnet man das gegen die Zinseinnahmen in diesen Jahren, kommt man auf einen Steuersatz von weniger als 0,1 Prozent. Ein Eon-Sprecher führt die niedrigen Steuerzahlungen auf hohe Verlustvorträge zurück.

Der Konzern hat also durch die Darlehen in etlichen Ländern enorme steuerliche Vorteile, obwohl er im Grunde nur die eigenen Milliarden durch seinen Konzern hat zirkulieren lassen.

Absurd? Geschenkt.

Selbst die eher schwammigen Luxemburger Gesetze stellen ein paar Bedingungen

Legal? Im Grunde ja - außer eben Dutchdelta erwiese sich als fremdgelenkte Briefkastenfirma. Und genau an dieser Stelle wird es womöglich unangenehm für Eon. Denn um als eigenständige Firma gelten zu können, muss Dutchdelta selbst nach den eher schwammigen Luxemburger Gesetzen ein paar Kriterien erfüllen.

Die international gängige Maßeinheit ist hierfür die Frage nach der "Substanz". Hat eine Firma wirklich Substanz in einem Land, oder ist sie eine leere Hülle? Zentral ist für diese Einschätzung, ob die wichtigen Entscheidungen im Land fallen. So genannte "key decisions", also Schlüsselentscheidungen, müssen laut Luxemburger Regularien in Luxemburg fallen. Zudem muss die Mehrheit der Manager oder Verwaltungsräte aus Luxemburg sein, oder zumindest dort geschäftlich tätig.

Ein erster Blick in die Bilanzen weckt Zweifel. An der Luxemburger Adresse der Konzerntochter hat über die Jahre nämlich keineswegs ein vielköpfiges Spezialistenteam an diesen Finanzierungsmodellen herumgetüftelt. Vielmehr hatte Dutchdelta den Unterlagen zufolge zeitweise offenbar zwar zwei Luxemburger Verwaltungsräte - aber keinen einzigen Angestellten. So steht es wörtlich in einer Bilanz, Angestellte 2011: "0".

Ein Eon-Sprecher bestreitet. Man habe immer mindestens einen Angestellten gehabt, zudem hätten Angestellte von anderen Luxemburger Eon-Töchtern Dienstleistungen für die Dutchdelta erbracht, deswegen stünden von 2004 bis 2011 keinerlei Löhne in den Bilanzen. Den sehr ausdrücklichen "null Angestellte"-Eintrag in der Bilanz kann der Sprecher jedoch nicht erklären.

Vielleicht ist es ja eine gute Idee, sich mal am Firmensitz in Luxemburg umzusehen. Die Milliardenfirma - 2008 waren tatsächlich einmal 33 Milliarden Euro als Zugänge bilanziert - hat ihre Büros im vierten Stock des Boulevard Prince Henri Nummer 17. Ein unscheinbares Bürohaus am Stadtpark. Auf den Briefkästen schmale Aufkleber mit etlichen Firmennamen darunter Dutchdelta. Die Klingel gilt für den vierten und den fünften Stock, und damit für mindestens sieben weitere Firmen. Wer klingelt und Fragen zu Dutchdelta stellt, bekommt kaum Antworten und wird über die Sprechanlage eher brüsk nach Deutschland verwiesen.

Weiterführender als das Gespräch am Klingelschild ist der Name einer der Firmen, die im fünften Stock residieren: Intruma. Diese Firma hat sich auf Hilfsdienste für internationale Firmen konzentriert, die Geschäfte über Luxemburg abwickeln wollen. Laut Selbstauskunft auf ihrer Website bietet die Intruma unter anderem "Büroraum" an, um ihren Kunden "Sichtbarkeit" in Luxemburg zu ermöglichen.

"Wäre spannend, was deutsche Steuerfahnder dazu sagen"

Vermietet die Intruma also Schreibtische an Dutchdelta? Eon widerspricht vehement: Mieter des vierten Stocks sei die Dutchdelta. Und wer ist Vermieter? Erst auf zweimalige Nachfrage räumt Eon leise ein: eine Tochterfirma der Intruma.

Intruma-Firmengründer Jack Groesbeek war laut Firmenwebseite zuvor unter anderem in der Steueroase Niederländische Antillen tätig. Sein Partner Paul de Haan bekundet, Posten in zahlreichen Verwaltungsräten zu halten. Groesbeek und de Haan sitzen beide auch: im Verwaltungsrat der Dutchdelta Finance Sàrl. Die beiden Holländer scheinen allerdings weniger vom Energie-Fach zu sein als vom Briefkasten-Fach. Sollten sie die milliardenschweren "key decisions" treffen? Was der Eon-Aufsichtsrat dazu wohl sagen würde?

Wenn die deutschen Behörden wirklich nachweisen wollten, dass die Dutchdelta dem Grunde nach aus Deutschland gesteuert worden sein soll, müssten sie klären, wo in den vergangenen Jahren die großen Entscheidungen getroffen wurden. Im vierten Stock des Boulevard Prince Henri 17? Oder in der Eon-Zentrale in Düsseldorf, im Rahmen einer Eon-Gesamtstrategie - vielleicht von Stefan Hloch, Vice President Group Treasury bei Eon, der auch im Verwaltungsrat der Dutchdelta sitzt und Prokurist der Eon Finanzanlagen GmbH ist? Das ist die Firma, die 100 Prozent der Anteile der Dutchdelta hält - und die 2009 rund fünf Milliarden Euro Kapital aus Deutschland in die Dutchdelta geschoben hat.

Ein Eon-Sprecher erklärt, alle wichtigen Entscheidungen seien in Luxemburg getroffen worden und zwar von den Mitgliedern der Geschäftsführung.

Man hört aus Steuerfahnderkreisen, dass schon ein paar verräterische E-Mails als Hinweise dafür taugen, ob Entscheidungen schon vor der gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Versammlung in Luxemburg gefallen sind. Oder nicht.

Für die Intruma erklärt Paul de Haan per E-Mail, die Firma nehme keine Stellung zu den Sachverhalten. Interessant aber: Bei einer telefonischen Nachfrage erhielten NDR, WDR und SZ von Dutchdelta die Antwort, kompliziertere Post würde grundsätzlich aus Düsseldorf beantwortet. Das wiederum, so urteilt der ehemalige Sachgebietsleiter* der Steuerfahndung Frankfurt am Main, Frank Wehrheim, wäre ein Zeichen dafür, dass die Dutchdelta nicht so viel zu sagen hätte. Die Konzernmutter Eon widerspricht erneut: "Sämtliche an die Dutchdelta adressierten Vorgänge" würden "am Sitz der Gesellschaft bearbeitet".

Vielleicht sollten sie das ihren Mitarbeitern dort sagen?

"In jedem Fall wäre es äußerst spannend, was deutsche Steuerfahnder zu dem Fall sagen", so Wehrheim. Zu dem Fall und zu der Frage, die da lautet: Wer hat wo das Sagen bei Eon?

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, Frank Wehrheim sei Leiter der Steuerfahndung Frankfurt am Main gewesen. Das ist nicht korrekt. Er war Sachgebietsleiter.

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