Lux-Leaks:Die Sache mit den "Erinnerungslücken"

13th congress of the European Trade Union Confederation

Einst lockte Jean-Claude Juncker, heute EU-Kommissionspräsident, mit Steuervorzügen Firmen nach Luxemburg.

(Foto: Stephane De Sakutin/dpa)
  • In einer Anhörung vor dem Ausschuss zur Aufklärung der Lux-Leaks-Affäre soll Juncker die Unwahrheit gesagt haben.
  • Juncker hat nun in dieser Sache einen Brief geschrieben.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Jean-Claude Juncker hat einen Brief geschrieben. Oder besser gesagt: eine Entschuldigung. Das an sich ist schon bemerkenswert, denn es kommt nicht oft vor, dass der Präsident der EU-Kommission es nötig hat, sich zu entschuldigen. Doch diesmal ging es um seine Ehre und seine Glaubwürdigkeit; es ging um die Frage, ob Juncker gelogen hat. Der Vorwurf: In einer Anhörung vor dem Ausschuss zur Aufklärung der Lux-Leaks-Affäre soll er gegenüber Abgeordneten des Europaparlaments die Unwahrheit gesagt haben.

Dabei ging es um eine Geschichte aus Junckers Vergangenheit. Um eine unter Verschluss gehaltene Seite des sogenannten Krecké-Berichts über Steuerhinterziehung in Luxemburg. Juncker, damals Regierungschef des Großherzogtums, hatte 1996 eben jene Untersuchung bei dem Abgeordneten Jeannot Krecké in Auftrag gegeben. Doch als diese ein Jahr später veröffentlicht wurde, ließ Krecké eine Seite verschwinden. Auf dieser ging es um sogenannte Tax-Rulings, also Steuervorbescheide, mit denen Unternehmen nach Luxemburg gelockt werden sollten.

Vor dem Parlamentsausschuss sagte Juncker: "Ich wusste nicht bis zu dem Zeitpunkt, wo Herr Krecké in einem Interview kundgetan hat, dass er eine Seite aus seinem Bericht nicht in den offiziellen Bericht geschrieben hätte, dass es diese Seite gab." Er habe Krecké nicht aufgefordert, eine entsprechende Seite zu entfernen, "weil ich ja gar nicht wusste, dass es so eine Seite gab". Krecké hingegen erklärte 2014 gegenüber Luxemburger Journalisten, dass er Juncker eine Version des Berichts übergeben habe. So hat es der Linken-Europaabgeordnete Fabio de Masi recherchiert und Juncker damit konfrontiert. Auf einmal stand der Kommissionspräsident im Verdacht, das Parlament belogen zu haben.

"Kreativer Wettbewerb"

Nun hat er dem "sehr geehrten Herrn Abgeordneten" geantwortet: "Ich kann mich an diesbezügliche Vorgänge aus dem Jahre 1997 - 18 Jahre später - nicht erinnern." Und fügt hinzu: "Ich weiß, Erinnerungslücken sind oft ein bequemes Ausweichmanöver." Den Vorwurf, bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben, weise er jedoch zurück. Dass man angesichts der Zeitabläufe Zweifel an seiner Darlegung gehabt haben könnte, könne er nachvollziehen. "Dafür, dass dieser falsche Eindruck entstehen konnte, habe ich mich zu entschuldigen."

In der Zwischenzeit habe er mit Krecké sprechen können. Und da dieser keine Einwände habe, die fehlende Seite des Berichts öffentlich zu machen, sehe er keinen Grund, eben diese Seite, die Krecké ihm habe zukommen lassen, nicht herauszugeben. Das Papier offenbart, dass bereits damals davor gewarnt wurde, wie die Luxemburger Finanzbehörden Konzerne mit Steuervorbescheiden ins Land lockten. Und dass es noch ein Land gibt, dass sehr offensiv unterwegs sei: die Niederlande.

Abgeordnete des Europaparlaments sind ernüchtert. "Offenbar gibt es seit mindestens 20 Jahren einen kreativen Wettbewerb unter den kleinen EU-Ländern, mit für andere Länder ruinösen Steuerdeals Großunternehmen anzulocken", sagt Burkhard Balz (CDU). Der Sonderberichterstatter des Ausschusses, Michael Theurer (FDP), fordert, Juncker erneut einzuladen: "Seine bisherigen Erklärungen sind nicht schlüssig."

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