Luftverschmutzung in China:Land im Smog

Lesezeit: 3 min

Es atmet sich nicht gut in China: Dieser Mann aus Peking hat sogar seinem Hund eine Maske aufgesetzt. (Foto: Reuters)

Chinas Straßenverkehr wächst jährlich um 20 Millionen Fahrzeuge, viele davon verpesten die Luft zum Atmen. Nun verbannt die Regierung sechs Millionen Dreckschleudern - ein PR-Gag, denn in Sachen Umweltschutz wären ganz andere Maßnahmen notwendig.

Von Marcel Grzanna, Shanghai

Die Nudelsuppe aus der Garküche hat einen giftigen Beigeschmack. Ein vorbeidröhnender Kleinlaster mit rostigen Felgen spuckt schwarzen Staub aus dem Auspuff. Abgas vernebelt die Plastiktische entlang der Bordsteinkante. Nudelesser und Politiker sind gleichermaßen genervt von solchen Fahrzeugen. Sie verderben einem die Lust auf Garküchen und schlimmer noch: Sie verpesten die Luft zum Atmen. Deshalb verbannt die chinesische Regierung fast sechs Millionen solcher Dreckschleudern wie den Kleinlaster aus dem Verkehr. Sie hofft, so die Luftqualität in den Städten zu verbessern.

Doch das Verbot wird das Problem nicht lösen. Chinas Straßenverkehr wächst jedes Jahr um mehr als 20 Millionen Fahrzeuge, Tendenz steigend. Ein paar Millionen der schlimmsten Umweltsünder zu sperren ist gut - aber kaum mehr als ein populistischer PR-Gag. Gegen die Luftverschmutzung helfen ganz andere Mittel, zum Beispiel der effiziente Umgang mit Energie.

China ist nicht nur der größte CO₂-Emittent der Welt, sondern seit vielen Jahren wohl auch der sorgloseste. Zwar weist die Regierung auf ihren geringen Pro-Kopf-Ausstoß hin. Viele Chancen, die Probleme zu lösen, hat China in den vergangenen Jahren allerdings nicht genutzt, denn das Wirtschaftswachstum stand an erster Stelle.

WHO-Analyse
:Millionen Tote wegen Luftverschmutzung

Die Weltgesundheitsorganisation schlägt Alarm: Sieben Millionen Menschen sterben nach einer WHO-Analyse jedes Jahr an den Folgen der Luftverschmutzung. Das ist jeder achte Todesfall weltweit.

Der einzige Ausweg: Chinas Städte müssen schnellstmöglich technologisch so aufgerüstet werden, dass sie Energie auf breiter Front effizient nutzen. Gebäudedämmung, Kühlsysteme, kluge Stromnetze - all das wäre problemlos machbar. Die Technologie ist im Land vorhanden. Doch ihr Einsatz würde die Volksrepublik ein Vermögen kosten. Peter Lacy vom Beratungsunternehmen Accenture beziffert das finanzielle Volumen auf mehrere Hundert Milliarden Euro.

Der Brite sitzt vor einem frisch gepressten Fruchtsaft. Vitamine sind gut für die Gesundheit, wenn schon die Shanghaier Luft an diesem Vormittag den Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge als ungesund eingestuft wird. Gemeinsam mit der chinesischen Akademie der Wissenschaften CAS entwickelten die Berater von Accenture einen Index, der die Nachhaltigkeit des Wachstums in den Millionenstädten ermittelt.

Vor allem die Metropolen schlagen sich verhältnismäßig gut, sind aber weit davon entfernt, das gesamte Potenzial abzurufen. "Unsere Absicht ist es, einen Wettbewerb der Städte untereinander zu provozieren, der sich nicht nur auf reines Wachstum beschränkt, sondern auch Nachhaltigkeit erfasst", sagt Lacy.

Nur langsam ist die Dringlichkeit von drastischer Energieeinsparung und Umweltschutz ins Bewusstsein der autoritär regierenden kommunistischen Parteikader gerückt. 2011 verfasste der Staatsrat einen nationalen Entwicklungsplan, um Urbanisierung, Wirtschaftswachstum, die Verwendung von Ressourcen und den Umweltschutz unter einen Hut zu bekommen. Doch die optimistischen Ziele sind noch immer in weiter Ferne.

Den eigenen Vorgaben des Fünfjahresplanes hinkt Peking beim Energiesparen hinterher. Die Zeit wird knapp, nicht nur weil staatliche Vorgaben verfehlt werden könnten, sondern auch, weil der Raubbau an der Natur als Folge des Hyperwachstums der vergangenen drei Jahrzehnte immer mehr zutage tritt. Auch Flüsse, Seen, Grundwasser und Ackerböden sind zu weiten Teilen vergiftet. Die Bevölkerung wird immer wütender und schreit nach Lösungen. Jeden Tag zählen die Behörden im ganzen Land mehrere Dutzende Proteste, die sich ausschließlich gegen Umweltprobleme richten.

Um die Probleme zu lösen, müssen alle an einem Strang ziehen

An vollmundigen Ankündigungen hat es in China nie gemangelt. Die Umsetzung ist seit jeher die größte Herausforderung. Denn um die Probleme zu lösen, müssen alle an einem Strang ziehen: staatseigene Unternehmen mit ihren vielfältigen Interessen, aber auch die Privatwirtschaft, die Konsumenten und die unterschiedlichen Lager der Politik.

"Ein wichtiger Schritt wären Preismechanismen, die Anreize schaffen, Energie zu sparen", sagt Lacy. Viele Wirtschaftsunternehmen würden dann teurer, aber nachhaltiger in neue Anlagen investieren. Kleine Schritte gibt es bereits: Seit November vergangenen Jahres sind Firmen verpflichtet, übermäßigen CO₂-Ausstoß in Form von Emissionskrediten zu bezahlen. Wer über seiner Quote liegt, dem geht es ans Geld. Theoretisch.

Alarmstufe Orange wegen Smog in China
:Gefährlicher Dunst

Je dichter der Smog, umso leuchtender die Warnfarbe: Die Behörden haben für etwa 400 Millionen Chinesen die zweithöchste Alarmstufe ausgerufen. Die Menschen fürchten um ihre Gesundheit - und Kritik an Profitgier wird laut.

Ob die Umsetzung in der Praxis tatsächlich gelingt? Fraglich. Denn immer wieder drücken lokale Regierungen ein Auge zu, wenn sie Investoren damit in ihre Region locken können. Denn der Verkauf von Land an Firmen sowie Steuereinnahmen von örtlicher Industrie sind meist die einzigen Einnahmen der Kommunen.

"Das Grundinteresse an effizienter Technologie ist vorhanden, wenn man es gut vermarkten kann", sagt Marco Abdallah von Drees & Sommer, einem Beratungsunternehmen für nachhaltiges Wachstum. Oftmals scheitern gute Ideen und Konzepte aber am Preis, weil den Investoren nicht einleuchten will, weshalb sie zusätzliche Kosten stemmen sollen, wenn sie kurzfristig nicht einmal davon profitieren können. Wer in attraktiver Lage baut, wird seine Wohnungen oder kommerziellen Gebäude so oder so los, ob er sich nun für energieeffiziente Kühlsysteme entscheidet oder nicht.

Unter diesen Umständen in aller Kürze einen landesweiten Schulterschluss zu erzielen, ist umso schwieriger. Wenn es dennoch gelingt, ist das gut für das Land und gut für die Welt. Ein Ruhekissen wäre es aber nicht. "Energiesparende Maßnahmen können das Wachstum der Emissionen verlangsamen. Stoppen werden sie es auf absehbare Zeit nicht", sagt Abdallah.

© SZ vom 30.05.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: