Luftverkehr - Potsdam:Tegel-Weiterbetrieb wohl vom Tisch

Potsdam/Berlin (dpa/bb) - Ein Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel nach Eröffnung des neuen Hauptstadt-Airports BER wird immer unwahrscheinlicher - obwohl die Berliner Wähler das bei einem Volksentscheid gefordert haben. Bei einer Gesellschafterversammlung am Donnerstag in Potsdam machten der Bund und das Land Brandenburg deutlich, dass sie trotz des Bürgervotums am Konzept eines "Single-Airports" für die Hauptstadt-Region festhalten. Das teilte der Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, Rainer Bretschneider, nach dem Treffen mit. Auch der Berliner Senat ist gegen eine Tegel-Offenhaltung, will das Bürgervotum jedoch erklärtermaßen ernstnehmen und noch einmal alle Möglichkeiten ausloten.

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Potsdam/Berlin (dpa/bb) - Ein Weiterbetrieb des Flughafens Berlin-Tegel nach Eröffnung des neuen Hauptstadt-Airports BER wird immer unwahrscheinlicher - obwohl die Berliner Wähler das bei einem Volksentscheid gefordert haben. Bei einer Gesellschafterversammlung am Donnerstag in Potsdam machten der Bund und das Land Brandenburg deutlich, dass sie trotz des Bürgervotums am Konzept eines "Single-Airports" für die Hauptstadt-Region festhalten. Das teilte der Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft, Rainer Bretschneider, nach dem Treffen mit. Auch der Berliner Senat ist gegen eine Tegel-Offenhaltung, will das Bürgervotum jedoch erklärtermaßen ernstnehmen und noch einmal alle Möglichkeiten ausloten.

Gleichzeitig waren sich die Gesellschafter nach Bretschneiders Angaben darin einig, Brandenburgs Forderung nach einer Ausweitung des Nachtflugverbots am künftigen BER zu prüfen. Potsdam fordert dort seit langem mehr Nachtruhe und legte das Thema nun im Zuge der neuen Diskussionen über Tegel mit auf den Tisch. Bislang soll das Nachtflugverbot von 0.00 bis 5.00 Uhr gelten. Es soll auch eine halbe Stunde davor beziehungsweise danach greifen, allerdings sollen innerhalb dieser 60 Minuten bestimmte Ausnahmen möglich sein.

Bei dem - rechtlich nicht bindenden - Volksentscheid am 24. September in Berlin stimmten rund 56 Prozent für die Offenhaltung des alten Stadtflughafens Tegel. Sie stellten sich damit gegen die seit vielen Jahren verfolgten Pläne, Tegel sechs Monate nach der BER-Eröffnung zu schließen. Über eine neue Linie in dieser Frage kann das Land Berlin jedoch nicht allein entscheiden, sondern nur gemeinsam mit den anderen Gesellschaftern Bund und Brandenburg.

"Ich habe hier im Auftrag des Volksentscheids dafür geworben, ob eine Position denkbar ist, bei den anderen Gesellschaftern zu einer neuen Diskussion zu kommen", sagte Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) nach der vorgezogenen Gesellschafterversammlung. "Der Stand heute ist, dass man sagen muss, dass keine Möglichkeit besteht, dort zu einem anderen Ergebnis zu kommen." Diese Lage müsse nun im Senat und im Abgeordnetenhaus beraten werden.

"Natürlich achtet die Landesregierung Brandenburg plebiszitäre Voten auch in der Hauptstadt", sagte Finanzminister Christian Görke (Linke). "Aber man muss wissen, die Frage einer möglichen Offenhaltung Tegels berührt auch die Interessen Brandenburgs und damit auch des Brandenburger Steuerzahlers."

Görke bezifferte Mehrkosten für sein Land auf 500 bis 700 Millionen Euro, verteilt auf mehrere Jahre. "Da fehlt mir die Phantasie, wie ich das darstellen kann vor dem Hintergrund der anderen Erwartungen und Herausforderungen, die wir im Land haben." Aus seiner Sicht ist die Flughafengesellschaft nicht in der Lage, ohne Zuführung von Gesellschaftermitteln ein solches Unterfangen zu finanzieren.

Das Bundesverkehrsministerium erklärte auf dpa-Anfrage: "Die Gesellschafter Brandenburg, Berlin und Bund sind sich einig, dass sie den Konsensbeschluss von 1996 gemeinsam getroffen haben und auch nur gemeinsam ändern können." Im Rahmen der Aufsichtsratssitzung im November würden die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Diskussion um den Flughafen Tegel beraten.

Wie das rot-rote Brandenburg sieht auch der rot-rot-grüne Berliner Senat große rechtliche und finanzielle Risiken im Fall eines Tegel- Weiterbetriebs. Dennoch wollte er sich nach dem Volksentscheid mit den anderen Gesellschaftern ins Benehmen setzen. Zudem soll der als Gutachter berufene Ex-Bundesverwaltungsrichter Stefan Paetow untersuchen, ob eine Offenhaltung Tegels rechtlich möglich ist und welche Folgen das hätte, auch für den BER. Dessen Genehmigung ist an die Tegel-Schließung gekoppelt.

Die Opposition in Berlin argumentiert, in der Debatte nach dem Volksentscheid könne es nicht mehr um das ob, sondern nur noch um das wie einer Tegel-Offenhaltung gehen. Dem widersprach der Berliner SPD-Vizefraktionschef Jörg Stroedter am Donnerstag: Für die Debatte sei es unerlässlich, dass ein neutraler Gutachter alle rechtlichen Fragen prüfe und klarstelle, ob eine Offenhaltung möglich sei oder nicht. CDU und FDP hätten offenbar Angst vor den Ergebnissen. Anders sei die Kritik an Peatows Berufung am Dienstag nicht zu erklären.

FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja warf Regierungschef Michael Müller (SPD) vor, "über die Gesellschafterversammlung weiter die Schließungsabsichten voranzutreiben". Berlins CDU-Generalsekretär Stefan Evers erklärte, Müller wolle Tegel unbedingt schließen, und die Brandenburger wollten mehr Nachtruhe. "Und plötzlich schwenkt Berlin beim Nachtflugverbot ein und Brandenburg will Tegel schließen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt."

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