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Luftverkehr:Ohne den Staat geht's nicht: Lufthansa ringt um Eigenkapital

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Frankfurt/Main (dpa) - In der fortdauernden Corona-Krise ringt der Lufthansa-Konzern weiter um seine finanzielle Grundlage. Ganz ohne den Staat wird es auch im laufenden Jahr nicht gehen, wurde bei der Online-Hauptversammlung des MDax-Konzerns überdeutlich.

Das Eigenkapital ist zum Ende des katastrophalen Geschäftsjahres 2020 auf knapp 1,4 Milliarden Euro zusammengeschmolzen, eine Quote von nur noch 3,5 Prozent der Bilanzsumme nach 24 Prozent im Vorkrisenjahr 2019. Auch in Fragen der Nachhaltigkeit und zum Umgang mit den eigenen Leuten in der Krise steht das Unternehmen unter Druck.

Auf der einen Seite haben Vorstand und Aufsichtsrat die Aktionäre erfolgreich um einen Vorratsbeschluss gebeten, um in den nächsten Jahren bei günstiger Gelegenheit bis zu 5,5 Milliarden Euro neues Eigenkapital aufnehmen zu können. Mit den neuen Anteilen sollen vorrangig die stillen Beteiligungen des deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) abgelöst werden, wie Lufthansa-Chef Carsten Spohr angekündigt hat. Gleichzeitig erklärte der neue Finanzvorstand Remco Steenbergen aber, dass man erwäge, noch in diesem Quartal 1,5 Milliarden Euro aus der bislang unangetasteten Stillen Beteiligung 1 des WSF abzurufen.

Dieser Teil der Staatshilfe ist für das Unternehmen nicht billig, sondern kostet im laufenden Jahr 4 Prozent und im kommenden Jahr schon 5 Prozent Zinsen. Deutschland, Österreich, Belgien und die Schweiz hatten dem Konzern wegen des Geschäftseinbruchs durch die Pandemie im vergangenen Jahr 9 Milliarden Euro Staatshilfe zugesagt und ihn damit vor dem Untergang bewahrt. In der Summe enthalten sind zwei Stille Beteiligungen des WSF. Bisher hat die Lufthansa nur die zweite und kleinere Beteiligung in Höhe von 1 Milliarde Euro in Anspruch genommen. Die Stille Beteiligung 1, um die es nun geht, hat einen Gesamtumfang von 4,5 Milliarden Euro. Einen ebenfalls hochverzinslichen KfW-Kredit über eine Milliarde Euro hat Lufthansa bereits wieder zurückgezahlt.

Die Aktionäre mussten zahlreiche weitere negative Zahlen zur Kenntnis nehmen. Die Umsätze waren 2020 wegen des zusammengebrochenen Flugverkehrs um 63 Prozent auf 13,6 Milliarden Euro abgesackt, woraus sich ein Rekordverlust von 6,7 Milliarden Euro ergab. Dividenden an die Akionäre darf Lufthansa erst nach einem Ausstieg des Staates wieder ausschütten.

Spohr und Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley versuchten dennoch, Zuversicht zu verbreiten. Gründe zum Optimismus sind für Kley schnelle Fortschritte beim Impfen, der wieder vorhandene Zugang zum Kapitalmarkt sowie die Motivation der Mitarbeiter für einen Neustart. "Wir kommen wieder auf die Beine, der Kranich hebt wieder ab. Die Welt hat noch nicht alles von uns gesehen", sagte der Aufsichtsratschef.

Spohr versprach, dass der Konzern die Krise gestärkt verlassen werde. "Wir werden diese Krise nicht nur meistern, sondern sie als Chance nutzen, unsere globale Position in unserer in so vieler Hinsicht einzigartigen Branche weiter zu stärken. Die Lufthansa Group wird in Zukunft zunächst kleiner sein - aber auch fokussierter, digitaler, effizienter und nachhaltiger." Unter anderem setzt der Konzern auf modernere Flugzeuge mit niedrigerem Verbrauch. 115 alte Jets wurden bislang dauerhaft stillgelegt, der Kauf von 10 neuen Langstreckenjets gerade am Montag beschlossen und verkündet.

Vorerst bleibe der Einsatz modernster Jets das wichtigste Mittel bei der Reduktion des klimaschädlichen Kohlendioxids, erklärte Spohr. Lufthansa strebe zudem an, 2030 in den Flugzeugen 5 bis 10 Prozent nachhaltig produzierten Treibstoff zu verbrennen. Eine ähnliche Ersparnis könne ein besser organisierter Luftraum in Europa bringen, für den die EU sorgen müsse. Erste Flugzeuge mit Brennstoffzellen erwartet Lufthansa nicht vor dem Jahr 2035.

Bis zum Ende des ersten Quartals 2021 haben innerhalb eines Jahres rund 30.000 von einst 140.000 Mitarbeitern den Konzern verlassen. Das Catering-Geschäft in Europa wurde verkauft, die Airlines Germanwings und SunExpress Deutschland geschlossen. Der Konzern hatte in der vergangenen Woche bekräftigt, allein in Deutschland weitere 10.000 Vollzeitstellen streichen zu wollen oder entsprechende Einsparungen zu benötigen. Ende März gab es noch 93.500 Vollzeitstellen im Konzern, von denen 52.200 auf Deutschland entfielen.

Wenn im kommenden Jahr das Kurzarbeitergeld nicht mehr gezahlt wird, wird es eng für viele Lufthanseaten. Für besonderen Ärger sorgt daher die Gründung des neuen Flugbetriebs Eurowings Discover, der Fernstrecken zu mehr als 20 Prozent niedrigeren Betriebskosten anbieten soll als die Lufthansa-Kerngesellschaft, und der dafür auch externe Piloten rekrutiert. Die Personalräte verschiedener Fluggesellschaften appellierten am Dienstag gemeinsam an die Bundesregierung, ihren Einfluss zum Schutz der Arbeitnehmer auszuüben.

© dpa-infocom, dpa:210504-99-455881/5

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