Süddeutsche Zeitung

Lufthansa:Frieden für ein Jahr

Worauf sich Lufthansa und Gewerkschaft geeinigt haben, ist in den Details noch rätselhaft. Fest steht: Die Piloten bekommen deutlich mehr Geld.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Diesen Dienstag werden die Beteiligten so schnell nicht vergessen. In der Nacht hatte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) eine zweite Streikrunde bei der Lufthansa angekündigt, um den Druck in den Verhandlungen noch einmal zu erhöhen. Sie ließ dabei das Hintertürchen auf, dass sie bei einem ernstzunehmenden Angebot den Ausstand auch wieder absagen könnte. Und siehe da: Lufthansa-Verhandlungsführer und Personalvorstand Michael Niggemann ging mit einem neuen Vorschlag durch das Türchen und die VC sagte den Streik ab.

Worauf sich die beiden Seiten aber eigentlich geeinigt haben, ist zumindest in den Details noch rätselhaft, zumal weder Lufthansa noch Gewerkschaft auch am nächsten Tag auskunftsfreudiger waren. Den besten Einblick erlaubte noch Jens Ritter, Chef der Lufthansa-Passagierairline, in einem in den internen Medien verbreiteten Interview: Es sei "erklärter Wunsch" der Lufthansa, eine neue Perspektivvereinbarung mit den Piloten abzuschließen.

Was für Außenstehende immer noch rätselhaft klingt, ist intern eine ziemlich bedeutende Aussage. Denn sie macht deutlich, dass Lufthansa mit den Piloten nicht nur über Gehälter verhandelt hat, sondern auch eine Lösung bei strategischen Themen erreichen will, die das Verhältnis seit Langem belasten, wegen denen die Gewerkschaft aber nicht streiken darf. Eine solch umfassende Einigung soll verhindern, dass alle paar Jahre wieder im Zusammenhang mit Tarifverhandlungen der ganz große Konflikt ausbricht. Doch die Gespräche dazu brauchen Zeit.

Nach SZ-Informationen haben sich die beiden Seite daher am Dienstag vor allem Zeit gekauft. Dem Vernehmen nach gibt es für die Piloten erst einmal sofort mehr Geld, der genaue Betrag soll pro Mitarbeiter bei deutlich mehr als den zuletzt kolportierten 800 Euro liegen. Dass es eine deutliche Gehaltserhöhung geben würde, stand zuletzt längst außer Frage. Der Tarifvertrag ist allerdings von kurzer Laufzeit und läuft informierten Kreisen zufolge schon in knapp einem Jahr wieder aus. Bis dahin haben also Lufthansa und VC Zeit, um die wirklich strittigen nicht-tariflichen Themen in den Griff zu bekommen. Gestreikt werden darf in der Zeit natürlich auch nicht.

Geklärt werden müssen vor allem die Themen Perspektivvereinbarung und neue Tochtergesellschaften. Lufthansa hatte kurz vor Weihnachten 2021 die alte Perspektivvereinbarung gekündigt. Darin hatte der Konzern den Piloten der Kernmarke eine bestimmte Mindestzahl an Flugzeugen garantiert, nämlich 325 Maschinen inklusive der mittlerweile aufgelösten Germanwings. Vorstandschef Carsten Spohr argumentierte damals, dass Lufthansa die genannte Flottengröße wegen der Corona-Pandemie auf absehbare Zeit nicht mehr erreichen würde. Daher ergebe die Vereinbarung keinen Sinn. Mittlerweile bezeichnet er selbst deren Kündigung als einen Fehler, zumal die Nachfrage im Luftverkehr viel schneller und stärker zurückgekommen ist, als selbst Ende vergangenen Jahres absehbar war.

Ein neues Grundsatzabkommen dürfte aber nicht so aussehen wie das alte, denn mittlerweile sind neue Themen hinzugekommen. Eines davon ist die sogenannte "CityLine II", ein von Spohr geplantes neues Tochterunternehmen, das Piloten zu niedrigeren Gehältern einstellen und ab Frühjahr 2023 Zubringer nach Frankfurt und München fliegen sollte. Die Piloten sahen dies als Bedrohung. Nun soll City Line II laut Ritter Teil des neuen Deals sein, sprich: Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach erst einmal nicht kommen.

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