Luftfahrt:Der Lufthansa droht der nächste Streik

Luftfahrt: Mehr als 99 Prozent aller Lufthansa-Flüge finden mittlerweile wieder statt, auch kurzfristige Störungen gibt es kaum noch, es kommt aber noch häufiger zu Verspätungen als sonst.

Mehr als 99 Prozent aller Lufthansa-Flüge finden mittlerweile wieder statt, auch kurzfristige Störungen gibt es kaum noch, es kommt aber noch häufiger zu Verspätungen als sonst.

(Foto: Bodo Marks/dpa)

Bei der Fluglinie läuft der Betrieb mittlerweile wieder besser. Dafür schwelt der Konflikt mit den Piloten immer noch - und könnte bald eskalieren.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die Stadt Teruel liegt in der spanischen Provinz Aragonien auf rund 900 Metern Meereshöhe. Das Klima ist sehr trocken und daher ist der Flughafen besonders seit der Corona-Pandemie ein beliebter Abstellplatz für nicht-benötigte Jets. Lufthansa parkt dort bis heute 30 Maschinen, unter anderem alle 14 Airbus A380, insgesamt haben hier 270 Flugzeuge Platz. Es regnet selten, Hagel ist noch viel seltener. Doch nachdem im Juli ein massiver Hagelsturm durchgezogen ist, stehen dort nun massenweise Jets mit verbeulten Landeklappen herum, die alle in den nächsten Wochen aufwendig repariert werden müssen.

Teruel ist irgendwie eine weitere Folge in der Serie unwahrscheinlicher Geschichten aus der Welt der Luftfahrt, die Fluggesellschaften und ihre Kunden in diesem Sommer erleben. Vor allem in den vergangenen beiden Monaten war für pandemiemüde Urlauber das dramatische Organisationschaos im Luftverkehr das beherrschende Thema: lange Schlangen an den Sicherheitskontrollen, Verspätungen, Zehntausende verlorene Koffer und gestrichene Flüge. Pannen überall. Nun geht die Sommersaison langsam ihrem Ende entgegen und es scheint so, als sei der schlimmste Teil des Chaos Vergangenheit. Dafür droht bei Lufthansa der nächste Streik im Tarifkonflikt mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC).

Die Gespräche mit der VC laufen seit vielen Wochen. Nachdem es aus Sicht der Piloten keine nennenswerten Fortschritte gegeben hatte, holte sich die Gewerkschaft per Urabstimmung das grüne Licht ihrer Mitglieder für mögliche Streiks - praktisch alle stimmten dafür. Doch auch seither hat sich in den Verhandlungen wenig getan.

Formal geht es um Forderungen für einen neuen Vergütungstarifvertrag: 5,5 Prozent mehr Gehalt in diesem Jahr und einen automatischen Inflationsausgleich ab 2023. Die Piloten wollen zudem wieder eine vereinheitlichte Gehaltstabelle, bei denen die ersten Offiziere zu Beginn ihrer Karriere bessergestellt werden. Im Hintergrund aber spielen andere Themen eine wichtige Rolle, wegen denen die Gewerkschaft formal nicht streiken darf: Lufthansa hatte die sogenannte Perspektivvereinbarung (PPV) gekündigt, die eine Mindestflottengröße garantiert, ein Schritt, der heute selbst im Vorstand als schwerer Fehler gilt. Außerdem ist den Piloten die Gründung einer weiteren Tochtergesellschaft (intern CityLine 2 genannt), die Zubringer für die Drehkreuze Frankfurt und München fliegen soll, ein Dorn im Auge. Die diversen Tarifkonflikte der letzten Jahre und die Pandemie haben Spuren hinterlassen - keine der beiden Seiten traut der anderen so recht über den Weg.

Ein kurzer Streik würde verdeutlichen, wie stark die Verhandlungsposition der Gewerkschaft ist

In den letzten Tagen haben sich nun die Anzeichen gemehrt, dass die Piloten zumindest kurz streiken werden. Die VC schrieb ihre Mitglieder bei Lufthansa an, sicherzustellen, dass sie mobil gut erreichbar sind - damit sie einen Streikaufruf auch gleich mitbekommen. Das Schreiben ist natürlich auch der Lufthansa bekannt und darf deswegen sozusagen als letzte Warnung interpretiert werden. Im Management ist man mittlerweile kompromissbereiter als in der Vergangenheit. Dass wegen der Inflation trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage die Gehälter steigen müssen, versteht sich sowieso. Angeblich aber sind auch neue Garantien für eine Mindestgröße der in Frankfurt und München stationierten Kernflotte, bei der die besten Gehälter gezahlt werden, denkbar. Und CityLine 2, ein rotes Tuch für die Piloten, könnte in einem Kompromiss als Verhandlungsmasse auch noch eine Rolle spielen, denn die VC kann dank Pilotenmangel aus einer Position der Stärke agieren. Ein kurzer Streik würde dies noch einmal verdeutlichen.

Immerhin hat sich die Situation im Flugbetrieb wieder stabilisiert, nachdem Lufthansa für den Sommer etwa 12 Prozent der ursprünglich geplanten Kapazität aus dem Programm genommen hat. Mehr als 99 Prozent aller Flüge finden statt, kurzfristige Streichungen gibt es kaum noch. Allerdings liegt die Anzahl der Verspätungen nach wie vor weit über dem normalen Maß, weil es weiterhin an vielen Stellen hakt: Mal wird das Gepäck nicht rechtzeitig entladen, mal kommt der Passagierbus zu spät. Fehlende Ersatzteile sind immer noch ein Problem, vor allem bei Sitzen und Bordunterhaltungsprogramm bei einigen der in München eingesetzten Langstreckenjets vom Typ Airbus A350. Das sorgt immer wieder für Ärger mit Passagieren, den die Flugbegleiter ausbaden müssen. Die Maschinen stehen zu lassen ist keine Alternative, denn sie werden alle für das Langstreckenprogramm gebraucht.

Und damit zurück nach Teruel: Die Reparaturen der Hageldellen dauern angeblich mehrere Wochen pro Flugzeug. Die einzig gute Nachricht ist, dass die meisten der dort abgestellten Jets sowieso nicht für kurzfristige Einsätze vorgesehen waren.

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