Luftfahrt:Lufthansa plant 2022 mit 70 Prozent der Vorkrisen-Nachfrage

Lesezeit: 3 min

Eine Maschine der Lufthansa. Die Lufthansa will ihre Personalkosten um 1,8 Milliarden Euro senken. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Eingestellte Flugverbindungen, lange Umwege und ein höherer Ölpreis: Der Krieg in der Ukraine ist auch für die Luftfahrt eine Herausforderung. Konzernchef Spohr zeigt sich erschüttert und warnt.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Wenn dies ein normaler Donnerstag wäre, dann würden an diesem Tag rund 4000 Passagiere auf Lufthansa-Maschinen nach Russland und in die Ukraine sitzen, wie Lufthansa-Vorstandschef Carsten Spohr vorrechnet. "Wir verbinden Menschen, Kulturen und Volkswirtschaften. Wir tragen zum Frieden bei," so der Airline-Chef. Aber es sei kein normaler Donnerstag, denn "unvorstellbare Ereignisse erschüttern Europa und die Welt" - gemeint ist natürlich die russische Invasion in die Ukraine.

Dass Luftfahrt nicht nur für das Funktionieren der Weltwirtschaft wichtig ist, sondern auch für soziale und politische Belange, insbesondere dafür, dass sich Menschen aus unterschiedlichen Ländern besser kennen lernen, so argumentiert Spohr schon seit langem. Doch nie scheint das Argument wichtiger gewesen zu sein als zur Zeit und nach zwei Jahren der Corona-Pandemie, in der Reisen oft nur sehr eingeschränkt möglich waren und in denen die Flugbranche wirtschaftlich gelitten hat, wie kaum eine andere Branche.

Und nun also auch noch die Ukraine-Krise. Spohr warnte bei der Bilanz-Pressekonferenz seines Unternehmens, dass der Krieg deutliche Folgen für die Weltwirtschaft haben könnte. Für Lufthansa sind die direkten Konsequenzen verkraftbar: Russland und Ukraine selbst machen laut Spohr in normalen Zeiten rund ein Prozent des Umsatzes aus, wegen des geschlossenen Luftraumes und des Krieges kann Lufthansa beide Länder derzeit nicht anfliegen. Die Umwege auf den Asien-Strecken würden monatlich einen zweistelligen Millionenbetrag kosten, der Flug von Frankfurt nach Tokio etwa verlängert sich um bis zu zwei Stunden. Der stark steigende Ölpreis macht die Fliegerei teurer. Lufthansa hat sich allerdings durch Treibstoffsicherungsgeschäfte (sogenanntes Hedging) zumindest im laufenden Jahr einigermaßen geschützt.

Das Unternehmen hat das Jahr 2021 mit einem Verlust von 2,1 Milliarden Euro abgeschlossen, nach einem Fehlbetrag von 6,7 Milliarden im ersten Pandemie-Jahr 2020. Der Umsatz stieg um 24 Prozent und damit ähnlich stark wie die Passagierzahlen. Allerdings machten die Passagier-Airlines des Konzerns weiterhin einen Verlust von 3,7 Milliarden Euro (5,4 Milliarden im Vorjahr). Profitiert hat die Lufthansa enorm vom starken Frachtgeschäft - die Frachtsparte Lufthansa Cargo kam alleine auf einen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro, 700 Millionen mehr als 2020. Lufthansa Technik wies nach einem hohen Verlust im Vorjahr 2021 auch wieder einen Gewinn aus.

Lufthansa plant weniger optimistisch als die Konkurrenz

Laut Spohr plant die Fluglinie 2022 mit rund 70 Prozent der Vorkrisen-Nachfrage. Das ist deutlich vorsichtiger als Konkurrent International Airlines Group (British Airways, Iberia, Aer Lingus, Vueling), der davon ausgeht, dass mehr als 85 Prozent des Geschäfts zurückkehren wird. Anders als IAG, die im laufenden Jahr wieder einen deutlichen Gewinn anstrebt, gibt Lufthansa kein solches Ziel an. Finanzchef Remco Steenbergen sprach am Donnerstag lediglich von einem "verbesserten Ergebnis."

Die Konsolidierung der Branche werde wieder "zu einem ganz zentralen Thema", so Spohr. Er zeigte sich offen dafür, eine Minderheitsbeteiligung an der neuen italienischen Airline ITA Airways zu kaufen. Allerdings sollen nun zunächst im März die ITA-Finanzen genau geprüft werden. Die Reederei MSC würde eine Mehrheit übernehmen.

Lufthansa will in der Krise die operativen Kosten stark senken, insgesamt um 3,5 Milliarden Euro jährlich. 1,8 Milliarden davon soll das Personal beisteuern. Im Verlauf der Pandemie hat der Konzern 35 000 Arbeitsplätze abgebaut und beschäftigt nun noch 105 000 Mitarbeiter. Wachsen sollen vor allem die Tochtergesellschaften, die günstigere Kosten aufweisen. Dazu soll neben Brussels Airlines, Austrian, Swiss und Eurowings nun auch eine neu gegründete Fluglinie gehören. Dort sollen Piloten auf dem Niveau der Regionaltochter CityLine bezahlt werden, die weniger als die Kollegen bei der Kernmarke, aber besser als bei Eurowings verdienen. Lufthansa selbst soll aber auch weiterhin neben der Langstrecke auch einen Teil der Zubringer zu den Drehkreuzen fliegen, so Spohr

Der neue Flugbetrieb für die Kurz- und Mittelstrecken soll bis zum Frühjahr 2023 startklar sein und könnte, wie die SZ berichtete, bis zu 40 Flugzeuge unter der Marke Lufthansa betreiben. Die Pläne stoßen bei den Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC) und Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (UFO) auf starke Kritik. Allerdings sollen in dem neuen Ableger 250 Kapitäne der Germanwings untergebracht werden, die sonst vor der Entlassung stünden. Germanwings hat den Flugbetrieb 2020 eingestellt. Spohr verwies auch darauf, dass die Regionaltochter CityLine ab 2026 gemäß einer Vereinbarung mit der VC nur noch Maschinen mit maximal 95 Sitzen betreiben dürfe. Die überzähligen Piloten könnten dann in die neue Firma wechseln. VC-Tarifvorstand Marcel Gröls sagte, die neu angekündigte Kontinental-Plattform sei geeignet, "die heute schon unübersichtliche Konzernkomplexität wiederum zu erhöhen und sich zu verzetteln. Eine weitere Zersplitterung der Tariflandschaft ist nicht in unserem Interesse und kann auch nicht im Interesse der Lufthansa liegen."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: