Lufthansa: Tarifstreit vor Arbeitsrichterin:Fröhlichkeit als Waffe

Was zuvor in Wochen nicht geklappt hat, ist Arbeitsrichterin Silke Kohlschitter in zweieinhalb Stunden gelungen: die Lufthansa und ihre Piloten wieder an den Verhandlungstisch zu bringen.

Marc Widmann

Hätten die Piloten und die Lufthansa nur mal früher bei Silke Kohlschitter um Rat gefragt, anstatt sich wochenlang zu beharken. Beiden wären so teure Streiktage erspart geblieben.

In nur zweieinhalb Stunden hat die Richterin am Frankfurter Arbeitsgericht die zerstrittenen Parteien wieder an einen Tisch gebracht - und ins Schwärmen. "Die Richterin war genial", sagt Cockpit-Vertreter Thomas von Sturm. "Sie hat ein unglaubliches Gespür, wie man Kontrahenten zusammenbringt", lobt der Anwalt Thomas Ubber, der die Lufthansa vertritt.

Vor allem verfügt Kohlschitter über eine Waffe, mit der sie die versteinerten Mienen der Widersacher rasch knackt: Fröhlichkeit.

Belustigter Blick

Schon als Silke Kohlschitter den völlig überfüllten Gerichtssaal betrat, blickte sie belustigt um sich. Andrang kennt sie von Kündigungsverhandlungen, zu denen bisweilen die halbe Firma erscheint. Das Blitzlichtgewitter, die vielen Kameras aber waren neu. "Ich finde, dem Arbeitsgericht fehlt noch ein Maskenbildner", war ihr Kommentar.

Fröhlich schmunzelnd pickte sich die 44-Jährige rasch den entscheidenden Punkt heraus, der den Weg zur Lösung bot. Die Gewerkschaft verlangte von der Lufthansa eine Strafzahlung für jedes Flugzeug der italienischen Tochterfirma, das nicht von Piloten mit dem deutschen Tarifvertrag geflogen wird.

Diese Strafe sollte in den Bonustopf für die deutschen Piloten fließen. Das klingt kompliziert, aber Kohlschitter machte den Streit ganz einfach: "Es geht Ihnen also um die Vergütung?", fragte sie.

Raffinierte Verhandlungsführung

Ziemlich raffiniert war das, weil die Piloten nicht zugeben durften, dass es ihnen um viel mehr geht. Ein Streik ist aber nicht zulässig, wenn er die unternehmerische Entscheidungsfreiheit verletzt. Die Piloten hatten also keine Wahl, sie mussten zustimmen - ja, ums Geld drehe sich alles.

Sofort präsentierte die Richterin ihren Vorschlag, der alle überraschte, obwohl er so simpel war: "Sie müssen zurück an den Verhandlungstisch, aber schnell." Und übers Geld reden.

Ehe sich die Anwälte zur Beratung zurückzogen, ermunterte Kohlschitter die Herren, doch bis zur "Tagesschau" um acht fertig zu werden. Während sie wartete, schlug sie ihrem ehrenamtlichen Richter vor, er solle ruhig noch "ein Zigarettsche rauche". So eine Unbefangenheit ist selten in einem Gerichtssaal, auf den gerade die ganze Republik schaut.

Prinzipientreu

Früher arbeitete die Juristin und promovierte Altphilologin in einer Bank, dann als Anwältin. Erst seit 2004 ist sie Arbeitsrichterin, eine mit Prinzipien: "Ein Urteil ist für mich immer die zweitbeste Lösung", sagt sie, "ich versuche lieber, einen Ausgleich herzustellen." Und der gelinge am besten in einer entspannten Atmosphäre.

"Ah ja, jetzt kommen alle Mann zurück", sagte sie, als die Anwälte wieder auftauchten. Die zum Teil nervösen Herren stimmten dem Vorschlag zu. Als Kohlschitter den Vergleich diktierte, tauchte ein letztes Problem auf.

Vereinigung Cockpit e.V. - "sehen Sie sich maskulin wie der Verein oder feminin wie die Vereinigung", fragte sie. "Feminin bitte", sagte der Anwalt. Alle lachten. Der Streik war vorbei. Noch sechs Minuten bis zur "Tagesschau".

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