Lufthansa:"Es knallt schon wieder an allen Ecken und Enden"

Lufthansa: Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr hat gerade viele Baustellen in seinem Konzern. Die Streiks der Piloten sind nur eine davon.

Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr hat gerade viele Baustellen in seinem Konzern. Die Streiks der Piloten sind nur eine davon.

(Foto: Jens Kalaene/dpa)

Lufthansa-Konzernchef Carsten Spohr beklagt bei einer internen Veranstaltung "soziale Gegnerschaft" im Unternehmen und fordert dringend einen "Kulturwandel."

Von Jens Flottau, Frankfurt

Vor einigen Tagen haben die Lufthanseaten etwas getan, was selten geworden ist. Sie haben einen der großen Hangars am Frankfurter Flughafen ausgeräumt, ihr neuestes Flugzeug, etliche Schanktheken und Buffets hineingestellt und eine riesige Party geschmissen. Rund 2000 Leute waren an dem Abend dabei, mehr waren brandschutztechnisch nicht erlaubt. Mittendrin Vorstandschef Carsten Spohr, der seinen Leuten mit dem Fest auch danken wollte, dass sie in den harten Zeiten der Pandemie und des Flugchaos irgendwie durchgehalten haben. Während im Hangar 7 die Party stieg, verschickte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) die nächste Streikankündigung - drei Tage bei Eurowings, die Folgen waren in der vergangenen Woche zu besichtigen.

Die Lufthansa hat in diesen Tagen (und sehr wahrscheinlich auch noch in den nächsten Jahren) massive strukturelle Probleme: Eine zu kleine Gewinnmarge, eine veraltete Flotte, ein unzureichendes Produkt, ein überkomplexer Konzern, der Dauerstreit mit Fraport über die Mängel am wichtigsten Standort. Es wird erkennbar auch keine wirkliche Debatte darüber geführt, ob und wie das Geschäftsmodell sich verändern muss. Und über allem lagert die fast schon toxische Beziehung zwischen Mitarbeitern und Management, die Verbesserungen in den anderen Bereichen erschwert.

Erst wurde gefeiert, dann kam direkt die Ernüchterung

Wenige Tage nach dem Fest war deswegen auch bei Spohr wieder Ernüchterung eingekehrt. "Es knallt schon wieder an allen Ecken und Enden", beklagte er bei einer internen Veranstaltung. "Wir gehen mit Streiks um, wie vor 20 Jahren in Frankreich." Gemeint war: viel zu leichtfertig, auf dem Rücken der Kunden. "Und dann wundern sich alle, dass der Arbeitgeber daraus Konsequenzen zieht." Eurowings etwa werde in diesem Jahr einen Verlust in dreistelliger Millionenhöhe machen. "Trotzdem wird gestreikt, das gibt es nicht bei so vielen Airlines."

Also: Spohr fordert deswegen spätestens jetzt einen großen Kulturwandel, ein "neues Miteinander." Er wolle "eine Kultur, die anerkennt, was wir haben." Diese sei auch eine Kultur, die gegenseitige Kritik zulasse, "aber es muss auch ein bisschen Respekt dabei sein." In so einer Kultur würden die Piloten etwa anerkennen, dass die Lufthansa 2020, obwohl coronabedingt nur Tage von der Insolvenz entfernt, freiwillig bei jedem Cockpit-Mitarbeiter in Kurzarbeit bis zu rund 8000 Euro monatlich draufgelegt hat, um das gesetzlich gedeckelte Kurzarbeitergeld auf etwa 90 Prozent des normalen Gehaltes aufzustocken. Und der Vorstand würde wahrscheinlich nicht erneut wie Ende 2021 ohne Not eine Rahmenvereinbarung kündigen, die den Piloten eine Flottengröße garantiert.

Man könne die Lufthansa zwar weiter so führen wie bisher - mit ständigen Streiks und aggressiver Rhetorik in den internen Foren. "Aber das ist nicht die Lufthansa, die ich haben will." Es sei "unbestritten, dass etwas passieren muss." Es herrsche zum Teil "soziale Gegnerschaft", gleichzeitig aber geringe Fluktuation, so schlimm könne es also nicht sein.

Bei Eurowings wird wieder verhandelt

Was die Piloten angeht, so herrscht im Moment ein sehr brüchiger Burgfrieden. Die Eurowings-Besatzungen verhandeln wieder mit dem Management, auch weil das Unternehmen in der vergangenen Woche als Konsequenz aus dem Streik dauerhaft fünf Flugzeuge aus der Flotte gestrichen hat und dem Vernehmen nach mit bis zu fünf weiteren gedroht hat, falls es weitere Streiks geben würde. Seither haben sich die beiden Seiten zu vertraulichen Gesprächen zurückgezogen.

Bei der Kernmarke Lufthansa hat jeder Pilot knapp 1000 Euro monatlich extra bekommen, um Streiks für den Moment aufzuhalten. Bis Juni wollen die beiden Seiten nun ein neues Rahmenabkommen verhandeln, das unter anderem eine Mindestgröße der Flotte definiert. Und - gute Nachricht - die Schwestergesellschaft Swiss hat sich mit den Crews auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt.

Der Frieden kostet Geld, das die Lufthansa eigentlich nicht hat. 2,5 Milliarden Euro will sie künftig in die Flotte und bessere Sitze investieren. Zwar hat sie zuletzt die Gewinnprognose für 2022 von einer halben auf etwa eine Milliarde Euro angehoben, aber das entspricht nur eine Marge von etwa drei Prozent und ist zu wenig, um die Investionen finanzieren zu können. Der Gewinn müsse, so Spohr, in ähnliche Größenordnungen steigen wie die anstehenden Investitionen. "So lange sie da nicht ist, werden wir auch nicht groß wachsen." Die Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO hat via Twitter auf die höhere Gewinnprognose reagiert: "Wir freuen uns mit der Lufthansa, denn wo viel ist, kann auch viel verteilt werden."

Bald übrigens will Lufthansa in weitere neue Maschinen investieren, kleinere Kurz- und Mittelstreckenjets wie etwa den Airbus A220, die auf Nebenstrecken profitabel eingesetzt werden können. Denn auf vielen der traditionellen Märkte, die Lufthansa über die Drehkreuze wie Frankfurt und München bedient, haben sich mittlerweile Billig-Fluggesellschaften breit gemacht und ihr Marktanteile abgenommen. Der Konzern muss auf kleinere Ziele ausweichen.

Sollte Lufthansa wirklich eine große neue Flotte von A220 oder der konkurrierenden Embraer E2 bestellen, droht sogleich der nächste Konflikt. Denn dann muss geklärt werden, welcher Flugbetrieb im Konzern die Maschinen bekommt.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusFuturist Peter Schwartz
:"Putin hat sich massiv verschätzt"

Peter Schwartz sagte einst den Zusammenbruch der Sowjetunion voraus. Derzeit sind die Einschätzungen des Zukunftsforschers zum Angriffskrieg Russlands ebenso gefragt wie die zu Virtual Reality oder Kryptowährungen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: