Lufthansa-Streik:"Wir haben einen Waffenstillstand angeboten"

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Die Lufthansa müsse auf die Piloten zugehen, fordert Thomas von Sturm, Chef der Tarifkommission der Vereinigung Cockpit. Der Streik sei nicht unverhältnismäßig, sondern ein nötiges Mittel im Tarifkampf: "Es gibt genug alternative Flugverbindungen und andere Verkehrsmittel."

Jens Flottau

Thomas von Sturm leitet die Tarifkommission der Piloten-Vereinigung Cockpit (VC). Er gilt als Kämpfer und manche sagen, er führe die VC gleichsam alleine in den Konflikt. Er selbst sagt: "Jeder hat seine Rolle".

Thomas von Sturm versteht auch "die Leute, die sagen, den Piloten geht es doch gut, warum machen die jetzt Krawall?" (Foto: Foto: dpa)

SZ: Der Vereinigung Cockpit wird vorgeworfen, sie handle mit dem Streik unverhältnismäßig.

Thomas von Sturm: Wir haben das rechtlich prüfen lassen und finden den Vorwurf völlig haltlos. Es gibt genug alternative Flugverbindungen und andere Verkehrsmittel. Natürlich ist ein Streik nie wünschenswert, aber wir hatten keine andere Wahl.

SZ: Sie setzen sich stark für die Interessen der Lufthansa-Piloten ein. Warum soll das für die anderen Mitarbeiter und die Piloten der Tochtergesellschaften auch gut sein, wie Sie behaupten?

Sturm: An den deutschen Cockpit-Jobs hängen ja Dinge wie die Verwaltung oder Wartung, wenn Arbeitsplätze ins Ausland verschoben werden, dann trifft das alle. Und wir wollen nicht die Leute in niedrigere Tarifbedingungen verschieben, wenn uns die höheren vertraglich zustehen. Die Bezahlung auf größeren Flugzeugen ist immer höher als auf kleineren.

SZ: Sie berufen sich auf eine Vereinbarung aus dem Jahr 1992. Damals hatte die Lufthansa keine Auslandsbeteiligungen, und es gab keine großen Regionaljets, um die Sie sich jetzt streiten.

Sturm: Wir sind ja grundsätzlich dazu bereit, das Papier zu modernisieren, aber das muss einvernehmlich passieren und nicht dadurch, dass die Lufthansa es einfach nicht mehr beachtet.

SZ: Wodurch bricht das Unternehmen Ihrer Ansicht nach den Tarifvertrag?

Sturm: Vor allem in zwei Punkten: Durch den Einsatz der großen Regionaljets bei der (Regionaltochter) CityLine, weil das Flugzeug im Konzerntarifvertrag fliegen müsste. Und der Aufbau von Lufthansa Italia ist ebenfalls ein krasser Verstoß gegen unsere Abmachung.

SZ: Einmal angenommen, Sie setzen sich durch. Wird dann nicht die Lufthansa so teuer, dass sie erst recht keine Chance mehr gegen die Billigflieger hat?

Sturm: Wir stellen uns der Frage der Wettbewerbsfähigkeit, aber im Rahmen des Tarifvertrages. Die Piloten machen vier Prozent der Gesamtkosten aus, die Regionaljets sind auch zu unseren Bedingungen rentabel. Die Belastungen der Lufthansa kommen doch aus den teuren Zukäufen wie Austrian und BMI. Die Tarifbedingungen sind gut, aber wir orientieren uns auch an der Stärke des Unternehmens. Im europäischen Vergleich sind wir absolut im Mittelfeld.

SZ: Und wie wollen Sie die Lufthansa wieder konkurrenzfähiger machen?

Sturm: Die Mitarbeiter müssen die Kunden mit einem guten Produkt zu fairen Preisen überzeugen. Aber von einem guten Produkt kann schon lange keine Rede mehr sein: Franz Müntefering hatte bei seiner Bruchlandung in Stuttgart vor einigen Monaten Lufthansa gebucht, musste aber in einen alten Seelenverkäufer steigen, Schlimmeres verhinderten nur die Piloten. Unsere First Class ist veraltet, wir haben keine Bildschirme in der Economy, an all diesen Punkten müsste man ansetzen.

SZ: Kommt der Streik nicht zur Unzeit, angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage?

Sturm: Das ist kein günstiger Zeitpunkt, keine Frage, aber wir können nicht einfach zuschauen, wie uns die Lufthansa die Arbeitsplätze wegstreicht.

SZ: In der Öffentlichkeit stehen Sie aber ziemlich alleine da.

Sturm: Ich verstehe den Impuls der Leute, die sagen: Den Piloten geht es doch gut, warum machen die jetzt Krawall? Aber es ist doch mittlerweile schon so, dass Konzerne ganze Staaten erpressen können mit ihren Standortentscheidungen. Durch die Öffnung der Märkte haben wir einen Geist aus der Flasche gelassen. Wir müssen langsam schauen, wie wir den wieder reinbekommen.

SZ: Wie könnte eine Lösung aussehen?

Sturm: Wenn beide Seiten ernsthaften Willen zeigen, dann könnte eine Lösung möglich sein. Aber die Lufthansa hat sich total eingeigelt in ihrer Position, sie muss einen Schritt auf uns zugehen

SZ: Das hat sie bisher nicht getan?

Sturm: Hätten wir die Bedingungen der Lufthansa akzeptiert, hätten wir die bestehende Arbeitsplatzsicherung aufgegeben.

SZ: Warum denn das?

Sturm: Wo Lufthansa draufsteht, muss auch Lufthansa drin sein. Bei Lufthansa Italia muss nach unserer Einschätzung auch das vereinbarte Lufthansa-Tarifniveau gelten, gerne auch über lokale Tarifverträge. Wir haben vorgeschlagen, das gerichtlich klären zu lassen und bis dahin einen Waffenstillstand zu vereinbaren. Das wollte Lufthansa aber nicht.

SZ: Es sieht so aus, als könne die Lufthansa eine ziemlich große Zahl von Flügen trotz Streikes durchführen. Haben Sie sich verkalkuliert?

Sturm: Sie hat sehr viele Flugzeuge von anderen gechartert und lässt auch BMI und die Regionaltöchter fliegen. Der Schaden, der durch einen Streik entsteht, lässt sich nicht alleine an der Zahl der Streichungen ablesen. Viele Leute buchen nicht, weil sie nicht wissen, ob der Flug stattfindet. Das Chartern ist extrem teuer. Aber so laufen nun mal Tarifauseinandersetzungen.

© SZ vom 22.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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