Lufthansa:Sommer des Missvergnügens

Lufthansa-Passagiere müssen sich in Geduld üben. Denn Deutschlands größte Airline rast auf ein Streikchaos zu. Ab Freitag könnten Flugzeuge der gesamten Konzernflotte am Boden bleiben.

Jens Flottau

Eines haben die Passagiere mittlerweile gelernt: Wenn ein Streik angekündigt ist, tauchen viele von ihnen gar nicht mehr am Flughafen auf. Deswegen können die Lufthansa-Sprecher immer wieder darauf verweisen, dass das große Flughafenchaos mit den unschönen Schlangen quer durch die Terminals ausgeblieben ist.

Lufthansa: Nichts geht mehr: Ab Freitag droht an den deutschen Flughäfen ein Chaos. Teile des Boden- und Kabinenpersonal der Lufthansa wollen streiken.

Nichts geht mehr: Ab Freitag droht an den deutschen Flughäfen ein Chaos. Teile des Boden- und Kabinenpersonal der Lufthansa wollen streiken.

(Foto: Foto: AP)

So etwas wie Streikroutine wird denjenigen, die auf Lufthansa-Flüge angewiesen sind, in den nächsten Wochen auf alle Fälle guttun. Denn auf die Airline und ihre Kunden rollt scheinbar unaufhaltsam das Streikchaos zu, auch wenn man es auf den ersten Blick und in den Terminals noch nicht erkennt.

Die Auseinandersetzungen dürften sich noch über Wochen hinziehen, denn die Lage ist äußerst vertrackt. Es deutet vieles darauf hin, dass schon in den nächsten Tagen nicht nur wie zuletzt und bis gestern die Regionalflugzeuge zeitweise am Boden bleiben, sondern auch ein Teil der großen Konzernflotte.

Die Urabstimmung des Boden- und eines Teils des Kabinenpersonals im ganzen Konzern, zu der die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgerufen hat, läuft noch bis diesen Donnerstag. Am Freitagmorgen soll das Ergebnis vorliegen, und wenn die Mitglieder wie erwartet einem Streik zustimmen, dann könnte es schon entweder am Freitag oder am Wochenende, spätestens aber in der kommenden Woche ernst werden.

Kampf der Gewerkschaften

Am Streikwillen der Gewerkschaft gibt es auch deswegen wenig Zweifel, weil sie ein bereits hohes Lufthansa-Angebot von einem Plus über 6,7 Prozent zurückgewiesen hat. Verdi will sich zudem im Konkurrenzkampf mit der kleineren Spezialgewerkschaft Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) behaupten - die UFO ist beim Kabinenpersonal viel stärker vertreten.

Noch schwieriger scheint die Lage bei den Piloten zu sein. Zwar verhandeln die Besatzungen der Regionaltöchter Lufthansa Cityline und Eurowings offiziell über mehr Geld - im Hintergrund geht es aber um die sogenannte 70-Sitzer-Klausel, die die Lufthansa aufweichen will. Im Kern besagt die Regelung, dass alle Flugzeuge mit mehr als 70 Sitzen im Konzern und nicht bei den Töchtern geflogen werden müssen.

Die Lufthansa hält die Absprache aus dem Jahr 1992 für nicht mehr zeitgemäß, die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) kämpft ums Prinzip und den Besitzstand. In Pilotenkreisen heißt es, bald könnten die Streiks auch auf die Konzernflotte ausgedehnt werden, schließlich gebe es dort ebenfalls offene Tarifverträge, die einen rechtlichen Anlass für einen Streik geben würden. Wie groß die Bedeutung der umstrittenen Klausel für die Piloten ist, hat die Lufthansa lange unterschätzt.

Höhere Gewalt

Das Pilotenproblem ist auch deswegen aus Sicht der Passagiere gravierender, weil ihr Streik womöglich die größeren Folgen hätte. Bei einem Streik des Bodenpersonals ließe sich mitunter noch ein Rumpfflugplan aufrechterhalten, auch werden laut Verdi nicht alle Flughäfen gleichermaßen betroffen sein. Die Piloten hingegen könnten, wenn sie ihre Macht demonstrieren wollen, den Flugbetrieb komplett lahmlegen.

Wer in den nächsten Wochen mit der Lufthansa fliegen will, muss also die Möglichkeit einkalkulieren, dass ein Streik die Reisepläne durchkreuzt. Im Ernstfall ist man dann auf das Wohlwollen der Airline angewiesen, wenn es um Umbuchung oder Alternativen geht, denn Streiks gelten als höhere Gewalt.

Hinter den Kulissen arbeitet das Unternehmen bereits fieberhaft an Szenarien, wie ein möglichst großer Teil des Flugplanes in Urlaubszeiten aufrechterhalten werden kann. Freuen kann sich angesichts der Auseinandersetzung nur die Bahn, denn die Gäste innerdeutscher Flüge dürften bald regelmäßig in den ICE-Waggons auftauchen.

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