Süddeutsche Zeitung

Lufthansa:Die Rettung des Kranichs verzögert sich

Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds, aus dem das Geld kommen soll, ist noch nicht arbeitsfähig. Dabei drängt die Zeit. Und es gibt ein weiteres Problem.

Von Jens Flottau und Cerstin Gammelin

Die geplante Rettung der Lufthansa verursacht erneut heftigen Streit zwischen Union und SPD. Hier sei "das letzte Wort nicht gesprochen", sagte CSU-Chef Markus Söder am Freitag in Berlin. Er positionierte sich klar gegen eine Sperrminorität des Staates. Die CSU sei "außerordentlich skeptisch, ob dieses Halbverstaatlichungsmodell richtig ist". Angemessen sei: "Hilfe ja, aber keine Verstaatlichung". Koalitionspartner SPD will dagegen ein Mitspracherecht als Gegenleistung für die Staatsmilliarden. Das SPD-geführte Bundesfinanzministerium leitet die Verhandlungen; dort pocht man auf eine Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie.

Zusätzlich erschwert werden die Verhandlungen dadurch, dass der für die Rettung systemrelevanter und großer Unternehmen eingerichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zwei Monate nach der Gründung noch nicht einsatzfähig ist. "Der WSF hat seine Tätigkeit noch nicht aufgenommen", teilte Finanzstaatssekretärin Bettina Hagedorn am Freitag auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken mit. "Aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds wurden bislang noch keine Stabilisierungsmaßnahmen zugesagt bzw. gewährt". Das Schreiben liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Wenn der Fonds jedoch nicht arbeitsfähig ist, dürfte sich auch die staatliche Beteiligung an der Lufthansa verzögern: Das Geld dafür soll aus dem WSF kommen - wie das Bundesfinanzministerium ausdrücklich bestätigt.

Scholz hatte den mit 400 Milliarden Euro ausgestatteten Fonds als "Bazooka" bezeichnet, als schwere Waffe gegen die Krise. Er soll mit Garantien, Krediten und Beteiligungen helfen, dass Unternehmen wie Lufthansa liquide bleiben, sich am Kapitalmarkt refinanzieren können und die Kapitalbasis stärken. Das Gesetz wurde am 28. März beschlossen und liegt nun bei der Europäischen Kommission. "Die Notifizierung ist noch nicht abgeschlossen". Brüssel muss die Staatshilfen prüfen, sie dürfen deutsche Unternehmen gegenüber anderen europäischen Unternehmen nicht bevorteilen. "Die Bazooka hat offensichtlich Ladehemmung", kritisierte Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch. Dass der WSF nach zwei Monaten noch nicht laufe, sei "sehr irritierend". Bartsch forderte eine schnelle Lösung, sonst werde diese Krise "noch dramatischer".

Bei der Lufthansa drängt mittlerweile die Zeit, bis Mitte kommender Woche soll nach Informationen mehrerer Personen, die über die Verhandlungen informiert sind, eine Lösung her. Zwar hatte das Unternehmen Ende April noch mehr als vier Milliarden Euro an liquiden Mitteln. Doch die schwinden schnell - rund eine Million Euro pro Stunde. Hinzu kommt, dass von den vier Milliarden etwa zwei Milliarden Euro streng genommen gar nicht der Lufthansa gehören: Das Geld hat Lufthansa für gekaufte, aber nicht abgeflogene Tickets bekommen. Falls die Passagiere aber massenhaft ihr Geld zurückverlangen anstatt sich auf die angebotenen Gutscheine einzulassen, schwindet das Polster noch viel schneller.

In der Diskussion ist auch ein Kapitalschnitt

Eine Kapitalerhöhung, wie sie Finanzstaatssekretär Jörg Kukies verschwebt, müsste von einer außerordentlichen Hauptversammlung genehmigt werden, für die eine Frist von vier Wochen gilt. Kukies hatte gemeinsam mit Ulrich Nussbaum, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, vorgeschlagen, dass der Staat eine Sperrminorität von 25 Prozent plus eine Aktie an Lufthansa für den Nominalwert von 2,56 Euro erwirbt. Dies würde 400 Millionen Euro kosten. Hinzu kämen eine stille Beteiligung in Höhe von 5,5 Milliarden und Kreditbürgschaften für KfW-Darlehen in einem Volumen von rund 3,5 Milliarden Euro.

Auch ein Kapitalschnitt ist in der Diskussion - der Staat könnte durch spätere Kursgewinne der Lufthansa-Aktie profitieren, denn mittelfristig soll er seinen Anteil wieder verkaufen. Die Anteile der Altaktionäre würden dadurch deutlich verwässert. Bemerkenswert war, dass sich der Aktienkurs der Lufthansa nach Bekanntwerden dieser Option kaum bewegt hat. Denkbar also, dass die Investoren die nötige Zweidrittelmehrheit dafür verweigern, weil sie glauben, dass der Staat die Lufthansa in jedem Fall retten wird.

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Dem Vernehmen nach gibt es mehrere Gegenvorschläge. Der Staat könnte etwa bei einer Kapitalerhöhung nur zehn Prozent übernehmen, dafür wäre ein Beschluss der Hauptversammlung nicht erforderlich. Eine Wandelanleihe, die falls nötig in eine Beteiligung von 25 Prozent plus eine Aktie umgewandelt werden könnte, gilt als möglicher Kompromiss.

Lufthansa hat ungeachtet der Lage für Juni 100 zusätzliche Flugzeuge reaktiviert. Die Airlines der Gruppe sollen dann Ende des Monats 1800 wöchentliche Flüge zu 130 Zielen anbieten, viele davon werden allerdings nur ein, bis zweimal pro Woche angesteuert.

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SZ vom 16.05.2020/mxh
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