Süddeutsche Zeitung

Lufthansa-Rettung:Die Verhandlungen sind zum Erfolg verdammt

Staatssekretär Jörg Kukies war lange Investmentbanker. Bei den Lufthansa-Verhandlungen muss er zeigen, dass er auch Steuergeld bestens investieren kann.

Von Jens Flottau und Cerstin Gammelin

Es gibt für jede Bundestagswoche eine Tagesordnung, aber die wichtigsten Termine stehen da nicht immer drauf. So wie an diesem Mittwoch. Jenseits der diversen Ausschüsse für Haushalt, Finanzen und Europa trafen sich an einem geheimgehaltenen Ort vertraulich die Mitglieder eines Finanzgremiums. Es ging um die Beteiligung des Staates an der Lufthansa, selbstredend um das avisierte milliardenschwere Steuergeldpaket an die Fluggesellschaft und die Frage, wie das Geld der Steuerzahler bei der Lufthansa am besten angelegt werden könnte. Hauptredner der vertraulichen Runde: Jörg Kukies.

Der Termin war brisant, schließlich sind die Verhandlungen der Bundesregierung mit der Lufthansa einerseits weit fortgeschritten, andererseits mit heftigen Muskelspielen verbunden. Lufthansa-Chef Carsten Spohr will nur das Geld, aber kein staatliches Mitspracherecht bei unternehmerischen Entscheidungen etwa zum Klimaschutz. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat dagegen keine Lust, das Geld der Steuerzahler einfach rüberzureichen. Sein Wirtschaftsressortkollege Peter Altmaier (CDU) schließlich sieht sich ein ums andere mal genötigt, seinen Schutzbefohlenen beizuspringen. Die Lufthansa gehöre zum "Tafelsilber unserer Wirtschaft", sagt Altmaier am Donnerstag der Bildzeitung. Einen Ausverkauf werde er verhindern.

Hier kommt Kukies ins Spiel. Der Staatssekretär aus dem Bundesfinanzministerium hat sich in den gesamten Krisenhilfen der Bundesregierung zu einer Schlüsselfigur entwickelt. Er ist der Einzige im staatlichen Krisenteam, der sich auf beiden Seiten des Schreibtisches bestens auskennt. Bevor er 2018 in den Staatsdienst wechselte, leitete er eine der mächtigsten Investmentbanken in Deutschland - Goldman Sachs. Kukies weiß bestens, wie man gewinnbringend Geld investiert. Und deshalb steht er jetzt bei den Verhandlungen um das staatliche Investment bei der Lufthansa unter besonderer Beobachtung: Setzt er solche Konditionen durch, die der deutschen Allgemeinheit nutzen? Wird er verhindern, dass bis zu zehn Milliarden Euro staatliches Geld einfach versickern, weil Gläubiger ausbezahlt und Altaktionäre geschützt werden?

Die Kehrseite der Erfahrung ist die Gefahr des Interessenkonflikts. Am Mittwoch war im Bundestag zu hören, Goldman Sachs sei im Beratergremium der Lufthansa. Sitzt also ein Goldman beim Staat und einer bei der Fluggesellschaft am Verhandlungstisch? Die Lufthansa will dazu keine Auskunft geben. Kukies lässt übermitteln, dass er in den vergangenen Wochen keinen Kontakt zu Kollegen gehabt habe, weder beruflich noch privat. Das Abstandsgebot ist vonnöten - der Ex-Banker mit SPD-Parteibuch ist zum Chefverhandler aufgestiegen; hat die Leitung des neuen Wirtschaftsstabilisierungfonds der Bundesregierung übernommen. Dieser Fonds ist riesig: 600 Milliarden Euro. Davon sind 100 Milliarden Euro reserviert, mit denen sich der Staat an Unternehmen beteiligen kann - wie jetzt bei der Lufthansa. Kukies entscheidet, zu welchen Konditionen.

Am Mittwoch im Bundestag erfährt Kukies auch, dass sich die Abgeordneten uneins sind. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus hat die Linie ausgegeben, dass sich der Staat rauszuhalten habe. Unter den Haushaltsexperten aber gibt es ein gewaltiges Grummeln wegen der forschen Forderungen von Spohr. Parteiübergreifend bis zur FDP. Für die SPD stellt Co-Parteichef Norbert Walter-Borjans am Donnerstag klar, dass der, der Geld gibt, auch "über den Kurs des Unternehmens mitzubestimmen" hat. "Insbesondere geht es dabei um die Beschäftigungssicherung und ein steuerliches Bekenntnis zum Heimatstandort auch in guten Zeiten", sagte Walter-Borjans der SZ. Die SPD habe eine klare Position: "Die Lufthansa ist kein Fall für verlorene Zuschüsse, die die Steuerzahler aufbringen müssten".

Die Lufthansa bestätigt am Donnerstag das Grundgerüst der Beteiligung, aber die wichtigsten Details sind noch nicht geklärt. Eines davon ist der Preis, zu dem der Staat Aktien kauft. Zahlt er den Marktpreis, der ungewöhnlich hoch ist und nach Einschätzung von Investoren bereits den erwarteten Einstieg des Staates widerspiegelt? Oder den niedrigeren Nennwert der Akte? Oder nur einen symbolischen Preis? Kukies wird das gut erklären müssen. Laut Lufthansa will sich der Bund mit einem Anteil von maximal 25 Prozent plus einer Aktie an dem Unternehmen beteiligen und hätte damit eine sogenannte Sperrminorität, die es erlaubt, wichtige strategische Entscheidungen zu verhindern. Verhandelt wird auch über einen Kapitalschnitt. Das bedeutet, dass das Grundkapital reduziert wird. Der Staat soll für dieses Aktienpaket maximal eine Milliarde Euro bezahlen. Rund 5,5 Milliarden würde er zusätzlich in eine stille Beteiligung stecken, für die er am Anfang der Verhandlungen einen festen Zinssatz von neun Prozent verlangt hat. Weitere 3,5 Milliarden sollen als Darlehen der KfW ausgezahlt werden - Lufthansa bekäme also insgesamt neun Milliarden Euro.

Der Staat hat bereits der Condor mit Kreditbürgschaften in Höhe von 550 Millionen Euro und dem Reisekonzern Tui mit 1,8 Milliarden Euro geholfen. Der Flughafenverband ADV kritisiert, die Flughäfen dürften nicht vergessen werden. Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI), der Hersteller und Zulieferer vertritt, fordert ein staatliches Rettungspaket, um im großen Stil befürchtete Pleiten zu verhindern.

In Branchenkreisen rechnet man, es werde einige Tage dauern, bis eine Einigung erzielt werde. Spohr hatte bei der erstmals nur im Internet stattfindenden Hauptversammlung am vergangenen Dienstag versucht, die Aktionäre zu beruhigen. Er gehe davon aus, dass sich Lufthansa mit dem Bund einigen werde und Lufthansa Alternativen wie ein Schutzschirmverfahren nicht weiterverfolgen müsse. Bei dieser Version der Insolvenz, die auch Condor durchläuft, würden die Anteile der Altaktionäre wertlos.

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SZ vom 08.05.2020/mxh
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