Lufthansa:Aufsichtsrat lehnt Rettungspaket ab

Lufthansa, Hammered By Coronavirus Fallout, To Receive Government Aid

Flugzeuge der Deutschen Lufthansa geparkt am Frankfurter Flughafen unter leerem Himmel.

(Foto: Getty Images)

Die Entscheidung des Gremiums überrascht. Dem Stabilisierungspaket könne man unter den Auflagen der EU nicht zustimmen. Es geht um 96 Start- und Landerechte.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Eigentlich hätte, so sollte man meinen, die Sitzung des Lufthansa-Aufsichtsrates eine Formalie sein sollen. Es ging um viel Geld, neun Milliarden Euro, die der Staat dem Unternehmen zur Verfügung stellen und damit dessen Insolvenz verhindern will. Doch dann ließ der Aufsichtsrat eine Bombe platzen und verschob die Entscheidung, das bereits fertig ausgehandelte Rettungspaket zu genehmigen.

Das Gremium teilte mit, die von der Europäischen Kommission angedeuteten Auflagen würden "eine Schwächung der Drehkreuzfunktion an den Heimatflughäfen der Lufthansa in Frankfurt und München zur Folge haben". Die wirtschaftlichen Folgen müssten "intensiv geprüft werden". Daher habe der Aufsichtsrat dem Stabilisierungspaket nicht zustimmen können. Und: "Zur Aufrechterhaltung der Solvenz stuft der Aufsichtsrat Stabilisierungsmaßnahmen des WSF aber weiter als die einzig gangbare Alternative ein." Sprich: Wenn die Einigung doch noch scheitert, dann müsste Lufthansa ein Schutzschirmverfahren beantragen, eine Sonderform des deutschen Insolvenzrechts.

Dem Vernehmen nach fordert die Europäische Kommission als Grundlage für eine Genehmigung, dass die Lufthansa die Flotte in Frankfurt und München um insgesamt zwölf Flugzeuge reduziert, acht davon am Haupt-Drehkreuz in Frankfurt. Ein Kurz- und Mittelstreckenflugzeug verbraucht pro Tag typischerweise acht Zeitfenster, die sogenannten Slots, vier für den Start und vier für die Landung. Damit ergibt sich rechnerisch, dass die Lufthansa pro Tag 64 Slots in Frankfurt und 32 in München freiräumen müsste.

Die Lufthansa befürchtet, dass es bei einer so großen Anzahl deutlich schwieriger werden dürfte, das Geschäftsmodell, das auf Umsteiger für die Langstrecken ausgelegt ist, weiterhin profitabel zu betreiben. Außerdem kritisiert sie hinter den Kulissen, dass die Kommission beim Einstieg eines Staats als Aktionär noch nie Instrumente des Wettbewerbsrechts angewendet hat. Als die Niederlande 2019 Anteile an Air France-KLM übernahmen, sei KLM nicht dazu gezwungen worden, Slots abzugeben. Nach den Vorstellungen der Kommission müsste die Lufthansa auf unbegrenzte Zeit neuen Anbietern Slots abgeben, sobald diese sich für Frankfurt entscheiden, also auch noch in fünf oder zehn Jahren.

Ob die Auswirkungen der Auflagen wirklich so gravierend wären, ist aber fraglich, und damit auch, ob die Lufthansa das Geschäft tatsächlich platzen lässt. Seit April sind die Slot-Regeln in der EU ausgesetzt - wer die Zeitfenster wegen der Corona-Krise nicht nutzt, verliert sie anders als sonst im Folgejahr nicht. Die Marktstellung der großen Drehkreuz-Betreiber wie Lufthansa ist damit zunächst geschützt. Neue Anbieter müssen darauf setzen, dass sie freie Slots auf Antrag zugewiesen bekommen. Kurz- und mittelfristig will aber sowieso kein Anbieter in Frankfurt mehr als früher fliegen, auch die Lufthansa nicht. Ryanair hat schon vor der Krise die hier stationierte Flotte deutlich reduziert, die Frankfurter Strecken liefen nicht so richtig, trotz freundlicher Gebührenregelung des Flughafenkonzerns Fraport. Weitere Slots sind schon jetzt verfügbar, wenn auch nicht zu den besten Tageszeiten.

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An dieser Stelle kommt das Terminal 3 ins Spiel, das etwa 2023 eröffnet werden soll. Genau steht das noch nicht fest, weil sich die Arbeiten wegen der Pandemie gerade verzögern. Derzeit sind in Frankfurt pro Stunde 104 Flugbewegungen möglich, wenn der erste Teil von T3 bereit ist, sollen es 108 sein, später noch mehr. Zugelassen ist der Flughafen für 126 Bewegungen pro Stunde. In den nächsten Jahren können also im Zuge des Ausbaus maximal noch einmal täglich rund 350 Slots verteilt werden. 50 Prozent davon müssen an Neueinsteiger vergeben werden, auf den Rest haben die am Flughafen schon aktiven Airlines Zugriff, und zwar gemäß ihrer Größe. Lufthansa hat in Frankfurt einen Marktanteil von etwa 65 Prozent - sie könnte also im Idealfall deutlich mehr als 100 zusätzliche Slots bekommen und die 64 verlorenen damit überkompensieren.

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