Im Tarifkonflikt mit der Lufthansa wollen die Piloten von Mittwoch an erneut streiken - es sei denn, die Fluggesellschaft legt ein höheres Angebot vor. "Ungeachtet anderslautender Ankündigungen ist die Lufthansa bis heute nicht auf uns zugekommen und legte ebenso kein neues Angebot vor", teilte die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) mit.
Um den Druck auf den Arbeitgeber zu erhöhen, plant die Gewerkschaft dieses Mal von Mittwoch an einen zweitägigen Streik bei der Passagier-Fluglinie und drei Tage Ausstand bei der Frachttochter Lufthansa Cargo. "Um auch in dieser Lage nichts unversucht zu lassen, haben wir dennoch einen Verhandlungstermin für Dienstag angeboten", schreibt VC. Klar müsse jedoch sein, dass der angekündigte Streik nur durch ein ernstzunehmendes Angebot des Unternehmens abgewendet werden könne. Die Gewerkschaft pocht auf Reallohnsicherung in Zeiten hoher Inflation und Verbesserungen in der Vergütungsstruktur.
Die Lufthansa gibt sich gesprächsbereit und hat nun ein verbessertes Tarifangebot für die streikbereiten Piloten angekündigt. Man werde dies am Dienstag unterbreiten, kündigte das Unternehmen an. Die Verhandlungen sollen um 10 Uhr beginnen. Bis spätestens 12 Uhr müsse entschieden werden, ob für die angedrohten Streiktage ab Mittwoch Flüge gestrichen werden. Dies sei sowohl für die Flugzeug- und Crew-Disposition als auch für einen zumindest minimalen Vorlauf für die betroffenen Fluggäste notwendig.
In einer ersten Reaktion hatte ein Lufthansa-Sprecher gesagt: "Wir bedauern sehr, dass die Gewerkschaft den Weg der Eskalation weitergeht." Dem neuerlichen Streikaufruf zufolge sollen die Abflüge der Lufthansa-Passagiermaschinen aus Deutschland am Mittwoch und Donnerstag bestreikt werden. Bei der Frachttochter Lufthansa Cargo ist der Ausstand von Mittwoch bis Freitag geplant. "Wir hätten es uns anders gewünscht", erklärte Marcel Gröls, Vorsitzender Tarifpolitik der VC, "doch leider sind die Beharrungskräfte bei der Lufthansa erheblich. Es ist jetzt wichtig, dass die Parteien schnell und mit dem gebotenen Ernst am Verhandlungstisch zueinander finden."
Der erste Ausstand im festgefahrenen Konflikt über Gehaltserhöhungen für die mehr als 5000 Cockpitbeschäftigten bei der Kernfluglinie Lufthansa und Lufthansa Cargo hatte am vergangenen Freitag mit rund 800 Flugausfällen die Reisepläne von etwa 130 000 Passagieren durchkreuzt, das Unternehmen erlitt nach eigener Aussage einen wirtschaftlichen Schaden von 32 Millionen Euro. Bei Lufthansa-Kunden stieß der Ausstand der gut bezahlten Flugzeuglenker auf wenig Verständnis. Die Fluglinie war mit dem Versuch gescheitert, den Streik im Eilverfahren vor dem Arbeitsgericht zu stoppen.
Aus rechtlichen Gründen kann die VC nur Arbeitnehmer in Deutschland zum Arbeitskampf aufrufen. Bestreikt werden daher ausschließlich die Abflüge der Lufthansa-Kerngesellschaft und der Lufthansa Cargo von deutschen Flughäfen. Die Tochtergesellschaften Lufthansa Cityline, Eurowings und Eurowings Discover sind von dem Arbeitskampf nicht betroffen.
Bedenken gegen automatisierten Inflationsausgleich
Vor dem Arbeitsgericht München hat die VC ihre Tarifforderung in einem Detail abgeändert. Weil auch die Richter rechtliche Bedenken gegen einen automatisierten Inflationsausgleich vom kommenden Jahr an äußerten, wird nun ein "pauschaler" Inflationsausgleich in Höhe von 8,2 Prozent verlangt. Im laufenden Jahr sollen die Gehälter um 5,5 Prozent steigen. Dazu kämen eine neue Gehaltstabelle und mehr Geld für Krankheitstage, Urlaub und Training.
Die Lufthansa veröffentlichte in Reaktion auf den Streik die Liste von 16 Forderungen der VC. Die Personalkosten im Cockpit würden damit um 40 Prozent oder rund 900 Millionen Euro über die kommenden zwei Jahre steigen. Dies sei selbst ohne Rücksicht auf die finanziellen Folgen der Corona-Krise außerhalb des Vertretbaren.
Das Angebot, das VC abgelehnt hatte, bezifferte die Lufthansa bei 18 Monaten Laufzeit auf 900 Euro mehr Grundvergütung pro Monat. Die Einstiegsgehälter stiegen dabei um mehr als 18 Prozent, die oberste Gehaltsgruppe bekäme fünf Prozent mehr. Die Spanne der Pilotengehälter reicht derzeit von 69 000 Euro im Jahr für den Nachwuchs bis zu 275 000 Euro Spitzengehalt.
Erst im Juli hatte die Gewerkschaft Verdi mit einem Warnstreik des Bodenpersonals den Flugbetrieb der größten deutschen Fluglinie für einen ganzen Tag nahezu lahmgelegt. Die Flugbegleiter-Gewerkschaft Ufo will im Herbst für ihre Mitglieder verhandeln. Sie erklärte sich "ausdrücklich und uneingeschränkt solidarisch" mit dem Streik der Piloten.
Lufthansa-Chef will Mitarbeiter "nicht im Stich lassen" und 20 000 neue einstellen
Mit Blick auf den laufenden Streit mit der Pilotengewerkschaft beschwor Lufthansa-Chef Carsten Spohr "im Interesse aller ein Miteinander, das ohne die zahlreichen Tarifkonflikte auskommt". In Zeiten erhöhter Inflation sei eine deutliche Vergütungserhöhung nach Ansicht des Vorstands absolut angemessen, vor allem in den unteren Vergütungsgruppen. Wie beim Abschluss mit der Gewerkschaft Verdi für das Bodenpersonal habe die Fluglinie deshalb auch den Piloten stärkere Gehaltserhöhungen in den niedrigen Tarifgruppen angeboten. In der Vergangenheit seien die Kosten durch das Absenken der Einstiegsgehälter gesenkt worden, das müsse jetzt korrigiert werden. "Wir haben unsere Mitarbeiter nicht alleine gelassen in der Pandemie. Und wir werden sie nicht alleine lassen in der Inflation."
Trotz aller Streiks streicht die Lufthansa gerade gute Gewinne ein. Dank der Erholung der Luftfahrt von der Corona-Krise plant der Konzern einen massiven Personalaufbau. "Fast 20 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden wir bis Ende nächsten Jahres einstellen, das heißt ganz grob 1000 Mitarbeiter pro Monat", sagte Spohr. Dabei handele es sich um 12 000 ganz neue Beschäftigte und rund 8000, die als Ersatz für ausscheidende Mitarbeiter eingestellt werden sollen.
In der Pandemie-Krise, die den Luftverkehr weltweit lange lähmte, war die Lufthansa von knapp 140 000 auf etwa 100 000 Beschäftigte geschrumpft. An manchen Stellen war zu viel Personal abgebaut worden, was zu generellen Problemen im Betriebsablauf in diesem Sommer aufgrund von Personalmangel führte. Doch die Lage habe sich nach den "dunklen Stunden im Juli" stabilisiert, sagte Spohr, wenn auch die Pünktlichkeitsquote mit nur zwei Dritteln der Flüge noch nicht hinnehmbar sei.