Luftverkehr:Lufthansa erwägt Umzug nach München

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Lufthansa-Kapitän Andreas Jasper inspiziert einen Airbus "A350" auf dem Münchner Flughafen. Die Fluggesellschaft hat dort bereits eine wichtige Basis. (Foto: Sebastian Gabriel)

Seit fast 70 Jahren liegt der rechtliche Sitz der Fluggesellschaft in Köln. Angeblich wirbt nun die bayerische Staatsregierung um den Konzern. Die Verwaltung aber bleibt in Frankfurt.

Von Jens Flottau und Andreas Glas, Frankfurt

Lufthansa-Chef Carsten Spohr ist nicht dafür bekannt, zu Wutausbrüchen zu neigen. Doch wenn man ihn auf die Zustände am Frankfurter Flughafen anspricht, dann sorgt dies in der Regel schnell für erhöhten Blutdruck. Seit Jahren streiten Spohr und seine Leute mit der Betreibergesellschaft Fraport. Kurz zusammengefasst: Sie werfen ihr vor, viel zu teuer zu sein und zu schlechte Qualität zu liefern. Manchem Lufthanseaten graut schon vor der nächsten Sommersaison und wie die Massen an Urlaubern in akzeptabler Zeit durch die größte Basis der Airline geschleust werden sollen.

Da trifft es sich gut, dass jetzt über das Internetportal The Pioneer Überlegungen nach außen gedrungen sind, den rechtlichen Sitz des Konzerns von Köln nach München zu verlegen. Solch ein Schritt hätte zwar kaum praktische Auswirkungen auf die beiden Drehkreuze, und es würden auch nicht Tausende Mitarbeiter der Verwaltung nach München umziehen (schon gar nicht von Frankfurt). Aber die symbolische und politische Wirkung wäre nicht zu unterschätzen.

Bei der Lufthansa heißt es, es gebe in dieser Hinsicht Überlegungen, entschieden werden könne der Schritt allerdings frühestens von der Hauptversammlung im Jahr 2024. Beim nächsten Aktionärstreffen im Mai 2023 steht die Sache nicht auf der Tagesordnung.

Dass sich die Debatte also noch ein bisschen zieht, dürfte im Interesse des Konzerns sein. Denn dem Land Hessen, das am Flughafenbetreiber Fraport beteiligt ist, kann der Umzug nicht schmecken, auch wenn er noch so symbolisch ist. Mit so einem Trumpf in der Hinterhand kann Spohr in Frankfurt nun noch einmal ein bisschen anders auftreten und klarmachen, dass schnell bessere Qualität angesagt ist. Und vielleicht hilft ja die Landesregierung mit, Fraport zu überzeugen, denn auch für sie wäre die Entscheidung für München peinlich.

Lufthansa will München als Langstrecken-Drehkreuz etablieren

Im Tagesgeschäft ist Lufthansa mit München viel zufriedener. Der dortige Airport ist als Drehkreuz angelegt, seit 2003 betreibt sie mit der Flughafen München Gesellschaft (FMG) gemeinsam das Terminal 2. Lange Schlangen an den Sicherheitsschleusen sind seltener als in Frankfurt, das Abfertigungsgebäude ist moderner und geräumiger. Spätestens seit der Eröffnung des Terminals vor 20 Jahren arbeitet Lufthansa daran, den Flughafen auch als Langstrecken-Drehkreuz zu etablieren, zumal sie die Kapazitätsengpässe in Frankfurt dazu zwingen. Im Sommer werden vier Airbus A380 reaktiviert und in München stationiert, früher flogen sie nur von Frankfurt aus. Allerdings sind die wichtigen Langstrecken in Frankfurt Insidern zufolge insgesamt immer noch wesentlich profitabler als die in München. Und in Frankfurt bietet Lufthansa trotz allem immer noch rund 50 Prozent mehr wöchentliche Sitze und Strecken an als in München.

Unternehmenskreisen zufolge soll die Initiative für einen Umzug nach München von der bayerischen Staatsregierung ausgegangen sein. Dort gibt man sich unbeteiligt. "Falls die Medienberichte zutreffen, wäre das eine sehr gute Nachricht für den Freistaat Bayern", sagte Finanzminister Albert Füracker (CSU) der Süddeutschen Zeitung. Er ist Aufsichtsratschef des Münchner Flughafens. Dass die Politik beteiligt sei, bestreitet er. Es handle sich "alleine um eine unternehmerische Entscheidung der Lufthansa". Da in Bayern im Herbst Landtagswahlen anstehen, kämen der CSU gute Nachrichten jedoch gelegen. Zusätzliche Arbeitsplätze, mehr Steuereinnahmen, damit lässt sich punkten.

Köln ist rechtlicher Sitz des Unternehmens, seit die Lufthansa nach dem Zweiten Weltkrieg 1954 neu gegründet wurde. Im Laufe der Jahrzehnte hat die Fluggesellschaft aber immer mehr Abteilungen, die einst dort in diversen Bürogebäuden untergebracht waren, nach Frankfurt abgezogen, wo sich parallel der Flughafen zum größten Drehkreuz und Basis der Langstreckenflotte entwickelte. Zuletzt waren in Köln praktisch keine zentralen Funktionen mehr angesiedelt, der Konzern ist in der Stadt allerdings weiterhin durch den Sitz des Ablegers Eurowings vertreten. Der überwiegende Teil der Verwaltung und der Vorstand arbeiten aus dem Lufthansa Aviation Center (LAC), einen kurzen Fußmarsch vom Frankfurter Terminal 1 entfernt, mit Blick auf Vorfeld und Autobahn A3.

Spohr übrigens, der seit vielen Jahren in München wohnt, müsste weiter nach Frankfurt pendeln, selbst wenn der Unternehmenssitz künftig an seinen Wohnort verlegt werden würde. Der Vorstand und die Hauptverwaltung sollen auf jeden Fall weiter hin Frankfurt bleiben.

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