Süddeutsche Zeitung

Lufthansa:Machtloser Monopolist

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Easyjet plant offenbar, innerdeutsche Strecken aufzugeben. Steigen nun die Preise?

Von Jens Flottau, Frankfurt

Damals, im November 2017, als Air Berlin den letzten Linienflug absolvierte, sah Easyjet die große Chance gekommen. Nachdem der defizitäre, schließlich bankrotte Konkurrent jahrelang mit Billigtarifen und zu viel Kapazität den deutschen Markt blockiert hatte, tat sich für die britische Billigfluglinie endlich die Möglichkeit auf, massiv in der Bundesrepublik zu expandieren. Easyjet nahm sogar Anlaufverluste in dreistelliger Millionenhöhe in Kauf, um in Berlin-Tegel eine Basis aufzubauen. Lufthansa hatte wieder einen Konkurrenten auf den Inlandsstrecken.

Zweieinhalb Jahre später wird nun das Realität, was viele schon nach der Air-Berlin-Pleite befürchtet hatten: Der Marktführer Lufthansa wird auf Strecken innerhalb Deutschlands zum Monopolisten. Easyjet, wie alle Airlines geplagt von den Folgen der Corona-Pandemie, plant offenbar nicht mehr, die Inlandsstrecken beim nun anstehenden Neustart wieder aufzunehmen. Betroffen sind die Verbindungen von Berlin nach München, Düsseldorf und Stuttgart. Flüge von Berlin nach Frankfurt hatte die Billigfluggesellschaft schon vor der Krise mehr oder weniger aufgegeben.

Die Entscheidung, die innerdeutschen Strecken nicht mehr zu fliegen und auch das Angebot zu Zielen in Europa zu reduzieren, ist nicht nur wegen Covid-19 keine Überraschung. Schon beim Einstieg in Tegel hatte Easyjet im Vergleich zu Air Berlin weniger auf den innerdeutschen Markt gesetzt. Nach anfänglich starkem Wachstum und weiter hohen Verlusten leitete die Airline aber schon vor längerem eine Kehrtwende ein. Laut dem aktuellen Low-Cost-Monitor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) weitete Easyjet im Winter 2018/19 das Angebot in Deutschland noch um 20 Prozent aus. Doch schon im Winterflugplan 2019/20 und damit noch vor der Corona-Krise reduzierte sie es wieder um 16 Prozent.

Die Frage ist nun, welche Folgen die Entscheidung für den innerdeutschen Markt und die Preisentwicklung haben wird. Vielen Kunden sind noch die hohen Preise auf Inlandsstrecken in Erinnerung, die Lufthansa im November und Dezember 2017 verlangt hatte, bevor Easyjet dann im Januar 2018 ernsthaft begann, die Basis Tegel aufzubauen. Droht also nun eine Wiederholung, vielleicht sogar auf Dauer?

Die Antwort ist kompliziert. Einerseits ist es aus Lufthansa-Sicht schön, wenn sich ein Konkurrent von einer (oder in diesem Fall drei) Strecken zurückzieht, sie hat in der Theorie nun mehr Spielraum bei den Preisen. Andererseits konkurriert sie immer noch mit Auto und Bahn. Der politische Druck, auf Kurzstrecken Flüge aus Umweltschutzgründen ganz zu vermeiden, wächst. Und auch einige andere Aspekte sprechen dagegen, dass sich die Situation von 2017 wiederholt. Die Billigflieger hatten vor der Krise in Deutschland einen Marktanteil von rund 30 Prozent, Langstrecken ausgenommen. Von diesen 30 Prozent entfielen laut DLR etwa 16 Prozent auf Easyjet. Bezogen auf den Gesamtmarkt kam die Airline also nur auf fünf Prozent Anteil, innerdeutsch lag er wohl noch darunter. Easyjet war also ohnehin kein riesiger Faktor und wenn überhaupt, dann nur im schwierigen Markt Berlin, der für Lufthansa keine große Rolle spielt.

Vor allem aber konnte Lufthansa damals die hohen Preise verlangen, weil eine riesige Nachfrage in einer boomenden Wirtschaft auf ein stark verknapptes Angebot traf. Heute ist genau das Gegenteil der Fall. Bis vor wenigen Wochen existierte so etwas wie Nachfrage nach Flügen praktisch gar nicht. Die Airlines hoffen, dass nach den Sommerferien wieder mehr Kunden zurückkehren - Lufthansa will bis Oktober sowohl innerdeutsch als auch in Europa rund 40 Prozent der Vorjahreskapazität anbieten. Die ersten Indikatoren sind jedoch nur teilweise positiv: Unternehmenskreisen zufolge laufen die größeren Einzugsgebiete wie Düsseldorf wieder besser, bei kleineren aber gibt es noch keine Zeichen der Erholung. Und: Die Preise sind noch lange nicht da, wo sie aus Sicht der Airlines sein müssten.

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Quelle:
SZ vom 08.07.2020
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