Lufthansa:Jetzt sind die Aktionäre am Zug

Der Aufsichtsrat des Konzerns stimmt den Auflagen für die Staatshilfe zu.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Für Lufthansa-Mitarbeiter und Investoren war Pfingsten ein nervenaufreibendes Wochenende. In der vergangenen Woche hatte der Aufsichtsrat ein neun Milliarden Euro großes Rettungspaket abgelehnt, weil ihm die Konzessionen an die EU-Kommission zu weit gingen. Am Donnerstag hatte Konzernchef Carsten Spohr Mitarbeitern gegenüber gesagt, die Zahlung der Juni-Gehälter könne schwierig werden. Die Lufthansa schien geradewegs auf eine Insolvenz zuzusteuern.

Der schlimmste Fall ist nun bis auf Weiteres abgewendet. Nachdem die Bundesregierung und die Kommission tagelang verhandelt und sich auf einen Kompromiss geeinigt hatten, sah sich nun auch der Aufsichtsrat dazu in der Lage, der Rettung des Konzerns zuzustimmen. Zuvor hatte sich schon der Vorstand für den Weg ausgesprochen. Die letzte Hürde ist nun eine außerordentliche Hauptversammlung am 25. Juni, bei der noch die Aktionäre einwilligen müssen. Angesichts der Alternative Insolvenz, bei der sie alles verlieren würden, dürfte die Zustimmung sicher sein.

Sie fliegen wieder

In der Türkei und in Polen fanden nach der coronabedingten Pause im Luftverkehr wieder Inlandsflüge statt. Am Montag startete eine Maschine der halbstaatlichen Fluggesellschaft Turkish Airlines (THY) vom Flughafen Istanbul nach Ankara. Passagiere benötigen eine Regierungs-App, um fliegen zu dürfen. Diese bestätigt unter anderem, dass der Reisende nicht krank ist. An den Flughäfen müssen zudem Auflagen eingehalten werden. Etwa dürfen nur Reisende, nicht aber ihre Begleitpersonen, in das Flughafengebäude und es gilt eine Maskenpflicht. Der erste Flug aus Warschau landete am Montagmorgen in Stettin (Szczecin). Es bestehen Verbindungen zwischen der Hauptstadt und sechs weiteren Städten. Zudem gibt es Flüge zwischen der Hafenstadt Danzig (Gdansk) und Krakau (Krakow). dpa

"Es war eine sehr schwierige Entscheidung", so Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley. "Nach intensiver Diskussion haben wir uns dazu durchgerungen, dem Vorschlag des Vorstandes zuzustimmen." Vor der Lufthansa liege nun aber "ein sehr schwieriger Weg". Dazu gehört auch ein Spitzengespräch mit den Gewerkschaften Ufo (Flugbegleiter), Vereinigung Cockpit (Piloten) und Verdi (Bodenmitarbeiter und Kabine) darüber, wie die Auswirkungen der Corona-Krise sozial abgefedert werden können.

Der Kompromiss mit der Europäischen Kommission sieht vor, dass Lufthansa an den beiden Drehkreuzen in Frankfurt und München die Flotte um jeweils vier Flugzeuge reduzieren und an Konkurrenten jeweils zwölf tägliche Slotpaare (Start- und Landezeiten) abgeben muss. In den ersten 18 Monaten haben auf die Slots nur Fluggesellschaften Zugriff, die an den Flughäfen noch nicht aktiv sind, danach auch bestehende Konkurrenten wie Ryanair in Frankfurt oder Easyjet in München.

Flughafen Frankfurt am Main - Lufthansa gibt Landerechte ab

Die Lufthansa muss an ihren wichtigsten Flughäfen Frankfurt und München Start- und Landerechte an Konkurrenten abgeben.

(Foto: Arne Dedert/dpa)

Ursprünglich hatte Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager gefordert, dass Lufthansa 20 Flugzeuge und die dazugehörigen Slots abgeben müsse, denn sie sah durch den Einstieg des Staats bei der Airline die große Gefahr, dass der Wettbewerb massiv verzerrt werde. Kurzfristig hätte dies zwar nur auf dem Papier gewirkt, weil weder Lufthansa derzeit alle ihre Slots braucht noch irgendein Konkurrent bereit ist, an den Drehkreuzen massiv gegen einen der größten Anbieter der Branche zu investieren. Doch Lufthansa befürchtete, dass ihre Umsteigeknoten langfristig geschwächt würden, wenn der Luftverkehr auf Normalniveau zurückkehrt und Slots wieder ein knappes Gut werden.

Lufthansa ist der erste Konzern, der über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) der Bundesregierung vor dem Zusammenbruch gerettet wird. Der Staat stellt insgesamt neun Milliarden Euro zur Verfügung - drei Milliarden durch ein Darlehen der KfW und privater Banken (600 Millionen), darüber hinaus 5,7 Milliarden Euro aus der stillen Beteiligung. Der Bund beteiligt sich auch mit 20 Prozent an dem Unternehmen und behält sich vor, weitere fünf Prozent plus eine Aktie zu kaufen, um eine feindliche Übernahme zu verhindern. Zuvor hatte die Europäische Kommission Hilfen für Air France-KLM in Höhe von sieben Milliarden Euro genehmigt, allerdings ohne dass dabei die Niederlande oder Frankreich ihre schon bestehenden Anteile an dem Konzern erhöht hätten.

Wegen der Corona-Krise ist der Luftverkehr seit März praktisch vollständig zum Erliegen gekommen. Lufthansa bietet derzeit zwischen ein und zwei Prozent der normalen Kapazität an, Mitte Juni will sie den Neustart versuchen und das Angebot auf etwa 15 Prozent steigern, zumal die Bundesregierung beschlossen hat, die Reisewarnungen für die Länder der Europäischen Union aufzuheben.

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