Die Europäische Kommission erlaubt Lufthansa nur unter strengen Auflagen die Übernahme der italienischen Fluggesellschaft ITA Airways. Nach einem mehr als einjährigen Prüfverfahren genehmigt die europäische Wettbewerbsbehörde den Einstieg, wie sie am Mittwoch mitteilte. Das Projekt stand wegen der hohen Auflagen mehrfach vor dem Scheitern und kann auch jetzt noch nicht gleich umgesetzt werden: Erst müssen sich Fluggesellschaften finden, die auf bestimmten Strecken in Konkurrenz zu den beiden fliegen wollen.
Lufthansa hatte sich im Frühjahr 2023 mit der italienischen Regierung darauf geeinigt, zunächst einen Anteil von 41 Prozent für 325 Millionen Euro an ITA zu übernehmen. Geplant ist allerdings, dass der Konzern zu einem späteren Zeitpunkt auch die restlichen Anteile kauft und sich damit der italienische Staat vollständig als Besitzer der Airline zurückziehen kann. Das kann frühestens 2025 passieren. Das Verkaufsverfahren hatte sich insgesamt über mehrere Jahre hingezogen. Unter anderem hatte Lufthansa zuvor ein Angebot gemeinsam mit der Reederei MSC abgegeben. MSC zog sich aber später zurück.
„Der Einstieg bei ITA Airways stärkt die Internationalisierung der Lufthansa Group“, sagte Konzernchef Carsten Spohr. „Trotz der umfassenden und weitreichenden Zugeständnisse stärkt die Beteiligung an ITA Airways die Position der Lufthansa Group im globalen Wettbewerb. Wir werden ITA Airways zu einem starken und erfolgreichen Teil unseres Unternehmens machen und damit ihre Zukunft als internationale Fluglinie und starke Marke sichern. ITA Airways wird uns unterstützen, unsere Position als Nummer eins in Europa weiter auszubauen.“
Das italienische Wirtschafts- und Finanzministerium hatte ITA Ende 2020 als Unternehmen gegründet, um einen Nachfolger als nationale Airline für Alitalia aufzubauen, die nach jahrzehntelanger Misswirtschaft trotz milliardenschwerer Subventionen in der Corona-Pandemie aufgeben musste. ITA nahm den Flugbetrieb dann im Oktober 2021 auf. Der Staat betont, dass es sich bei ITA formal nicht um den Rechtsnachfolger von Alitalia handelt. In diesem Fall hätten dessen Verbindlichkeiten und Tarifverträge den Neustart behindert. Allerdings hat ITA einen Teil der Alitalia-Flotte und auch viele ihrer ehemaligen Mitarbeiter übernommen. Auch die Markenrechte hat sich das Unternehmen gesichert und könnte sich jederzeit wieder in Alitalia umbenennen. ITA hat derzeit eine Flotte von 96 Flugzeugen und etwa 4800 Mitarbeiter.
Rom als sechstes Drehkreuz
Lufthansa baut mit dem Einstieg ihr Netz an Airlines in Europa aus. 2005 war sie zunächst bei Swiss International Air Lines eingestiegen. 2009 folgten Austrian Airlines und Brussels Airlines. Auch Teile der 2017 pleitegegangenen Air Berlin hat sie im Konzern bei der Tochtergesellschaft Eurowings integriert. Spohr folgt dabei der Idee, dass die Gruppe für einen besseren Marktzugang auch vor Ort in lokale Airlines investieren muss. Er argumentiert zudem, dass die Konsolidierung in einem zerstückelten Airline-Markt in Europa dringend nötig sei, um mit den viel größeren Konkurrenten in den USA, dem Nahen Osten und China mitzuhalten.
In Europa hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten drei Großkonzerne herausgebildet, die das klassische Geschäftsmodell mit Kurz- und Langstrecken sowie Drehkreuzen betreiben: Lufthansa, dazu Air France-KLM (mit Transavia und bald auch SAS Scandinavian Airlines) sowie International Airlines Group (IAG mit British Airways, Iberia, Aer Lingus und Vueling). Hinzu kommen mit Ryanair, Easyjet und Wizz Air drei große Billigfluglinien. In den USA dominieren Delta, United und American sowie Southwest, im Nahen Osten sind Emirates, Qatar Airways und Etihad große Langstreckenanbieter. In China kontrollieren Air China, China Southern und China Eastern den Markt.
Lufthansa will Rom zu einem sechsten Drehkreuz in ihrem europäischen System aufbauen, neben Frankfurt, München, Zürich, Wien und Brüssel. Rom soll sich vor allem auf Flüge nach Afrika und Südamerika spezialisieren.
Für die endgültige Genehmigung muss Lufthansa Fluglinien finden, die in Konkurrenz zu ihr und ITA Flüge vom Mailänder Flughafen Linate nach Rom und zu einigen anderen europäischen Zielen aufnehmen wollen. Dem Vernehmen nach haben die Billigfluglinien Easyjet und Volotea bereits Interesse daran gezeigt, in Linate einzusteigen. Die Zahl der Start- und Landezeiten, die ITA und Lufthansa in Linate abgeben müssen, reicht offenbar dazu aus, fünf Flugzeuge dort stationieren und voll auslasten zu können. Linate gilt wegen der Nähe zum Stadtzentrum als besonders attraktiv für Geschäftsreisende. Ryanair hat im benachbarten Bergamo eine große Basis.
Lufthansa rechnet nach eigenen Angaben damit, dass die ITA-Transaktion im vierten Quartal endgültig über die Bühne gebracht werden kann.