Süddeutsche Zeitung

Luftverkehr:Eine Frage des Preises

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Lufthansa will ITA Airways übernehmen. Doch nachdem die italienische Fluglinie für 2022 einen extrem hohen Verlust ausgewiesen hat, will die Lufthansa den Kaufpreis drücken.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Eines muss man dem Management von ITA Airways lassen: es ist bei seinen öffentlichen Statements sehr kreativ. Vor allem, wenn es darum geht, die wirtschaftliche Lage der italienischen Fluggesellschaft zu beschreiben. Das geht dann so: Wenn man die "exogenen Faktoren" außer Acht lasse, dann habe das Unternehmen ein besseres Ergebnis erzielt, als im Geschäftsplan vorgesehen. Es zeige auch, wie vorsichtig das Management bei der Führung der Airline vorgegangen sei, mit einem Fokus auf "extreme Kostenkontrolle."

Vor diesem Hintergrund also ist Lufthansa-Chef Carsten Spohr am Donnerstag zu vertraulichen Gesprächen mit dem italienischen Finanzminister Giancarlo Giorgetti nach Rom geflogen. Bekanntlich will Lufthansa zunächst einen Minderheitsanteil an ITA übernehmen und später die neue Fluglinie ganz kaufen. Bis zum 24. April läuft die vereinbarte Frist für exklusive Verhandlungen. Es ist nicht übertrieben, anzunehmen, dass die exogenen Faktoren die Verhandlungsposition der italienischen Regierung gerade deutlich verschlechtert haben. Am Rande einer Branchenveranstaltung in Brüssel machte Spohr jedenfalls schon einmal eine klare Ansage: "Die nächste große Einigung, die wir erzielen müssen, ist ein Preis, der die Verluste von ITA berücksichtigt."

Der Nachfolgegesellschaft der mittlerweile aufgelösten und notorisch defizitären Alitalia geht es mittlerweile mindestens genauso schlecht wie ihrem Vorgänger. Im Jahr 2022 kam ITA auf einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro und machte dabei einen Verlust von 486 Millionen Euro, also eine negative Marge von rund 33 Prozent. Damit zählt ITA zu den weltweit finanziell am schlechtesten dastehenden Fluggesellschaften. ITA machte für einen wesentlichen Teil des horrenden Verlustes (280 Millionen Euro) die schlechter werdende makroökonomische Lage verantwortlich.

Doch die ist zumindest 2022 weniger dramatisch gewesen, als viele prognostiziert hatten, und betraf auch alle anderen Fluggesellschaften. Und Unternehmen wie Lufthansa, Air France-KLM und International Airlines Group machten angesichts hoher Flugpreise und großer Nachfrage wieder Milliarden-Gewinne und konnten, wo erhalten, alle Staatshilfen zurückzahlen. Selbst mit ITA Airways größenmäßig eher vergleichbare Fluglinien wie TAP Air Portugal oder Air Baltic sind auf viel bessere Ergebnisse gekommen.

Die Personalkosten bei ITA sind vergleichsweise niedrig

Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen ITA und den anderen Airlines: Die Fluglinie wurde erst 2021 gegründet und hat hohe Anlaufverluste zu tragen. Andererseits sind die Personalkosten im Gegensatz zu denen der Alitalia niedrig, denn die Tarifverträge wurden inmitten der größten Krise verhandelt, als die Mitarbeiter froh waren, überhaupt wieder fliegen zu können.

Einen wesentlichen Schritt sind Lufthansa und ITA dem Vernehmen nach aber trotz allem vorangekommen. Sie haben sich in den vergangenen Tagen auf die Eckdaten des Business Plans geeinigt. Demnach soll Rom (und nicht Mailand) Drehkreuz der Airline werden, was eine wichtige strategische Weichenstellung ist: Mailand wäre von der wirtschaftlichen Stärke her eigentlich das geeignetere Drehkreuz, da die Stadt aber mit Malpensa und Linate über zwei Flughäfen verfügt, verteilt sich der Verkehr, Umsteigen ist in vielen Fällen unmöglich. Die beiden Seiten haben auch einen Wachstumskurs für ITA definiert, denn es ist klar: die Airline hat nur dann Chancen auf Gewinne, wenn sie viel größer wird als aktuell. ITA betreibt derzeit eine Flotte von knapp 70 Flugzeugen und hat weitere rund 30 bei Airbus bestellt, hinzu kommen noch weitere Verträge mit Leasingunternehmen.

Die Lufthansa Group hat in den vergangenen rund 15 Jahren ein Netz von Beteiligungen in Europa aufgebaut. Zum Konzern gehören auch Swiss, Austrian und Brussels Airlines. Italien ist nach den USA für Lufthansa der zweitwichtigste internationale Markt. Allerdings haben sich wegen der Schwäche der Alitalia (und später ITA) dort mittlerweile die Billig-Fluggesellschaften breitgemacht, deren Wachstum Lufthansa in Deutschland erfolgreich eingegrenzt hat. Alleine Ryanair hat in Italien derzeit einen Marktanteil von rund 40 Prozent.

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