Süddeutsche Zeitung

Luftverkehr:"Die Menschen wollen fliegen"

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Optimismus bei Lufthansa: Schon 2023 könnten wieder so viele Menschen verreisen wie vor der Pandemie. Dafür werden neue Flugzeuge gebraucht.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die Art und Weise, wie die Lufthansa ihre Hauptversammlung abhielt, erinnerte stark an die dunkelsten Tage der Corona-Pandemie. Ein paar Leute sitzen in einem großen Raum und in angemessenem Abstand vor einer Kamera und sprechen zu einem irgendwo zugeschalteten Publikum. Die Fluggesellschaft führte selbst quasi das Gegenteil von Reisen vor. Als die Hauptversammlung geplant wurde, sei das Risiko einer Präsenzveranstaltung noch zu hoch gewesen, sagte Konzernchef Carsten Spohr.

Wenn man die aktuellen Buchungszahlen betrachtet, dann wirkt so eine virtuelle Hauptversammlung erst recht wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Denn die Lufthansa will die Corona-Pandemie nicht nur "mental hinter sich lassen", wie Spohr sagte, sondern kann dies wohl auch wirtschaftlich schneller erreichen, als die Konzernstrategen erhofft haben. Die Rückkehr zum Nachfrageniveau des Jahres 2019 erwarteten sie eigentlich für Mitte des Jahrzehnts, doch nun geht der Konzern davon aus, dass schon im kommenden Jahr das tiefe Tal überwunden sein könnte. Im laufenden Jahr wird die Kapazität auf 75 Prozent hochgefahren, entsprechend sind auch drei Viertel aller Flugzeuge wieder im Einsatz. Die Zielmarke für 2023 sind schon 95 Prozent.

"Die Menschen wollen fliegen", glaubt Spohr. Der kommende Sommer ist in Sachen Urlauber schon jetzt ein großer Erfolg, zumal viele Passagiere bereit sind, viel Geld für Flugtickets auszugeben und Premium Economy, Business oder sogar die First Class zu buchen. Langsam aber sicher kommen aber auch die Geschäftsreisenden zurück. Bislang liegt die Nachfrage in dem Segment noch bei 50 Prozent, am Jahresende werden es voraussichtlich 70 Prozent sein. Gleichzeitig hat sich Lufthansa aber vorgenommen, den Kohlendioxid-Ausstoß pro Passagierkilometer bis 2030 um 30 Prozent zu senken.

Gelingen soll das mit großen Investitionen in die Flotte, rund 2,5 Milliarden Euro jährlich. Spohr zufolge werden bis 2025 insgesamt 120 neue Flugzeuge ausgeliefert, bis 2030 mindestens 190. Am Vorabend der Hauptversammlung beschloss der Konzern, noch einmal nachzulegen: Lufthansa bestellte sieben zusätzliche Boeing 787-9, die mit dem Airbus A350 zu den derzeit effizientesten Langstreckenjets zählen, sowie zehn weitere Großraum-Frachter - drei Boeing 777F und sieben größere 777-8F.

Beide Bestellungen stehen allerdings auch im Zusammenhang mit den Lieferproblemen Boeings. Der Hersteller hat gerade den neuen Passagierjet 777-9 von Ende 2023 auf 2025 verschoben, weil sich die Aufsichtsbehörden bei den Zulassungskriterien nicht einig sind und die US-Federal Aviation Administration dem Flugzeugbauer besonders genau auf die Finger schaut. Lufthansa hat 20 der Maschinen fest bestellt und ist massiv von der Verspätung betroffen. Sie konnte also auf großes Entgegenkommen Boeings beim Preis und den Lieferzeiten der neuen Jets setzen, denn eine so große Verzögerung erlaubt den Kunden immer auch, den Auftrag zu kündigen.

Zur Transformation der Lufthansa gehören aber weitere Aspekte: Die Frachtsparte, die im vergangenen Jahr 1,5 Milliarden Euro und im ersten Quartal alleine schon wieder eine halbe Milliarde verdient hat, soll viel größer werden. Würde Lufthansa alle derzeit eingesetzten Maschinen behalten, würde sie mit den neu bestellten die Flotte praktisch verdoppeln. Hinzu kommen 20 Maschinen bei Aerologic, einem Joint Venture mit DHL, auf die Lufthansa teilweise Zugriff hat.

Hingegen sollen der Kreditkartenanbieter Lufthansa AirPlus und die Cateringtochter LSG weiterhin ganz verkauft werden. Der Konzern will auch einen Minderheitsanteil an Lufthansa Technik abgeben, und zwar schon im kommenden Jahr, wenn es nach Spohr geht und es die Marktbedingungen erlauben.

Und Zukäufe? Spohr will erst darüber reden, wenn etwas beschlossen ist. Aber seit Anfang des Monats schaut sich Lufthansa die Finanzdaten von ITA Airways an - ein verbindliches Angebot gemeinsam mit der italienischen Reederei MSC erscheint greifbar nahe.

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