Lufthansa:Piloten verhandeln durch alle Instanzen

Deutsche Lufthansa AG Showcases Latest Virus Safety Measures

Lufthansa-Pilot am Flughafen Frankfurt. Die drei Vertretungen dieser Berufsgruppe sind sich bisher selbst nicht einig geworden.

(Foto: Alex Kraus/Bloomberg)

Die Airline hat nach eigenen Angaben rund 22 000 Mitarbeiter zu viel. Entlassungen sollen vermieden werden - doch die Gespräche gestalten sich äußerst kompliziert.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Den Ernst der Lage hat Lufthansa-Chef Carsten Spohr erst in der vergangenen Woche noch einmal verdeutlicht. Es sei nicht mehr realistisch, ohne betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland durch die Corona-Krise zu kommen, sagte Spohr, nachdem er einen Milliarden-schweren Verlust für das erste Halbjahr und traurige Aussichten für das zweite angekündigt hatte. Rechnerisch habe Lufthansa 22 000 Mitarbeiter zu viel an Bord, so das Unternehmen.

Trotz der schwierigen Lage gehen die Gespräche zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite aber nur langsam voran. Zwar sind viele Beteiligte guten Willens, Kompromisse zu finden, durch die Entlassungen vermieden werden können. Doch die Interessen bei den verschiedenen Gruppen sind zum Teil widersprüchlich, es wird taktiert und oft sind sich die Berufsgruppen selbst nicht einig. Die Gespräche mit der Gewerkschaft Verdi etwa, die Bodenmitarbeiter vertritt, sind laut Unternehmen zäh und haben sehr spät begonnen. Am ehesten scheint eine (vorläufige) Einigung mit der Flugbegleitergewerkschaft Ufo möglich zu sein - der Vorstand empfiehlt den Mitgliedern, bei der bis Freitag laufenden Urabstimmung, den sogenannten Tarifvertrag Krise anzunehmen.

Besonders kompliziert ist die Lage ausgerechnet bei den Piloten, die sich als erste mit der Lufthansa auf die Grundzüge eines Krisenbeitrages geeinigt hatten. Im Prinzip lief das in einem detaillierten "Term Sheet" definierte Modell darauf hinaus, dass nach Ende der Kurzarbeit mehr oder weniger alle Piloten in eine Art Zwangsteilzeit gehen, bis das Geschäftsvolumen wieder für Vollzeit ausreicht. Auch die von Lufthansa seit 2017 garantierte Mindestflottengröße soll ausgesetzt werden. Aber seit der Einigung auf diese Punkte hakt es an mehreren Stellen im Gespräch.

Das Term Sheet hatte die Konzerntarifkommision der Lufthansa-Piloten mit dem Unternehmen verhandelt, doch dann legte der formal zuständige Vorstand der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sein Veto ein. Eine dritte Instanz, die Gruppenvertretung Cockpit bei Lufthansa, war ebenfalls gegen den Deal. Zuletzt trafen sich die Piloten für fünf Tage in Wiesbaden, um in internen Verhandlungen mit Hilfe eines Mediators eine Lösung zu finden. Kaum war die Marathonveranstaltung vorbei, erneuerte die Gruppenvertretung ihre Kritik.

Inhaltlich geht es im Wesentlichen um drei Punkte: Bislang ist die Übergangsversorgung für Piloten, die vor dem Erreichen der durchschnittlichen Altersgrenze von 63 Jahren ausscheiden wollen, nicht insolvenzgesichert. Die Mitarbeiter müssten also befürchten, bei einer möglichen Insolvenz der Lufthansa mit leeren Händen dazustehen. Des Weiteren streiten die Piloten darum, wie mit den Kollegen von Germanwings umzugehen ist; die Fluglinie wird aufgelöst. Eigentlich hatte Lufthansa zugesichert, diese für fünf Jahre zu gleichen Bedingungen bei Eurowings fliegen zu lassen, will davon nun aber in Corona-Zeiten offenbar nichts mehr wissen.

Strategisch bedeutsam ist für die Piloten, wer künftig die Flugzeuge der Ocean GmbH fliegen soll. Ocean ist ein neuer Flugbetrieb, der unter noch zu klärender Marke Ferien-Langstrecken operieren soll. Lufthansa will die ersten 14 Flugzeuge mit Mitarbeitern der Sun Express Deutschland und Brussels Airlines bereedern und erst dann die deutlich teureren Germanwings-Piloten einsetzen. Die Gruppenvertretung kritisiert, es sei gar nicht klar, ob Ocean darüber hinaus in den nächsten Jahren überhaupt zusätzliche Jets bekommt und hat mit der Annahme wohl recht.

Die Flugbegleitergewerkschaft Ufo empfiehlt ihren Mitgliedern hingegen, das Krisenpaket mit der Lufthansa zu genehmigen, obwohl viele Aspekte noch gar nicht geklärt sind und das Verhältnis zwischen Ufo und Lufthansa bis zuletzt zerrüttet war. In der Einigung gibt Lufthansa den Kabinenmitarbeitern eine Beschäftigungsgarantie, die Ufo stimmt im Gegenzug Teilzeitmodellen und freiwilligen Abfindungen zu, deren Höhe noch nicht feststeht. Gewerkschaftsintern heißt es, dies sei zwar ein Dilemma. Andererseits seien genügend andere Tarifverträge offen, um trotz Zustimmung zum Krisendeal noch Druckmittel gegen das Unternehmen in der Hinterhand zu haben.

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