Lufthansa:Flugverkehr wird jetzt deutlich "ruckeln"

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Flugbegleiterinnen am Flughafen in München: Lufthansa sucht derzeit Mitarbeiter. Wird das Personal bald knapp?

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Von diesem Wochenende an bleiben zwei Drittel aller Air-Berlin-Maschinen vorerst am Boden. Die Lufthansa muss auf eine Genehmigung warten. Das hat Folgen für die Passagiere.

Von Caspar Busse

"Das gab es in der Airline-Industrie bisher noch nie", sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr, 50, mit Blick auf die Pleite seines bislang größten deutschen Konkurrenten Air Berlin. An diesem Freitag werden die letzten rot-weißen Maschinen abheben, dann stellt Air Berlin den Flugbetrieb endgültig ein.

80 bis 90 der derzeit insgesamt 140 Air-Berlin-Maschinen bleiben damit vorerst am Boden, sagte Spohr am Mittwoch. Die Jets, der überwiegende Teil gehörte schon nicht mehr Air Berlin, gehen dann teilweise zurück an die Leasinggeber, die diese weitervermieten. Derzeit verhandelt der Air-Berlin-Insolvenzverwalter auch noch mit Easyjet und Condor um die Übernahme von Jets.

"Wie gut Ryanair rechnen kann, sieht man ja an deren Personalplanung"

Wegen des Wegfalls von Air Berlin werde der Flugverkehr in Deutschland in den kommenden Monaten deutlich "ruckeln", sagte Spohr. Eine Stabilisierung sei erst zum Sommer möglich, eine Optimierung gar erst im Winter 2018/2019. Lufthansa will zwar insgesamt 81 Flugzeuge von Air Berlin übernehmen, muss aber erst die Genehmigung der europäischen Kartellbehörde in Brüssel abwarten. Es bestehe derzeit ein sogenanntes "Vollzugsverbot" der EU.

Sämtliche Fluggesellschaften des Konzerns, neben Lufthansa Eurowings, Swiss und Austrian, setzten in nächster Zeit auf den Strecken vor allem nach Berlin und Düsseldorf größere Flugzeuge ein, um die Nachfrage zu befriedigen, sagte Spohr. Teilweise seien sogar Langstreckenjets auf den kurzen Strecken unterwegs, zwischen Berlin und Frankfurt etwa eine Boeing 747. Andere Maschinen würden durch deutlich kleinere Turboprop-Flugzeuge ersetzt, zudem würden weitere Jets von anderen Airlines angemietet. Die Maschinen der nicht insolventen Air-Berlin-Tochter Niki würden dagegen erst einmal weiterfliegen. Das Problem: Die Lufthansa-Tochter Eurowings hatte bisher schon 30 Air-Berlin-Flugzeuge gemietet, auch die müssen teilweise von Samstag an am Boden bleiben.

Umbuchungen nur im Notfall

Lufthansa sucht fieberhaft nach Ersatz. Ziel sei es, alle geplanten Lufthansa- und Eurowings-Flüge durchzuführen, auch die, die bislang von Air Berlin durchgeführt wurden, und nur im Notfall Umbuchungen vorzunehmen. Lufthansa will die beiden Air-Berlin-Firmen Niki und LGW für rund 210 Millionen Euro übernehmen, daneben weitere Jets. Insgesamt würden im kommenden Jahr Kosten von rund 50 Millionen Euro für die Übernahme anfallen, für die Schulung des Personals, den Umbau der Inneneinrichtung oder die Umlackierung der Jets.

Wie lange es Probleme geben wird, hängt auch von der EU-Kommission ab. Sie hat bereits angekündigt, den Fall sehr genau zu prüfen, um ein Monopol von Lufthansa in Deutschland zu verhindern. Es falle durch die Insolvenz von Air Berlin Wettbewerb weg, das sei gefährlich. Man kenne den Markt, die Deutschen seien "ein treuer Kunde von uns", hatte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gesagt.

Spohr wiegelte am Mittwoch ab: "Das ist kein so großes Thema wie allgemein erwartet." Er rechne zwar mit Auflagen, aber "in erträglichem Ausmaß", und hofft auf eine Freigabe der Übernahme noch bis Ende dieses Jahres. Lufthansa sei bereit, bestimmte Start- und Landerechte abzugeben, und habe Erfahrungen mit Übernahmen und der EU-Kartellbehörde, in den vergangenen Jahren wurden bereits Swiss, Austrian Airlines und Brussels gekauft. Besonders Michael O'Leary, der Chef des Billigfliegers Ryanair, hatte zuletzt harsche Kritik an Lufthansa geübt, von einem abgekarteten Spiel und einer Marktbeherrschung gesprochen. Spohr weist das zurück, Lufthansa strebe kein Monopol mit deutlich steigenden Ticketpreisen an. Die Marktanteile der Lufthansa seien auch nicht so hoch wie von Ryanair behauptet, sondern würden derzeit beim Luftverkehr von und nach Deutschland bei 34 Prozent liegen, nach der Air-Berlin-Übernahme bei etwa 41 Prozent.

3000 neue Jobs

"Wie gut Ryanair rechnen kann, sieht man ja an deren Personalplanung", stichelte Spohr und spielte damit darauf an, dass Ryanair zuletzt Tausende Flüge streichen musste, weil nicht genügend Piloten da sind. Ryanair hatte Lufthansa nach Zahl der Passagiere gerade als Nummer eins in Europa abgelöst.

Insgesamt wollen Lufthansa und Eurowings rund 3000 neue Jobs schaffen, die Resonanz von Air-Berlin-Angestellten auf die Ausschreibung sei aber gering. "Zu unserer großen Überraschung haben sich viele Nicht-Air-Berliner beworben", sagte Spohr. Air-Berlin-Piloten etwa würden bei Eurowings ein um durchschnittlich acht bis elf Prozent geringeres Gehalt beziehen. Lufthansa tue genug für die Air-Berlin-Mitarbeiter und werde sich nicht an einer Auffanggesellschaft beteiligen. Diese scheiterte am Mittwoch.

4000 ohne Hilfe

Tausende Mitarbeiter der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin stehen vor der Kündigung. Eine zunächst erhoffte große Auffanggesellschaft für bis zu 4000 Beschäftigte ist vom Tisch. Möglich ist aber noch eine kleine Variante für die Belegschaft in Berlin. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen sagte am Mittwoch nach einem Treffen von Berlin, Nordrhein-Westfalen und Bayern mit dem Bund, man habe sich nicht auf eine Lösung verständigen können. Bayern habe kein Geld geben wollen, Nordrhein-Westfalen und der Bund nur in einem geringen Umfang. Deshalb werde es eine Transfergesellschaft für alle Betroffenen "aller Wahrscheinlichkeit nach nicht geben". Aber den rund 1200 Beschäftigten in Berlin soll geholfen werden. In einer Transfergesellschaft werden Mitarbeiter vorübergehend freiwillig angestellt und in neue Jobs vermittelt. SZ

Die Übernahme der 81 Air-Berlin-Maschinen soll im kommenden Jahr den Umsatz um 1,5 Milliarden Euro erhöhen und von 2019 an für mehr Gewinn sorgen, sagte Lufthansa-Finanzchef Ulrik Svensson am Mittwoch. Ohnehin ist die wirtschaftliche Lage des Lufthansa-Konzerns nach vielen schwierigen Jahren wieder gut. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen einen Rekordgewinn vor Zinsen und Steuern von 1,75 Milliarden Euro, so viel steht nun bereits nach drei Quartalen zu Buche. 2017 sollen es nach Analysten-Schätzungen insgesamt 2,6 Milliarden Euro werden, auch wenn Spohr sich weiter vorsichtig gibt. Die Dividende könnte erhöht werden, die Aktie stieg weiter an. Grund für die gute Entwicklung sind unter anderem der niedrige Kerosin-Preis, höhere Ticketpreise, eine Erholung im Frachtgeschäft sowie ein einmaliger positiver Sondereffekt durch die Neuregelung der Betriebsrenten für Piloten.

Gleichzeitig will Spohr weiter expandieren. Er erneuerte am Mittwoch das Interesse an Teilen der maroden Airline Alitalia. Italien sei nach den USA der wichtigste Auslandsmarkt für die Lufthansa-Gruppe. Man könne Alitalia nach dem Vorbild von Swissair sanieren.

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