Urteil:EU-Gericht kanzelt Kommission wegen Lufthansa-Hilfen ab

Urteil: Das Logo der Lufthansa am Frankfurter Flughafen. Der Konzern hat die Staatshilfen aus der Zeit der Corona-Pandemie bereits wieder zurückgezahlt.

Das Logo der Lufthansa am Frankfurter Flughafen. Der Konzern hat die Staatshilfen aus der Zeit der Corona-Pandemie bereits wieder zurückgezahlt.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Zu Beginn der Corona-Pandemie rettete die Bundesregierung die Deutsche Lufthansa mit sechs Milliarden Euro. Das hätte die EU-Kommission genauer prüfen müssen.

Von Jan Diesteldorf, Straßburg, und Jens Flottau, Frankfurt

Bei der Genehmigung der milliardenschweren Corona-Hilfen für die Lufthansa hat die Europäische Kommission unsauber gearbeitet. Sie hätte den Rettungsplan der deutschen Bundesregierung für die angeschlagene Airline nach Ansicht des EU-Gerichts nicht genehmigen dürfen. "Der Kommission sind mehrere Fehler unterlaufen", teilten die Luxemburger Richter am Mittwoch mit. Der Beschluss der Kommission, die Sechs-Milliarden-Euro-Finanzspritze für Deutschlands größte Fluggesellschaft freizugeben, sei daher nichtig.

Wenn Mitgliedstaaten derartige Subventionen vergeben, hat Brüssel das letzte Wort. Während der Corona-Pandemie hatte die Kommission die Regeln für Staatshilfen gelockert, um den Regierungen mehr Spielraum zu geben.

Aber auch diese gelockerten Regeln verlangen nach sorgfältiger Prüfung, und diese Sorgfalt ließ die Kommission im Fall Lufthansa offenbar vermissen. Die EU-Behörde habe zu Unrecht angenommen, dass sich das Unternehmen die sechs Milliarden Euro nicht selbst am Markt beschaffen konnte, so die Richter: Sie habe weder mögliche Sicherheiten noch die Bedingungen ausreichend geprüft, unter denen die Lufthansa diese hätte beleihen können. Es habe außerdem an Anreizen für eine schnelle Rückzahlung gemangelt, und die Kommission habe nicht ausreichend sichergestellt, dass anderen Fluggesellschaften keine Wettbewerbsnachteile entstehen. Brüssel hatte den Rettungsplan im Juni 2020 genehmigt. Im Jahr darauf hatten die Lufthansa-Konkurrenten Ryanair und Condor gegen den Beschluss geklagt.

Die Kommission kommentierte das Urteil am Mittwoch auf Anfrage nicht. Man werde es prüfen und über weitere Schritte nachdenken, teile die Behörde mit. Sie kann gegen das Urteil noch Berufung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen, dem höchsten EU-Gericht.

Der internationale Luftverkehr war von März 2020 an wegen der Corona-Pandemie praktisch vollständig am Boden, nachdem die meisten Länder Reisebeschränkungen erlassen und ihre Grenzen weitgehend geschlossen hatten. Auf diese Weise wollten sie die Verbreitung des Virus verlangsamen - wie sich bald zeigte, erfolglos. Die Fluggesellschaften mussten den Betrieb bis auf wenige Flüge einstellen. Gleichzeitig hatten die meisten keinen Zugang zu frischen Bankkrediten, mit denen sie die Zeit bis zu einem Neustart hätten überbrücken können.

Weil sich die Lage schnell zuspitzte, beschloss die EU-Kommission am 19. März 2020 ein beschleunigtes Genehmigungsverfahren für Staatshilfen, den "Befristeten Rahmen", damit die Regierungen Europas den Covid-Absturz ihrer Volkswirtschaften besser abfedern konnten. Dadurch sollte auch die europäische Luftverkehrsindustrie am Leben erhalten werden. Nahezu alle großen Fluglinien erhielten damals in der ein oder anderen Form staatliche Hilfen.

Bei Lufthansa ging es um zwei sogenannte stille Einlagen in Höhe von insgesamt 5,7 Milliarden Euro. Außerdem kaufte der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) für 300 Millionen Euro einen Anteil von 20 Prozent an dem Unternehmen. Hinzu kamen Kredite von bis zu drei Milliarden Euro aus Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz, Ländern, in denen Lufthansa große Tochtergesellschaften besitzt.

"Diese hohe Beihilfe wird der Lufthansa bei der Bewältigung der Coronakrise helfen, die den Luftverkehrssektor besonders hart getroffen hat", so die damalige Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager. "Sie ist jedoch mit Auflagen verknüpft, darunter die Gewährleistung einer ausreichenden Vergütung des Staates sowie weitere Vorkehrungen zur Begrenzung von Wettbewerbsverzerrungen." Unter anderem sollte Lufthansa anderen Fluglinien Start- und Landezeiten an den Drehkreuzen in Frankfurt und München zur Verfügung stellen.

Die praktischen Folgen des Urteils für Deutschlands größte Fluggesellschaft dürften gering sein. Sie hatte die Staatshilfen bis November 2021 zurückgezahlt, als sie wieder Zugang zum Kapitalmarkt hatte und Anleihen begeben konnte. Der WSF hatte seinen Anteil am Konzern 2022 verkauft.

In einem ähnlichen Urteil waren Staatshilfen für die Ferienfluggesellschaft Condor für rechtswidrig erklärt worden. Die Kommission durfte aber eine bessere Begründung nachreichen, welche das Gericht dann 2021 akzeptierte. Ob es diesmal ähnlich läuft, dürfte erst nach einem etwaigen EuGH-Urteil feststehen.

Die Staatshilfen für die europäische Luftverkehrsindustrie waren 2020 kurzfristig wichtig, weil sie den Kollaps zahlreicher Firmen verhinderten. Sie wirken auch insofern nach, als sich die Struktur des Sektors kaum verändert hat. Billigfluglinien wie Ryanair und Wizz Air argumentieren seit Jahren gegen die Staatshilfen, weil sie erreichen wollen, dass sich der stark zersplitterte Sektor durch Pleiten konsolidiert.

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