Lufthansa:"Durch günstige Preise neue Märkte schaffen"

Christoph Franz, künftiger Lufthansa-Chef, über die Verluste im Europageschäft, den Sparkurs seines Konzerns und den Wettbewerb durch die Billig-Konkurrenz.

Jens Flottau

Christoph Franz ist seit Juni stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Lufthansa. Er soll voraussichtlich Ende 2010 Wolfgang Mayrhuber an der Spitze des Konzerns nachfolgen. Derzeit ist Franz in der Gruppe für das Fluggeschäft verantwortlich und muss damit auch die größten strukturellen Probleme lösen. Der 49jährige war zuvor Chef der Lufthansa-Tochter Swiss, dort hat er sich mit der gelungenen Sanierung einen Namen gemacht. Von 1992 bis 1994 war er Mitglied im Sanierungsteam des damaligen Lufthansa-Vorstandschefs Jürgen Weber, das das Unternehmen vor der Pleite bewahrt hat. Anschließend machte Franz Karriere bei der Bahn, wo er es bis in den Konzernvorstand schaffte. Wegen des gescheiterten neuen Preissystems musste er dort 2003 gehen. Ein Jahr später ging er zu Swiss, die Airline wurde von Lufthansa übernommen.

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Die Langstreckenverbindungen sind nicht mehr so profitabel, dass sie Verluste im Europaverkehr der Lufthansa kompensieren könnten.

(Foto: Foto: ddp)

SZ: Herr Franz, warum hat Lufthansa erst jetzt erkannt, dass es so wie bisher nicht weitergeht?

Christoph Franz: Wir haben uns auch in der Vergangenheit sehr erfolgreich weiterentwickelt, sonst stünde Lufthansa nicht so gut da. Trotzdem stellen wir fest, dass sich auf unseren Märkten der Wettbewerb in den vergangenen fünf Jahren ganz erheblich verschärft hat. Nehmen Sie nur das Beispiel Indien: Früher sind wir fast als einzige Airline nach Bangalore geflogen und haben auf dieser Strecke gute Preise erzielt. Heute fliegt Emirates dort drei- oder viermal am Tag hin, unser Marktanteil ist deutlich zurückgegangen und das Preisniveau ist massiv gesunken.

SZ: Das ist gut für die Kunden.

Franz: Ja, aber es zwingt uns, im Europaverkehr Geld zu verdienen. Wir können heute nicht mehr defizitäre Verbindungen mit profitablen Langstrecken quersubventionieren. Unser Europageschäft muss sich also aus sich heraus rechnen. Dort aber machen uns die Billigfluggesellschaften harte Konkurrenz.

SZ: Reagiert Lufthansa nicht zu spät?

Franz: Vielleicht haben wir die Brutalität des Wettbewerbs durch die Billig-Airlines unterschätzt, und da nehme ich mich selbst nicht aus. Wenn sich dadurch im Unternehmen eine gewisse Selbstzufriedenheit gehalten hat, dann ist das heute jedenfalls vorbei.

SZ: Zumal Air Berlin jetzt auf einer Ihrer profitabelsten Strecken, also zwischen Frankfurt und Hamburg, fliegt.

Franz: Das macht unseren Mitarbeitern noch deutlicher, dass es so wie bisher nicht weitergeht. Mittlerweile fliegen wir auf rund 100 Strecken in direkter Konkurrenz zu Billigfliegern.

SZ: Es heißt intern, Sie wollten die Stückkosten, also jene, die ein Passagier pro Kilometer Flug verursacht, um 40 Prozent senken. Das klingt nach unglaublich viel?

Franz: Stimmt. Aber selbst dann können wir nicht sicher sein, ob wir im Direktverkehr in Europa profitabel sein werden. Und unsere Kosten werden immer noch deutlich höher sein, als die etwa von Air Berlin. Wir müssen also handeln.

SZ: Können Sie das erklären?

Franz: Wir liegen heute in einigen Kostenpositionen um bis zu 80 Prozent über den Kosten unserer Wettbewerber. Es wäre illusorisch anzunehmen, dass wir auf das Kostenniveau der Billigairlines kommen. Aber wir müssen die bestehende Lücke deutlich verkleinern, um konkurrenzfähig zu bleiben. Den verbleibenden Unterschied müssen wir durch einen höheren Umsatz pro Passagier wettmachen.

SZ: Welche Regionen sind denn für Sie besonders schwierig?

Franz: Bei Direktflügen zwischen europäischen Städten sind die Ergebnisse nicht erst 2009 negativ. Bei unseren Drehkreuzen in Frankfurt und München sieht das anders aus. Wir haben in den letzten Jahren stark in den Ausbau der Langstreckenflotte investiert und haben Umsteiger aus unserem eigenen und dem Netz der Star Alliance bekommen. Irgendwann werden wir aber durch Partnerschaften nicht mehr wachsen können. Wir müssen wieder selbst in die Kurz- und Mittelstrecken investieren und das geht eben nur mit dem entsprechenden Kostenniveau.

Auf jeder Strecke größere Flugzeuge füllen

SZ: Noch einmal: Wie wollen Sie die Kosten um 40 Prozent senken?

Lufthansa: Will die Kosten pro Passagier und Kilometer deutlich senken: der designierte Lufthansa-Chef Christoph Franz.

Will die Kosten pro Passagier und Kilometer deutlich senken: der designierte Lufthansa-Chef Christoph Franz.

(Foto: Foto: Reuters)

Franz: Wir werden das etwa zur Hälfte dadurch schaffen, dass wir größere Flugzeuge einsetzen, die pro Sitz billiger zu betreiben sind. Wir müssen produktiver werden und die Maschinen pro Tag etwa eine Stunde länger fliegen lassen. Die Mitarbeiter müssen ebenfalls produktiver werden. Und wir verhandeln mit internen und externen Lieferanten über Kostensenkungen.

SZ: Wenn auch ihre Piloten produktiver sein sollen, dann müssen Sie das mit ihrer Gewerkschaft VC aushandeln. Gibt es eine Chance auf einen Kompromiss?

Franz: Umso wichtiger ist es, dass wir mit unseren Piloten ein gemeinsames Verständnis erreichen. Denn wir denken uns ja keine Schauermärchen aus, sondern all die Marktveränderungen, die uns betreffen, sind real. Wenn die VC beispielsweise mit einer Air Berlin günstige Tarifverträge unterschreibt, auf einem deutlich niedrigerem Niveau verglichen mit Lufthansa, dann braucht sich niemand zu wundern, dass dadurch bei uns der Markt- und Konkurrenzdruck erheblich wächst. Mit den entsprechenden Konsequenzen.

SZ: Die großen Flugzeuge müssen aber auch gefüllt werden. Mit den bisherigen Preisen werden Sie das aber nicht schaffen, oder?

Franz: Stimmt, aber die gute Nachricht ist: Wir können praktisch auf jeder Strecke auch größere Flugzeuge füllen, Nachfrage ist stimulierbar. Schauen Sie sich an, was in Köln passiert ist, als 2002 Germanwings und Hapag-Lloyd Express gestartet sind. Die beiden neuen Anbieter haben dort so günstige Preise anbieten können, dass die kleineren Maschinen mit weniger Passagieren von einem Tag auf den anderen nicht mehr konkurrenzfähig waren.

SZ: Das werden Sie auch tun müssen?

Franz: Ja, wir müssen durch günstige Preise zusätzliche Märkte schaffen.

SZ: Es gibt ja auch Überlegungen, einfach ihre Billig-Tochter mehr Strecken fliegen zu lassen, auf der die Lufthansa wegen der hohen Kosten kein Geld mehr verdient. Ist das für Sie eine Option?

Franz: Ich bin da ganz undogmatisch. Aber letztlich würden wir mit so einem Schritt ja eingestehen, dass Lufthansa das selbst nicht hinbekommt. Germanwings sollte selbst entscheiden, wo sie fliegen wollen. Wenn wir denen von oben herab aus dem Konzern anordnen würden, dieses oder jenes zu tun, wäre das das sichere Ende der Erfolgsstory von Germanwings.

SZ: Es gibt eine Debatte darüber, ob der Markt für die Fluggesellschaften nach der Krise jemals wieder so gut wird wie davor.

Franz: Die Nachfrage wird sich normalisieren, aber niemand in unserem Haus ist so naiv zu glauben, dass wir das alte Erlösniveau wieder erreichen. Deswegen haben wir ja auch schon reagiert und wollen die Auslieferung von einigen Flugzeugen verschieben.

SZ: Wie viele Airbus A380 bekommen Sie denn nun nächstes Jahr? Bleibt es bei den fünf wie geplant?

Franz: Wir hoffen das, unsere erste A380 wollen wir im nächsten Sommerflugplan einsetzen. Aber wir hören natürlich auch, dass Airbus nach wie vor die Produktion nicht auf dem angepeilten Niveau hat. Deswegen können wir heute noch nicht mit letzter Gewissheit sagen, wie viele A380 wir in 2010 insgesamt erhalten werden.

SZ: Trotzdem haben Sie die hoch verschuldete Austrian Airlines übernommen. Warum?

Franz: Ja, aber so etwas wie Austrian kann man sich nur einmal leisten und auch nur dann, wenn man selbst keine Schulden hat. Dazu haben wir ausführliche Gespräche mit allen Beteiligten geführt, denn Austrian war, als wir den Vertrag unterschrieben haben, in einem deutlich besseren Marktumfeld tätig als in dem Moment der Übernahme. Ich bin, was Austrian angeht, optimistisch.

SZ: Bedeuten denn die vielen internen Probleme, die Sie lösen müssen, dass die Lufthansa erst einmal die Finger von Übernahmekandidaten wie SAS lässt?

Franz: Wir können nicht alle Probleme gleichzeitig lösen und müssen darauf achten, was wir im Management alles leisten können. Im Moment sind wir stark gefordert, die neuen Mitglieder der Gruppe, also Austrian, BMI und Brussels Airlines, zu integrieren und gleichzeitig unsere internen Themen zu beackern.

SZ: Verkaufen Sie BMI wieder?

Franz: Das werden wir sehen. Jetzt müssen wir dem Unternehmen zunächst helfen, sich neu aufzustellen. Wir hatten in der Vergangenheit, als wir nur mit 30 Prozent beteiligt waren, kaum Einflussmöglichkeiten im Aufsichtsrat von BMI.

SZ: Sie sind auch an der New Yorker Billig-Fluggesellschaft JetBlue beteiligt. Was können Sie von denen lernen?

Franz: Einiges. Beispielsweise wie man erfolgreich sehr effizient arbeitet. JetBlue hat nur zwei Flugzeugtypen für ihr gesamtes Streckennetz und noch viele andere interessante Beispiele für kostengünstige Abläufe. Ich habe unseren Leuten gesagt, dass wir uns das anschauen sollten.

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