Süddeutsche Zeitung

Luftverkehr:Antisemitismus-Vorwürfe gegen Lufthansa

Mitarbeiter der Fluggesellschaft verweigern jüdischer Reisegruppe Weiterflug, weil einige der Passagiere gegen die Maskenpflicht verstoßen hatten. Die Airline entschuldigte sich öffentlich.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Am Dienstag hatte Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei der Hauptversammlung des Konzerns seinen großen Auftritt vor den Aktionären. Er erklärte ihnen, wie wichtig der Luftverkehr für die Völkerverständigung und den Frieden sei. Die Lufthansa verbinde schließlich Menschen, Kulturen und Volkswirtschaften. Aber nur wenige Stunden nach der Rede sah sich das Unternehmen schweren Vorwürfen des Antisemitismus ausgesetzt und musste sich ausführlich öffentlich entschuldigen.

Passiert war Folgendes: Eine Gruppe von rund 130 streng religiösen Juden waren am Abend des 3. Mai an Bord einer Lufthansa-Maschine von New York nach Frankfurt geflogen und wollte am nächsten Morgen mit Flug LH 1334 nach Budapest für eine jährliche Pilgerfahrt weiterreisen. Dem Vernehmen nach hielten sich einige der Passagiere auf dem Flug nach Frankfurt nicht an die Maskenpflicht an Bord, obwohl sie von Flugbegleitern und dem Kapitän dazu aufgefordert wurden. Die Crew meldete die Vorkommnisse in einem Bericht. Daraufhin entschied das Bodenpersonal, nicht nur diejenigen, die gegen die Vorschriften verstoßen hatten, sondern die gesamte Gruppe nicht nach Budapest weiterfliegen zu lassen.

Auf Twitter entschuldigt sich der Konzern

Der New Yorker Abgeordnete Simcha Eichenstein schrieb auf Twitter, es handele sich um einen Fall von krasser Diskriminierung. Die Berichte seien "zutiefst verstörend." Eine gesamte Gruppe sei wegen der Religionszugehörigkeit diskriminiert worden. Die Entschuldigung der Lufthansa sei das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sei. Die grüne Bundestagsabgeordnete Marlene Schönberger schrieb, es müsse Konsequenzen haben, sollten sich die Berichte erhärten. "Jüdinnen und Juden von einem Flug auszuschließen, weil sie als jüdisch erkennbar waren, ist ein Skandal. Besonders von deutschen Unternehmen erwarte ich ein Bewusstsein für Antisemitismus." Die Amadeu Antonio Stiftung betonte: "Im Flugzeug keine Maske tragen zu wollen ist nicht OK. Wenn daraufhin aber ALLEN Reisenden, die durch ihr Aussehen von der Lufthansa als ultraorthodoxe Jüd:innen identifiziert werden, die Weiterreise untersagt wird, ist das schlichtweg Antisemitismus."

Lufthansa hatte ebenfalls auf Twitter ein langes Statement veröffentlicht und sich bei den Passagieren entschuldigt. "Lufthansa nimmt den Vorfall sehr ernst und arbeitet intensiv weiter an der Aufklärung. Ungeachtet davon bedauern wir, dass der größeren Gruppe die Weiterreise nicht ermöglicht wurde, anstatt diese Entscheidung auf einzelne Personen zu beschränken." Die Airline entschuldigte sich bei den Reisenden auch dafür, "dass ihre persönlichen Gefühle verletzt wurden." Die Ereignisse stünden "nicht im Einklang mit unseren Werten. Es gibt keine Toleranz gegenüber Rassismus, Antisemitismus oder Diskriminierung jeder Art."

Die Maskenpflicht bereitet den Fluggesellschaften praktisch seit ihrer Einführung zu Beginn der Corona-Pandemie häufig Ärger. In den USA war die Zahl der sogar handgreiflichen Auseinandersetzung mit Masken-Verweigerern an Bord deswegen massiv angestiegen. Nun ist sie dort nach einem Gerichtsbeschluss auf Inlandsflügen gefallen. Auf Lufthansa-Flügen gilt sie jedoch auf Basis des deutschen Infektionsschutzgesetzes weiterhin. Konzerntochter Swiss hat sie hingegen bereits abgeschafft, weil die Schweiz Masken nicht mehr vorschreibt.

Einige Behörden empfehlen ein Ende der Maskenpflicht

Nun kommt aber wohl auch in der Europäischen Union Bewegung in die Sache. Die European Union Aviation Safety Agency (EASA) und das European Center for Disease Control (ECDC) empfahlen den Mitgliedsstaaten am Mittwoch, die Maskenpflicht an Bord und am Flughafen von kommender Woche an fallen zu lassen. Passagiere sollen dann selbst entscheiden können, ob sie Masken tragen wollen oder nicht.

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