Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Was hinter dem überraschend hohen Lufthansa-Gewinn steckt

Zweieinhalb Jahre nach der Fast-Insolvenz läuft es für die Fluggesellschaft wieder richtig gut. Woran das liegt - und wo Lufthansa nach wie vor Probleme hat.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Wie Carsten Spohr die nächsten fünf Jahre verbringen wird, dürfte ihm spätestens seit Donnerstagnachmittag klar sein. Der Aufsichtsrat hat da seinen Vertrag als Vorstandsvorsitzender der Lufthansa vorzeitig um fünf Jahre verlängert. Er weicht damit auch von der bisherigen, zumindest informellen Regel ab, nach der Lufthansa-Vorstände mit 60 aufzuhören haben. 2028 wird Spohr 62 Jahre und - wenn er bis dahin durchhält - 14 Jahre im Amt sein.

Sollte Spohr mit seiner Prognose recht behalten, dann kann er sich auf die nächsten fünf Jahre freuen. "Wir dürfen mit großer Zuversicht in die Zukunft schauen", versprach er am Freitag bei der Jahrespressekonferenz in der Frankfurter Konzernzentrale. Denn der Markt für Flugreisen boomt nach wie vor. Im ersten Quartal werden die durchschnittlichen Preise um rund 20 Prozent steigen, im zweiten wird es laut Finanzvorstand Remco Steenbergen für die Kunden noch teurer, ohne dass dies bislang Folgen für die Nachfrage erkennen lässt: "Wir haben unsere hohen Kosten erfolgreich an unsere Kunden weitergeschoben", sagt Steenbergen. 2023 soll der Gewinn demnach weiter steigen, 2024 eine operative Gewinnmarge von acht Prozent erreicht werden. Spätestens Ende nächsten Jahres will Lufthansa auch bei der Zahl der Passagiere an das Vor-Corona-Jahr 2019 anknüpfen.

Eigentlich kaum zu glauben, dass es nach der schwersten Krise - 2020 stand Lufthansa wegen des Stillstands im Luftverkehr knapp vor der Insolvenz - so schnell wieder bergauf gegangen ist. Die Bundesregierung musste die Fluggesellschaft mit milliardenschweren Hilfen retten. Geld, das Lufthansa inzwischen zurückgezahlt hat.

Spätestens seit dem Ostergeschäft 2022 und dem Ende der Omikron-Welle gab es kein Halten mehr. Bereits im vergangenen Sommer bildeten sich im Reisechaos lange Schlangen, Flüge verspäteten sich oder wurden ganz abgesagt, Reisegepäck blieb auf der Strecke.

Allerdings war das Chaos im vergangenen Jahr bei genauerem Hinsehen nicht das Einzige, was zu wünschen übrig ließ. Zwar machte der Konzern einen operativen Gewinn von 1,5 Milliarden Euro, das siebtbeste Ergebnis aller Zeiten. Der Umsatz verdoppelte sich auf 32 Milliarden Euro. Aber alleine die Frachtsparte Lufthansa Cargo kam auf einen operativen Gewinn von 1,6 Milliarden und die Wartungstochter Lufthansa Technik auf 500 Millionen. Sprich: Im Passagiergeschäft schrieb das Unternehmen noch rote Zahlen, es lief ein Verlust von 300 Millionen Euro auf.

Besonders peinlich: Swiss allein machte einen Gewinn von 470 Millionen, und selbst die notorisch defizitäre Austrian schaffte mit drei Millionen einen Minigewinn. 2023, so verspricht Spohr, sollen aber auch die Kernmarke Lufthansa Airlines und Eurowings schwarze Zahlen schreiben.

Lufthansa kann das Geld gut gebrauchen

Die Gewinne werden angesichts der anstehenden Investitionen dringend benötigt. Der Aufsichtsrat verlängerte am Donnerstag nicht nur Spohrs Vertrag, sondern segnete auch den Kauf von 22 zusätzlichen Langstreckenflugzeugen ab, Listenpreis: 7,5 Milliarden US-Dollar. Bis 2030 wird das Unternehmen rund 200 neue Jets übernehmen, allein 35 im laufenden Jahr. Im kommenden Jahr will Lufthansa noch mehr als 100 neue Regionalflugzeuge bestellen.

Auch ganze Fluglinien will Spohr zukaufen. "Wir müssen internationaler werden", fordert er. Schon heute mache Lufthansa nur noch 30 Prozent des Umsatzes in Deutschland. Die exklusiven Verhandlungen über einen Einstieg bei italienischen ITA Airways liefen "sehr gut". Und auch eine Übernahme von TAP Air Portugal kann sich Spohr vorstellen: "Wenn irgendwo ein Kauf ansteht, werden wir interessiert mit am Tisch sitzen."

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