Lufthansa:"Das Schlimmste liegt hinter uns"

Lufthansa-Maschinen am Boden

Vorübergehen stillgelegt: Die Maschinen der Lufthansa stehen derzeit häufig am Boden.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Schon wieder muss Lufthansa-Chef Carsten Spohr Horrorzahlen verkünden - trotzdem ist er optimistisch. Wie passt das zusammen?

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die ersten drei Monate des Jahres hätten aus Sicht von Lufthansa nicht ernüchternder sein können. Statt des erhofften Aufschwungs und der Rückkehr des großen Langstreckennetzes dominieren Zahlen wie diese: Die Zahl der Passagiere lag nur bei gut zehn Prozent des Niveaus von 2019, die Auslastung um 32 Prozentpunkte schlechter. Der Umsatz war 60 Prozent niedriger als vor einem Jahr, als die Auswirkungen der Corona-Pandemie schon zu spüren waren. Und immer noch muss die Fluggesellschaft für ein Quartal einen Milliardenverlust ausweisen - mit 1,05 Milliarden Euro war dieser immerhin nur halb so hoch wie vor einem Jahr.

"Der Start war nicht das, was wir uns erhofft haben", räumte also Konzernchef Carsten Spohr ein. Doch wer damit gerechnet hatte, dass der Lufthansa-Vorstandsvorsitzende angesichts der immer noch massiven Unsicherheit, der ständigen Lockdowns und schlechten Pandemie-Nachrichten entgegen seines Naturells in Pessimismus verfallen würde, sah sich getäuscht. Ganz im Gegenteil: "Das Schlimmste ist vorbei", sagte er, als er Finanzanalysten die neuesten Geschäftszahlen präsentierte. Lufthansa werde sich nun auf eine starke Erholung um zweiten Halbjahr vorbereiten.

"Die Leute wollen reisen", ist Spohr überzeugt. "Wenn es sicher ist, dann buchen und fliegen sie auch." Aus seiner Sicht sind die Voraussetzungen dafür mehr und mehr gegeben. Die Zahl der Geimpften steigt in den für Lufthansa wichtigen Ländern rapide an, also vor allem in der Europäischen Union und den USA. Tests sind mittlerweile breit verfügbar. Immer mehr Regierungen und die Europäische Union würden sich dazu bekennen, Geimpften mehr Freiheiten auch beim Reisen einzuräumen. Vom Tourismus besonders abhängige Länder wie Griechenland oder Kroatien würden schon jetzt die Grenzen für amerikanische Touristen öffnen - und dann sei auch nicht mehr zu verhindern, dass diese innerhalb der EU reisten, daher sei eine Regelung für Europa insgesamt dringend nötig.

Lufthansa rechnet damit, dass sie 2021 insgesamt rund 40 Prozent der Vorkrisenkapazität anbieten wird. Das ist am untersten Ende der Erwartungen, die einst bei bis zu 60 Prozent lagen, allerdings vor der dritten Infektionswelle und den Virusmutanten. Auch in diesem Jahr wird der Konzern noch Verluste schreiben, allerdings deutlich weniger als 2020. Im kommenden Jahr ist dann Gewinn wieder fest eingeplant, auch dank drastischer Kostensenkungen.

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Mit dem Aktenkoffer um die Welt: Geschäftsreisen kommen wieder, hofft Spohr.

(Foto: Johannes Simon)

Im Sommer 2021 will Lufthansa rund die Hälfte der Sitze aus dem Jahr 2019 anbieten, aber wenn es besonders gut läuft, kann der Konzern kurzfristig auf bis zu 70 Prozent aufstocken. Private Reisen und Urlauber werden schneller zurückkehren, aber Spohr machte auch deutlich, dass er den Pessimismus vieler beim Geschäftsreiseverkehr nicht teile. Dieser werde zwar länger unter dem früheren Niveau bleiben, aber 2024 wieder bei 80 Prozent liegen. Große Chancen sieht er auf der Langstrecke in der Premium Economy Class, die für Lufthansa besonders profitabel sei.

Strategisch gesehen bleibt es das wichtigste Ziel der Lufthansa, die Staatshilfen in Höhe von insgesamt neun Milliarden Euro, die sie im vergangenen Jahr bekommen hat, schnell zurückzuzahlen und auszulösen. Dafür will sie sich am kommenden Dienstag von der Hauptversammlung als eine Art Vorratsbeschluss eine Kapitalerhöhung von bis zu 5,5 Milliarden Euro genehmigen lassen. Dies entspricht der Höhe der stillen Beteiligungen des Bundes und ist laut Finanzvorstand Remco Steenbergen nur ein "technischer Wert" - die tatsächliche Kapitalerhöhung sei notwendig, werde aber nicht so hoch ausfallen. Wann genau Lufthansa den Schritt gehen werde, sei noch nicht entschieden und hänge vor allem von den Marktbedingungen ab. Die Kapitalerhöhung könne noch im Laufe dieses Jahres oder erst 2022 stattfinden. Wenn Lufthansa die Staatshilfen schneller zurückzahlt, vermeidet sie stark steigende Zinsen. Dem Management ist die Beteiligung des Bundes in Höhe von 20 Prozent sowieso ein Dorn im Auge.

Für die Mitarbeiter sind die schlimmen Zeiten allerdings noch nicht vorbei. Seit März 2020 hat Lufthansa 24 000 Vollzeitstellen abgebaut und hat nun noch 93 500; davon 52 200 in Deutschland. Laut Spohr sind das immer noch 10 000 Stellen zu viel, deswegen müssen vor allem mit den Bodendienstmitarbeitern und den Piloten neue Einigungen erreicht werden. Zwar gibt es für beide Gruppen Krisenvereinbarungen, aber die reichen nur bis ins Jahr 2022. Spohr machte deutlich, dass im schlimmsten Fall auch betriebsbedingte Kündigungen anstehen. Allerdings setzt er darauf, dass vor allem die Piloten sich eher auf Modelle der Zwangsteilzeit einlassen, als Arbeitsplätze dauerhaft zu verlieren. Was die Kosten angehe, mache dies kein Unterschied, so Spohr.

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