Luftfahrtmesse Farnborough:Genug bestellt

Die Flugzeughersteller Airbus und Boeing bekommen die Zurückhaltung der Fluggesellschaften zu spüren. Auf einen Markt hoffen sie deswegen besonders.

Von Jens Flottau, Farnborough

Richard Branson machte den Mund auf und war drauf und dran, loszulegen, für wie unsinnig er die Entscheidung seiner Landsleute hält, Großbritannien aus der Europäischen Union herauszulösen. "Ich bin sehr in Versuchung", sagte der Milliardär noch, aber dann stoppte er sich und wandte sich dem zu, was ihm in diesem Moment noch wichtiger erschien: Seine Fluggesellschaft Virgin Atlantic Airways hat am Eröffnungstag der Farnborough Airshow in der Nähe Londons acht Langstreckenmaschinen des Typs Airbus A350-1000 gekauft. Der Auftrag ist zumindest indirekt ein Indiz dafür, dass den britischen Fluggesellschaften trotz Brexit noch nicht jeder Mut verlassen hat.

In den nächsten Tagen werden Boeing und Airbus dem Vernehmen nach Flugzeugbestellungen im Milliardenvolumen bekannt geben, aber eher nicht von europäischen Kunden, sondern unter anderem von Go Air (Indien) und Air Asia (Malaysia). Die Bestellungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die beiden Flugzeughersteller lange nicht mehr so viele Maschinen verkaufen wie in den vorigen Jahren. "Wir werden uns anstrengen müssen, wenn wir in diesem Jahr nicht bei weniger Bestellungen als Auslieferungen landen wollen", gesteht Airbus-Verkaufschef John Leahy ein. Der Konzern hat seinen Investoren versichert, dass der Auftragsbestand trotz Flaute weiter zunehmen wird. Doch bis Ende Juni hatten Fluggesellschaften und Leasingunternehmen nur Verträge für 227 Jets unterschrieben, während Airbus etwa 700 ausliefern will. Diese Zurückhaltung hat verschiedene Gründe. Der wichtigste: Die Fluggesellschaften haben sich jahrelang dermaßen mit neuen Flugzeugen eingedeckt, dass sie auch bei den aktuellen Wachstumsraten von rund sechs Prozent für die Branche insgesamt bis auf Weiteres gut versorgt sind. Hinzu kommt, dass manche derzeit lieber Vorsicht walten lassen: So hat etwa die amerikanische Billigfluggesellschaft Southwest gerade Auslieferungen für etwa 60 Boeing 737 verschoben, um Investitionen zu strecken.

Airbus-Chef Fabrice Brégier warnt indes davor, solche Entscheidungen überzubewerten. "Wir sind nicht mehr das Zentrum der Welt", sagt er mit Blick auf einen womöglich vom Brexit ausgelösten bevorstehenden Abschwung in Europa. "Ich denke nicht, dass dies Einfluss haben wird auf den Verkehr innerhalb von China." Nach den Marktprognosen, die Airbus und Boeing gerade in Farnborough aktualisiert haben, sind die chinesischen Inlandsrouten in 20 Jahren der größte Einzelmarkt im Luftverkehr, derzeit sind sie noch deutlich kleiner als der Inlandsverkehr in den USA oder die Routen innerhalb der EU.

Leahy betont zudem, dass es zumindest Airbus gelungen sei, die Produktion von den jährlich schwankenden Aufträgen abzukoppeln. Derzeit hat der Flugzeughersteller sowieso eher das Problem, die Tausende Flugzeuge überhaupt zu bauen, die seine Kunden bestellt haben - mehr als 5000 sind es derzeit bei den Kurz- und Mittelstreckenjets, etwa 800 bei den Maschinen der A350-Baureihe. Nachdem die Auslieferungen der neuen Kurz- und Mittelstreckenmaschinen A320neo im ersten Halbjahr praktisch zum Erliegen gekommen sind, weil Triebwerkshersteller Pratt & Whitney die neuen Motoren nachbessern musste, steht Airbus unter enormem Druck, den Zeitverlust aufzuholen. Pratt hat mittlerweile Triebwerke geliefert, die vor dem Anlassen nicht mehr minutenlang vorgekühlt werden müssen: In der zweiten Julihälfte werden die Jets nun unter anderem an Lufthansa ausgeliefert, auch die Version mit Motoren des CFM International-Konsortiums stehen bereit.

Sorgen bereiten die Riesenjets des Typs A380. Noch 126 Aufträge verbleiben, bei den aktuellen Produktionsraten ist das rechnerisch ausreichend für fünf Jahre. Doch nicht alle der Aufträge scheinen in Stein gemeißelt zu sein. Selbst Virgin Atlantic-Chef Craig Kreeger konnte Airbus da wenig Hoffnung machen. Virgin hat zwar sechs der Maschinen bestellt, "aber wir haben das Recht, den Auftrag nicht auszuüben", so Kreeger.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: