Luftfahrt:Rückkehr der "Do328"

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Entwickelt und gebaut in Bayern: eine Dornier 328, aufgenommen 1998 auf dem Flughafen München. (Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Amerikanische Investoren wollen die zweimotorige Turboprop wieder fertigen - in der Türkei.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Im Jahr 2008 stand in den Werkshallen von Dornier in Oberpfaffenhofen bei München ein fast fertiges Flugzeug des Typs Dornier 328 JET. Das war insofern überraschend, weil es dieses Flugzeug eigentlich gar nicht mehr geben sollte. Sechs Jahre zuvor war der deutsch-amerikanische Hersteller Fairchild Dornier in die Insolvenz geschlittert, einige Zeit später wurde auch die Produktion des einst erfolgreichen Regionalfliegers eingestellt. Doch als der ehemalige Formel 1-Rennfahrer Gerhard Berger Interesse an der Maschine hatte, wurde diese noch fertig gebaut. Seither nutzt er sie als Privatjet.

Das, so glaubten die meisten damals, war dann das Ende der legendären Geschichte der Dornier-Flugzeuge, der letzten Passagierjets, die vollständig in Deutschland entwickelt und gebaut wurden. Doch weit gefehlt. Es geht weiter, zwar nicht in Oberpfaffenhofen, sondern vermutlich in Ankara oder Istanbul. Aber immerhin: Dornier lebt, irgendwie.

Die Geschichte bis dahin ist reich an Wendungen, die Kurzfassung geht so: Übrig geblieben war in Oberpfaffenhofen bis zuletzt eine kleine Firma, die die Rechte an der 33-sitzigen Turboprop 328 und der nahezu baugleichen Düsenmaschine 328JET hielt und die außerdem Ersatzteile vertrieb. Im Februar diesen Jahres übernahm die amerikanische Gesellschaft Sierra Nevada Corporation (SNC), die in diversen Luft- und Raumfahrtfeldern aktiv ist und rund 4000 Mitarbeiter hat, die Rechte an der 328 und den Wartungsbetrieb. Über ihre Pläne verrieten die Amerikaner nicht viel. Doch nun kommt Licht ins Dunkel.

Sierra Nevada ist in Besitz von Eren und Fatih Ozmen, die einst aus der Türkei ausgewandert waren, um ihr Glück in den USA zu finden. Doch nun zieht es sie in die alte Heimat, die gerade einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt. Auch in der Luftfahrt. Die teilstaatliche Turkish Airlines macht etablierten Fluggesellschaften wie Lufthansa und Air France, aber auch Emirates und Qatar Airways zunehmend Konkurrenz. In Istanbul entsteht ein gigantischer neuer Flughafen. Die bis zur Wahl am vergangenen Wochenende allein regierende AKP, die vermutlich auch weiterhin das Sagen haben wird, hat sich zudem zum Ziel gesetzt, eine eigene Luftfahrtindustrie aufzubauen, die nicht nur Komponenten, sondern ganze Flugzeuge bauen soll.

Da kamen die Ozmens mit ihrer 328 gerade recht. Sie sollen in Zusammenarbeit mit der türkischen Technologiegruppe Savunma Teknolojileri Mühendislik va Ticaret (STM) und mit großzügiger Unterstützung der Regierung nun in der Türkei eine Endmontagelinie für 328 und 328JET aufbauen. Rund 1,5 Milliarden Dollar an Investitionen in Infrastruktur und Vorarbeiten sind dafür veranschlagt. 2019 sollen die ersten Maschinen ausgeliefert werden. Und nicht nur das: Auf Basis der 328 soll bis 2023 ein weitgehend neu entwickelter 60-Sitzer ausgeliefert werden. Vermarktet werden die Maschinen unter dem Namen TRJ328, T328 sowie TRJ628/T628.

Die türkische Regierung behauptet, für den 30- und den 60-Sitzer gebe es einen großen Bedarf, weil viele Inlandsstrecken mit größeren Flugzeugen nicht profitabel bedient werden können. Doch ob die Flugzeuge auch außerhalb der Türkei genügend Kunden finden werden, bleibt abzuwarten.

Schon die ursprüngliche 328 war zwar technologisch ein Erfolg, kommerziell aber ein Flop. 107 Turboprops und 110 Jets der Serie wurden gebaut, zu wenig, um die Entwicklungskosten hereinzuholen. In den 90er Jahren hatten die Fluggesellschaften Bedarf an größeren Regionaljets mit mindestens 50 und später 70 oder 90 Sitzen. Die damalige Fairchild Dornier entwickelte daraufhin eine Flugzeugfamilie rund um den 70-Sitzer 728JET. Der erste Prototyp wurde weitgehend fertiggestellt, doch der Firma ging wegen Verzögerungen in der Produktion das Geld aus und die damaligen Eigentümer - die Finanzinvestoren Clayton, Dubilier & Rice sowie Allianz Capital Partners - wollten nichts mehr nachschießen. Nach der Insolvenz im Jahr 2002 fand sich niemand, der das Projekt als Ganzes übernehmen wollte.

Das Problem: Kleine Flugzeuge gelten derzeit als unwirtschaftlich

Das 728JET-Programm landete bei einem eher undurchsichtigen chinesischen Technologiekonzern, dessen deutsche Tochter bald ebenfalls Insolvenz anmelden musste. Die 328 wurde vom amerikanischen Unternehmer Ben Bartel gekauft und noch zwei Jahre lang weitergebaut. Dann ging auch Bartels Avcraft Pleite.

Heute sind kleine Flugzeuge wie die 328 wegen der hohen Treibstoffpreise noch unwirtschaftlicher, als sie vor 20 Jahren waren. Die Lufthansa etwa setzt keine Flugzeuge mit weniger als 90 Sitzen ein, sie rechnen sich nicht. Das sind keine guten Perspektiven für die neuen Investoren. Zudem müsste Sierra Nevada auch viel Geld in die Modernisierung der 328 stecken, schließlich hat sich seit 2005 auch technologisch viel getan. Aber dieser Einstieg in den Flugzeugbau ist zumindest etwas weniger riskant als ein völlig neues Projekt. Auch andere Länder wie Indien und China haben es auf diese Weise probiert. Nach vielen Jahren und einer Menge Fehlversuchen ist zumindest China näher an den Weltstandard gerückt, aber immer noch ein gutes Stück entfernt.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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