Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Lufthansa baut Vorstand um

In der Kritik stand sie schon länger, nun muss Personalchefin Bettina Volkens gehen. Auch bei der Billigtochter Eurowings greift die Lufthansa durch: Der bisherige Chef Thorsten Dirks ist nur noch für IT zuständig.

Von Jens Flottau, Frankfurt

In Lufthansa-Kreisen hieß es schon seit längerem hinter vorgehaltener Hand, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Personalvorstand Bettina Volkens abgelöst werden würde. Zu schlecht sei ihre Bilanz bei Tarifverhandlungen, zu chaotisch der Managementstil. Es war nur eine Frage der Zeit, so hieß es auch seit längerem, bis Eurowings-Chef Thorsten Dirks seinen Posten würde räumen müssen, zu schlecht seine Bilanz als Konzernvorstand für die Zweitmarke.

Die Zeit ist jetzt gekommen. Der Lufthansa-Aufsichtsrat hat am Dienstag einen Umbau des Konzernvorstandes beschlossen, in dessen Zuge das Gremium von sechs auf sieben Mitglieder erweitert wird. Volkens scheidet zum Ende des Jahres "in gegenseitigem Einvernehmen" aus, wie es offiziell hieß. Dirks verliert die Zuständigkeit für Eurowings und konzentriert sich künftig auf das Ressort "IT, Digital und Innovation", eigentlich sowieso seine Kernkompetenz. Dem Vernehmen nach darf Dirks anders als Volkens seinen Vorstandsvertrag noch erfüllen. Neu im Gremium sind Christina Foerster - für die bisherige Chefin der Tochter Brussels Airlines wurde das Ressort "Customer and Corporate Responsibility" geschaffen - sowie als Personalvorstand Stefan Niggemann, 45,bisher Finanz- und Personalchef bei Swiss International Air Lines.

"Mit der heute entschiedenen neuen Aufstellung des Vorstands reagieren wir auf Veränderungen im Umfeld und im Unternehmen", so Aufsichtsratschef Karl-Ludwig Kley. "Wir stärken unseren Kundenfokus, wir erhöhen unsere Anstrengungen in der Digitalisierung, und wir etablieren die Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft auf Vorstandsebene. Und wir tragen der strategischen Weiterentwicklung der Lufthansa vom Aviation-Konzern zur Airline Gruppe Rechnung."

Der Aufsichtsrat beschloss, die Ressorts nach konzernweiten Funktionen aufzuteilen. Daher habe Eurowings anders als bisher auch keinen eigenen Vorstandsposten mehr. Die Fluggesellschaften der Gruppe haben eigene Geschäftsführungen, die je nach Thema von unterschiedlichen Konzernvorständen überwacht werden: Detlef Kayser ist weiterhin für operationelle Standards verantwortlich, Harry Hohmeister für Verkauf und Streckennetz, Ulrik Svensson für Finanzen. Die Kernmarke Lufthansa ist organisatorisch in die Drehkreuze München und Frankfurt aufgespalten.

Sowohl Volkens, 56, als auch Dirks, 56, stehen seit langem in der Kritik. Volkens allerdings nicht nur wegen ihrer vermeintlich schwachen Rolle bei Tarifverhandlungen und einer angeblich chaotischen Amtsführung. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat dem Vernehmen nach der in Teilen absurde Konflikt mit der Flugbegleitergewerkschaft UFO. Lufthansa hatte sich aus formalen Gründen lange geweigert, UFO als Gewerkschaft anzuerkennen, so die Mitarbeiter mobilisiert und die eigentlich hoch umstrittene UFO indirekt gestärkt. Erst als die Gewerkschaft zu Streiks aufgerufen hatte, machte Lufthansa eine 180-Grad-Wende und sendete seither weiterhin widersprüchliche Signale. Streiks sind immer noch nicht vom Tisch, die eigentlich schon vereinbarte große Schlichtung steht auf der Kippe.

Dirks ist seit 2017 Mitglied des Konzernvorstandes. Er sollte als ehemaliger Chef von Telefónica Deutschland dafür sorgen, dass Eurowings Vorreiter im Digitalgeschäft wird. Doch der Zusammenbruch von Air Berlin änderte die Anforderungen an den Job wenige Monate, nachdem er ihn angetreten hatte, radikal. Als Eurowings Teile der Air Berlin-Flotte binnen kurzer Zeit übernehmen sollte, war plötzlich Erfahrung im operationellen Geschäft gefragt, die Dirks nicht hatte. Eurowings schrieb hohe Verluste, auch die Expansion auf Langstrecken wurde zu einem teuren Fiasko. Zuletzt hatte Spohr der Tochtergesellschaft eine neue Strategie verordnet: Eurowings soll sich künftig auf den europäischen Direktverkehr konzentrieren. Die Langstrecke wird unter einer neuen Marke zentral aus Frankfurt gesteuert - verantwortlich für sie ist nun Hohmeister und nicht mehr Dirks. Auch Brussels Airlines wird nicht wie vorgesehen bei Eurowings integriert, sondern bleibt separat.

Foerster genießt im Unternehmen einen sehr guten Ruf, sie gilt als durchsetzungsfähig und unangepasst. Dass sie jetzt in den Konzernvorstand aufrückt, hat trotzdem, so sagen Insider, auch damit zu tun, dass Lufthansa nach dem Ausscheiden von Volkens wieder eine Frau präsentieren musste. Die 48-Jährige hat nach drei Jahren bei der Unternehmensberatung Boston Consulting fast ihr ganzes Berufsleben im Konzern verbracht. Zuletzt war sie Chefin bei Brussels Airlines. In den vergangenen Monaten hat sie an einem Sanierungsprogramm gearbeitet. Ab 2014 war sie in der Lufthansa-Zentrale verantwortlich für das Streckennetz und Allianzen.

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SZ vom 04.12.2019
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