Süddeutsche Zeitung

Flugverkehr:Der Traum vom sauberen Fliegen

Klimakrise und Pandemie stellen Fluggesellschaften vor gigantische Herausforderungen und Reisende vor ein Dilemma. Wie wird die Luftfahrt wieder zukunftsfähig?

Von Caspar Busse

Jetzt geht es also wieder los: In ganz Europa sind wieder Flugzeuge am Himmel unterwegs. Abflauende Infektionszahlen, steigende Impfzahlen, weniger Reisebeschränkungen machen das möglich. Viele wollen in den Urlaub, in der kommenden Woche beginnen in den ersten Bundesländern die Sommerferien. "Die Verkehrsprognosen für Europa und unsere eigenen Analysen gehen von einem spürbaren Anstieg der Verkehrszahlen in den nächsten Monaten aus", sagte vor Kurzem Arndt Schoenemann, der Chef der Deutschen Flugsicherung. Weniger ist auch fast nicht möglich: Im Corona-Jahr 2020 gab es mit rund 1,46 Millionen Starts, Landungen und Überflügen so wenige Flugbewegungen im deutschen Luftraum wie zuletzt Ende der 1980er-Jahre. Erst 2024 soll sich der Luftverkehr Experten zufolge weitgehend vom Corona-Einbruch erholt haben.

Aber wird es überhaupt je wieder so sein wie vor Corona? Werden wir in Zukunft anders und vor allem umweltfreundlich fliegen? Im Vor-Corona-Jahr 2019 war der Himmel über Europa überfüllt. Mal schnell für einen Geschäftstermin nach New York, übers Wochenende zum Shopping nach London, drei Tage Kurzurlaub auf Ibiza - alles schien möglich. Ab zehn Euro gab es Flüge quer durch Europa. Dann kam das Virus und mit ihm die größte Krise der Luftfahrt. Der Flugverkehr kam weitgehend zum Erliegen, eine ganze Branche steht seitdem vor erheblichen wirtschaftlichen Problemen. Alleine Lufthansa macht zeitweise Verluste von einer Million Euro - pro Stunde.

Grünes Fliegen? Sehr schwierig

Inzwischen wird heftig über die Auswirkungen des Fliegens auf das Klima diskutiert. Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock stellt Kurzstreckenflüge generell zur Diskussion, SPD- Kanzlerkandidat Olaf Scholz will gegen Billigflüge vorgehen und eine Preisuntergrenze setzen. In Frankreich sollen bestimmte Kurzstreckenflüge verboten werden, wenn auf der Strecke eine Alternative mit der Bahn existiert. Die Industrie arbeitet unterdessen am CO₂-freien Fliegen. Doch schnell wird das nicht gehen, anders als etwa in der Autoindustrie ist die Umstellung auf nachhaltige Antriebe im Luftverkehr noch sehr weit entfernt. Batteriebetriebene Jets sind erst mal nicht möglich, die Hoffnung ruht auf Wasserstoff.

"Es ist eine sehr große Herausforderung, das Fliegen grün zu machen", sagt Yvonne Ziegler, Professorin für Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Luftverkehr in Frankfurt. Mit Wasserstoff angetriebene Flugzeuge würden auf keinen Fall in den nächsten zehn Jahren kommen. In der Tat: Die Hersteller stehen noch am Anfang. Gleichzeitig wird mit synthetischem Kerosin experimentiert, was kurz- und mittelfristig als der vielversprechendste Weg gilt, mehr Klimaschutz in der Luftfahrt umzusetzen. Und die Hersteller entwickeln neue Flugzeuge, die deutlich sparsamer und effizienter sind als die alten Maschinen. Klimaneutrales Fliegen sei ohnehin ein "illusorisches Versprechen", kritisiert dagegen die Umweltorganisation Robin Wood. Es müsse in Wirklichkeit um die Verlagerung von Verkehr gehen.

"Luftfahrt und Umwelt gehören zusammen", sagt Airbus-Chef Guillaume Faury zusammen mit seinem Lufthansa-Kollegen Carsten Spohr der Süddeutschen Zeitung. Es gebe keinen Widerspruch zwischen einer grünen Agenda und der Luftfahrtindustrie. "Wir sind Teil der Lösung im Kampf gegen die globale Erwärmung", meint Faury: "Fliegen ist der einzige Weg, weite Distanzen zu überbrücken, ohne eine teure und die Umwelt belastende Infrastruktur am Boden zu erstellen." Spohr, Vorstandsvorsitzender von Lufthansa, fordert faire Wettbewerbsbedingungen in globalem Maßstab: "Denn es darf nicht sein, dass diejenigen Airlines, die am wenigsten für die Umwelt tun, davon profitieren, dass andere viel tun."

Unklar ist zudem, wie sich das Reiseverhalten entwickeln wird. In der Pandemie haben viele Unternehmen den Vorteil von Videokonferenzen schätzen gelernt; nicht mehr für jeden Termin muss quer durch die Welt geflogen werden. "Ich erwarte, dass Dienstreisen künftig auf ein notwendiges Minimum reduziert werden", sagt Expertin Yvonne Ziegler. Auch für viele Urlauber muss es künftig vielleicht nicht immer Thailand oder Mallorca sein, nicht wenige haben in der Pandemie Ziele in ihrer Umgebung kennen und lieben gelernt. Möglich also, dass die Nachfrage nach Flügen zurückgeht.

Die Luftfahrtindustrie stellt sich auch darauf ein. Airbus-Chef Faury etwa rechnet damit, dass erst mal deutlich weniger größere und dafür mehr kleinere Flugzeuge gekauft werden. Und Spohr hofft, dass die Passagiere künftig mehr Wert auf komfortableres Fliegen legen und öfter Businessclass buchen. Auf die Frage, ob die Flugtickets künftig auch teurer würden, antwortet der Lufthansa-Chef: "Das hoffe ich. Neun-Euro-Tickets sind weder für die Branche sinnvoll noch für die Umwelt verantwortbar." Solche Appelle gab es aus der Branche allerdings auch schon vor der Corona-Krise.

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