Luftfahrt II:Probleme für Condor

Die Gläubiger billigten jetzt die Übernahme der Flugesellschaft durch einen polnischen Konzern. Nun könnte der Deal doch noch scheitern - wegen Corona.

Von Jens Flottau, Washington

Es ist knapp drei Wochen her, da ließ sich Condor-Chef Ralf Teckentrup mit den folgenden Worten zitieren: "Es gibt aus meiner Sicht keine Risiken." Teckentrup bezog sich auf die Frage, ob die geplante Übernahme der Ferienfluggesellschaft durch die staatliche polnische Luftfahrt-Holding PGL noch aus irgendeinem Grund scheitern könnte. Es waren zwar noch einige Formalien zu erfüllen, die im laufenden Schutzschirmverfahren vorgesehen sind, aber sonst? Jetzt ist die Corona-Krise ein ernstes Risiko.

Die wichtigste der Formalien war die Zustimmung der Gläubigerversammlung zur vorgesehenen Auszahlungsquote. Die Versammlung, die aus sieben Parteien besteht, stimmte den Vorschlägen des Sachwalters Lucas Flöther trotz der Bedenken des Pensionssicherungsvereins (PSV) am Donnerstag zu. Hintergrund der PSV-Bedenken: Condor hat im Rahmen des Schutzschirmverfahrens, in das sie sich nach der Pleite ihrer ehemaligen Muttergesellschaft Thomas Cook im Herbst 2019 rettete, rund 500 Millionen Euro Pensionslasten an den PSV übertragen. Dieser forderte nun, dass die neuen Eigentümer einen Teil der Lasten übernehmen. Condor hatte sich einen Überbrückungskredit von 380 Millionen Euro besorgt, für den das Land Hessen und die Bundesregierung bürgen. Dieser soll bei Weitem noch nicht vollständig abgerufen sein und nach der Übernahme durch PGL zurückgezahlt werden.

"Die Annahme unseres Plans für eine nachhaltige und profitable Zukunft von Condor ist ein fundamentaler Schritt für unsere Kunden und Partner und natürlich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", so Condor-Chef Ralf Teckentrup. "Er bedeutet für alle Beteiligten die so wichtige Sicherheit, auch weiterhin mit einer starken Condor als Deutschlands beliebtestem Ferienflieger planen zu können." Sicherheit? Keine Risiken. Denn nach der Zustimmung des Gläubigerausschusses steht nur noch für Ende des Monats der formale Abschluss des Schutzschirmverfahrens an. Doch mittlerweile stellt sich ernsthaft die Frage, ob PGL, die Muttergesellschaft von LOT Polish Airlines, Condor überhaupt noch haben will oder sie sich noch leisten kann, zumal nun auch noch massive Einschränkungen für US-Reisen gelten.

LOT ist wie alle Linienfluggesellschaften massiv von der Coronavirus-Krise betroffen. Nach SZ-Informationen gibt es sowohl im Management als auch im Bankenkonsortium, das die Übernahme von Condor finanzieren soll, mittlerweile massive Bedenken gegen die Investition. Mit Condor würde sich die PGL-Gruppe innerhalb der größten Krise der Luftfahrt verdoppeln, während andere Konkurrenten wie die Lufthansa die Zahl der Flüge gerade halbieren. Es gibt Gerüchte darüber, dass LOT um Hilfe des Staates gebeten hat, was aber nicht bestätigt ist. LOT hatte 2015 Hilfen bekommen, weitere sind gemäß den Regeln der Europäischen Union eigentlich für zehn Jahre ausgeschlossen. 2018 gründete der Staat dann die PGL mit einem Kapital von 600 Millionen Euro und machte LOT zu deren größter Tochtergesellschaft.

Schon ohne die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie haben viele Branchenexperten die Logik hinter dem Condor-Zukauf angezweifelt. Unter anderem seien die Synergien sehr gering, die geplante Expansion der Condor in Osteuropa berge die Gefahr, dass sie sich nicht mehr auf das Kerngeschäft in Deutschland konzentrieren kann. Andererseits laufen die Condor-Flüge derzeit trotz allem besser als die der Konkurrenten, die wie die Lufthansa vor allem auf Geschäftsreisende setzen. Urlauber zahlen die Reisen selbst, oft sind sie verbunden mit Hotelbuchungen, die nicht stornierbar sind. Auch die Vorausbuchungen sind dem Vernehmen nach nicht so katastrophal wie bei der Konkurrenz. Allerdings wird nun Condor vermutlich Flüge in die USA weitgehend einstellen.

Gegen einen Ausstieg der PGL spricht also, dass sich nach allem, was bekannt ist, Condor an die Bedingungen im Kaufvertrag hält. Es ist also für die künftigen Eigentümer gar nicht so einfach, aus den Verpflichtungen wieder auszusteigen, es sei denn, sie sind bereit, hohe Strafen zu riskieren. Käme es dazu, müsste Condor in Windeseile einen neuen Investor finden, der in die Lücke stoßen würde. Zwar hatten neben PGL zwei Finanzinvestoren verbindliche Angebote abgegeben, jedoch dürfte sich auch deren Sicht auf die mögliche Übernahme in den vergangenen Wochen deutlich verändert haben.

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