Luftfahrt:Hohe Hürden für "Max"

FILE PHOTO: FILE PHOTO: Grounded Boeing 737 MAX aircraft are seen parked at Boeing Field in Seattle

Die Maschinen des Typs Boeing 737 Max werden wohl noch länger wegen Startverbots am Boden stehen.

(Foto: Lindsey Wasson/Reuters)

Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA kritisiert die US-Federal Aviation Administration. Deren Methoden seien bei der Zulassung der Boeing "737 Max" ungenügend gewesen und müssten geändert werden.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Es ist eigentlich nicht üblich, dass der Chef einer Aufsichtsbehörde die Kollegen in einer anderen öffentlich kritisiert. Doch Patrick Ky, Leiter der European Aviation Safety Agency (EASA), hat nun im Zuge des Flugverbotes für die Boeing 737 Max eine Ausnahme gemacht und sehr deutlich gemacht, was ihm an der amerikanischen Federal Aviation Administration (FAA) nicht passt: eine Menge.

"Ich habe eine Menge Respekt für meine Kollegen bei der FAA, sie verfolgen eine starke Ethik, aber ihre Methoden müssen sich ändern", sagte Ky im Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments. Das Gremium hatte ihn eingeladen, um über die Voraussetzungen zu sprechen, unter denen das Flugverbot der Max wieder aufgehoben werden könne.

Ky kritisierte, Boeing habe die Max quasi selbst zugelassen, weil die FAA zu viele Arbeiten an den Hersteller selbst delegiert und die Aufsicht vernachlässigt habe. Dies habe zu einem großen Vertrauensverlust geführt. "Die FAA ist in einer sehr schwierigen Lage", glaubt Ky. "Internationale Behörden wollen künftig eine zweite Meinung", bevor sie sich Entscheidungen der FAA anschließen. "Das ist eine große Veränderung im Vergleich zu vor einem Jahr."

Ky glaubt, diese Art eigenhändiger Zulassung sicherheitskritischer Systeme wie bei Boeing "würde in unserem System nicht passieren. Wir haben eine sehr strukturierte Methode. Wir können nicht jede Zeile neuer Software überprüfen, aber wir müssen alles, was die Sicherheit berührt, sehen."

Zwei Maschinen des Typs 737 Max waren innerhalb von weniger als sechs Monaten abgestürzt, bei beiden spielte eine Software namens Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) eine Rolle, die in bestimmten Situationen eingreift. Bei den Abstürzen von Lion Air und Ethiopian Airlines wurde sie mutmaßlich wegen fehlerhafter Sensoren zur Unzeit aktiviert, 346 Menschen kamen ums Leben. Boeing muss nun unter anderem eine weniger aggressive MCAS-Version entwickeln, die die Piloten schnell abschalten können.

Die FAA hat in den vergangenen Jahren mehr und mehr ihrer Aufgaben an die Industrie delegiert. Auch der US-Kongress prüft nun, ob er die Verfahren ändert und die Entwicklung zurückdreht. In Branchenkreisen heißt es, die Auswirkungen seien schon jetzt zu spüren, weil die Behörden wesentlich genauer prüfen als noch vor wenigen Monaten.

Ky machte Boeing und den Fluggesellschaften wenig Hoffnung auf eine schnelle Rückkehr der Max. Es sei "unmöglich, einen Zeitplan zu nennen". Boeing habe zwar erste Antworten auf die vielen Fragen geliefert, die die EASA gestellt habe, er sei mit einigen auch glücklich, bei anderen würden sich nun neue Fragen stellen und in weiteren Bereichen warte noch "viel Arbeit". Die europäische Behörde will die neue Boeing-Software nun selbst komplett prüfen und sich nicht mehr auf die FAA verlassen, zudem sollen alle sicherheitskritischen Teile der Flugsteuerung genau untersucht werden. Und die EASA will ihre eigenen Richtlinien aufstellen, nach denen die Piloten geschult werden, bevor sie sich wieder hinter das Steuerhorn einer 737 Max setzen dürfen. Branchenkreise in Europa gehen davon aus, dass die EASA das Flugzeug erst Anfang 2020 wieder zulässt.

Ky machte deutlich, dass die EASA-Richtlinien in Sachen Training sich auch von denen der FAA unterscheiden könnten, wenn sich die beiden Behörden nicht auf einen gemeinsamen Standard einigen könnten. Das sei zwar "nicht sinnvoll", aber denkbar. Eine entscheidende Frage ist, ob sich die Sicherheitsbehörden mit "Flügen" im Simulator zufrieden geben, oder ob sie verlangen, dass die Linienpiloten tatsächliche Testflüge absolvieren müssen. Dies würde die Fluggesellschaften vor massive Probleme stellen und die Rückkehr der Max erheblich verzögern.

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