Süddeutsche Zeitung

Luftfahrt:Gericht lässt Air Berlin aufatmen

Die umstrittenen Gemeinschaftsflüge mit Etihad sind erlaubt - für die Krisen-Airline eine vorläufige Rettung.

Fragen und Antworten von Jens Flottau, Frankfurt

Die angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin hat im Streit über die Gemeinschaftsflüge mit der arabischen Etihad einen juristischen Erfolg erzielt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg genehmigte 26 der 31 umstrittenen Codeshare-Flüge bis zum Ende des Winterflugplans am 26. März.

Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass diese Auslandsflüge vom Luftverkehrsabkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten abgedeckt seien. Auf fünf innerdeutschen Strecken seien die Gemeinschaftsflüge hingegen nicht zulässig. Der Beschluss sei nicht anfechtbar, erklärte das Oberverwaltungsgericht (Az. 7 ME 4/16).

Was ist Codesharing?

Bei den Gemeinschaftsrouten erhalten Air-Berlin-Verbindungen eine Flugnummer von Etihad und umgekehrt. Air Berlin erhöht damit die Auslastung der Flugzeuge, während Etihad mehr Ziele weltweit anbieten kann. Etihad hat wiederholt betont, die Flüge seien ein wesentlicher Grund für das Engagement in Berlin.

Etihad hatte beim Luftfahrt-Bundesamt 83 Codeshare-Verbindungen für den Winterflugplan 2015/16 beantragt. Davon hatte die Behörde rund 50 Flugstrecken für den Winterflugplan genehmigt, 31 umstrittene Flüge waren dagegen nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung nur bis zum 15. Januar erlaubt worden.

Welche Rolle spielt Etihad bei Air Berlin?

Die nationale Gesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate ist seit 2011 Air-Berlin-Aktionär und hält derzeit einen Anteil von knapp 30 Prozent. Zuletzt hatten Etihad und Air Berlin die Bundesregierung heftig kritisiert und sich über eine mangelnde Unterstützung beklagt.

Etihad ist für Air Berlin in den vergangenen Jahren eine Art Lebensversicherung gewesen. Ohne die Hilfen aus Abu Dhabi würde Air Berlin in dieser Form möglicherweise nicht mehr existieren. Allerdings ist die Kooperation auch problematisch. Denn Air Berlin verliert auf vielen der Zubringerflüge, die Etihad gerne sieht, sehr viel Geld. Die Strategien der beiden Unternehmen sind deswegen eigentlich nur zum Teil miteinander vereinbar.

Warum ist Codesharing für Air Berlin so wichtig?

Etihad hat Air Berlin mit dem Einstieg vor vier Jahren vor dem Kollaps gerettet und stützt das Unternehmen seither finanziell. Das Codesharing ist die Grundlage der Kooperation, denn es sichert Etihad Anschlusspassagiere für die eigenen Langstrecken vom Drehkreuz in Abu Dhabi. Ohne breit angelegtes Codesharing würde das Investment in Air Berlin aus Sicht von Etihad deutlich an Attraktivität verlieren.

Hätte das OVG Lüneburg die Codesharing-Flüge verboten, wäre die Air-Berlin-Beteiligung für Etihad nochmals unattraktiver geworden. Manche Beobachter erwarten, dass Etihad ohne die Möglichkeit des Codesharings bei Air Berlin aussteigen würde. Damit würde der deutschen Airline sehr wahrscheinlich das Geld ausgehen.

Warum stellt sich das Verkehrsministerium gegen die Praxis?

Das dem Bundesverkehrsministerium zugeordnete Luftfahrt-Bundesamt (LBA) hat die Codesharing-Flüge rund zweieinhalb Jahre lang genehmigt. Doch nach Beschwerden von Lufthansa und Condor hat sich die Behörde die Textpassagen im Luftverkehrsabkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten noch einmal genau angeschaut. Es kam zum Schluss, dass die Flüge zum Teil nicht durch das Abkommen abgedeckt sind.

Die Konkurrenten von Air Berlin machen massiv Druck, dass die Grenzen des Abkommens eingehalten werden, weil sie Etihad in Europa ausbremsen wollen.

Warum sind nur manche Codesharing-Flüge in der Diskussion?

Der Streit dreht sich um eine Formulierung im Vertrag. Es ist unklar, ob von drei Flughäfen nur Codesharing-Flüge innerhalb Deutschlands möglich sind oder ob zu diesen drei Flughäfen auch internationale Flüge im Codesharing zulässig sind. Die Kooperation auf Strecken von und nach Hamburg, Düsseldorf, München und Frankfurt ist hingegen nicht strittig.

Welche Auswirkungen hätte ein Verbot von Codesharing für die Kunden?

Betroffen wären Kunden, die ein Ticket mit Etihad-Flugnummer auf einem Air-Berlin-Flug gebucht haben. Diese Tickets müssten auf eine AB-Flugnummer umgeschrieben werden. Das ist möglich, aber für die Airlines mit Aufwand verbunden. Die Kunden würden in diesem Fall per Mail eine neue Buchung bekommen.

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SZ/Reuters/jasch/vit
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