Luftfahrt:Genug gespart

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Hart trifft die Germania-Pleite vor allem Regionalflughäfen wie Erfurt, Bremen oder Münster/Osnabrück. (Foto: dpa)

Die Germania-Pleite wird die Ticketpreise nicht in die Höhe treiben. Dabei wären höhere Preise gut. Denn wenn die Airlines weiter sparen, droht bald das nächste Chaos.

Kommentar von Jens Flottau

Jedes Mal, wenn eine Fluggesellschaft vom Markt verschwindet, beginnt in der deutschen Öffentlichkeit eine geradezu obsessive Debatte. Sie dreht sich um die Frage, ob Fliegen nun bald viel teurer wird, weil ja wieder einmal ein Konkurrent verschwunden ist und hierzulande die Lufthansa, und in Europa neben ihr noch ein paar weitere große Anbieter, den Markt immer stärker beherrschen. Viele Beobachter kommen zu dem Ergebnis, dass nach der Pleite der Fluglinie Germania breit angelegte Preissteigerungen unausweichlich sein. Als Grund wird die steigende Marktmacht großer Fluglinien angeführt.

Doch so einfach ist das nicht. Hart trifft das Verschwinden von Germania einzelne Regionalflughäfen wie Erfurt, Bremen oder Münster/Osnabrück, weil die Airline dort einen großen Anteil des Gesamtverkehrs beförderte. Verschwindet das Angebot von jetzt auf gleich, so wird es nicht schnell und vielleicht gar nicht ersetzt werden können. Passagiere müssen unbequeme Umsteigeverbindungen in Kauf nehmen und bei kurzfristig verknapptem Angebot auf bestimmten Strecken auch höhere Preise zahlen. Insgesamt aber ist Germania viel zu klein gewesen, um einen Trend auszulösen oder auch nur zu beschleunigen.

Insolvente Fluggesellschaft
:Pleite von Germania hat bittere Auswirkungen

Nicht nur die Passagiere und Gläubiger der Fluggesellschaft haben nun das Nachsehen, sondern auch zahlreiche Flughäfen, für die Germania wichtig geworden ist.

Von Jens Flottau

Es lohnt ein Blick zurück auf den Herbst 2017, als mit Air Berlin eine viel größere Fluglinie vom Markt verschwand. Damals war die Aufregung riesig: Innerdeutsche Flüge wurden im Dezember plötzlich viel teurer, nachdem der zweitgrößte Anbieter kurzfristig verschwunden war. Doch schon im Januar 2018 sah die Sache wieder anders aus. Easyjet und andere hatten begonnen, die Lücke zu schließen. Im Frühsommer 2018 boten die Fluggesellschaften bereits wieder mehr Kapazität an als im Vorjahr. Weil das Angebot so groß wurde, nachdem alle versuchten, einen möglichst großen Teil des Air-Berlin-Kuchens zu ergattern, war 2018 für Passagiere bezogen auf die Flugpreise ein schönes Jahr, Lufthansa-Dominanz hin oder her.

Ein paar andere Aspekte des aktuellen Fluggeschehens verdienen mehr Aufmerksamkeit. 2018 konnte man zwar billig fliegen, aber für Millionen von Reisenden war das Fliegen angesichts Zehntausender Flugstreichungen und Verspätungen kein Vergnügen. Airlines wie Eurowings behaupten, sie hätten ihre hausinternen Probleme nun besser im Griff. Ob das stimmt, werden die Kunden spätestens im April feststellen können, wenn der nächste (traditionell verkehrsreiche) Sommerflugplan in Kraft ist. Die europäische Behörde Eurocontrol geht davon aus, dass der Sommer 2019 von der Flugsicherungsseite her nicht besser wird.

Die Wahrheit ist: Alle, sowohl Fluggesellschaften als auch die Flugsicherung, haben in den vergangenen Jahren zu sehr gespart. Nur so konnten sie sich die Billigpreise leisten. Nicht an der Sicherheit wurde gespart. Es gab weniger Puffer im Flugplan, bei den Flugzeugen und beim Personal. Diese müssen nun wieder aufgebaut werden, um ein erneutes teures Chaos zu vermeiden. Puffer kosten Geld, und das Geld kommt von den Kunden. Vielleicht sollten sich alle Passagiere schon aus Eigeninteresse, nicht wegen Germania, auf höhere Preise einstellen. Einfach nur, damit das Fliegen wieder einigermaßen reibungslos funktioniert.

Viele Regionen drohen von den großen Netzen abgeschnitten zu werden

Der Fall Germania zeigt indes eine andere Entwicklung auf, die auch anderswo zu beobachten ist. Sie ist besorgniserregend: Der europäische Luftverkehr wächst zwar, aber vor allem in den großen Märkten. Kleinere Wirtschaftsregionen drohen mehr und mehr von den großen Netzen abgeschnitten zu werden. Mit den vielen kleineren und Regional-Airlines, die zuletzt verschwunden sind, geht auch das Interesse an den Nischen verloren. Wirtschaftspolitisch ist das genau das Gegenteil dessen, was die EU eigentlich will, nämlich die Regionen zu stärken. Auch bezogen auf die Luftfahrt wäre es gut, den Verkehr besser zu verteilen - die Knoten sind bekanntlich schon jetzt verstopft.

Anders als bei Air Berlin hat die Bundesregierung bei Germania nicht mit einem Überbrückungskredit eingegriffen. Die Haltung ist richtig, auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist, dass Germania aus der Insolvenz heraus neu starten kann. Um die Mitarbeiter, zumal die gut qualifizierten Ingenieure und Piloten, muss man sich sowieso keine großen Sorgen machen: Fluggesellschaften suchen händeringend nach zusätzlichen Leuten. Und anders als im Fall Air Berlin werden die neuen Jobs oft besser bezahlt sein als die bisherigen: Germania galt in der Branche als besonders knausrig und hat im Vergleich niedrige Gehälter gezahlt.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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