Luftfahrt:Flugtaxi, bitte!

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Noch ist es nur ein computergeneriertes Bild: Das elektrisch angetriebene Flugzeug des israelischen Start-ups Eviation. (Foto: N/A)

Die Pioniere des Elektro-Flugzeugbaus sehen ihre Branche kurz vor dem Durchbruch. Denn inzwischen mischen auch die etablierten Konzerne bei der Entwicklung mit.

Von Helmut Martin-Jung, Berlin

Omer Bar-Yohay ist sich sicher: "Die elektrische Revolution passiert jetzt", sagt der 38-jährige Israeli, "und das nicht bloß bei uns." Mit "uns" meint er seine Firma Eviation. Der Name deutet bereits an, worum es geht: Eviation gehört zu den zahlreichen Start-ups, die mit elektrisch betriebenen Fluggeräten den Verkehr revolutionieren wollen. "Jetzt sind die Google-Tage", sagt Bar-Yohay, und spielt damit auf die Zeit an, als der heute mächtige Internetkonzern zwar eine gute Idee hatte, aber weder sehr bekannt und ein Milliarden-Unternehmen war.

Aber was bringt ihn zu der Ansicht, dass es in absehbarer Zeit so etwas wie Flugtaxis geben könnte? Womöglich sogar solche, die keinen Piloten mehr brauchen, sondern autonom fliegen? "Die meisten Flugzeuge stürzen wegen der Piloten ab, nicht wegen der Flugzeuge", sagt Bar-Yohay. "Wenn sie am Kennedy-Airport in New York sanft landen, dann war das der Computer, nicht der Pilot."

Geflogen werde im Wesentlichen noch immer wie in den 1950er-Jahren, weltweit gebe es überhaupt nur etwa 400 000 Flugzeuge, sagt er. Künftig werde es um die Elektrifizierung des Fliegens gehen, um autonomes Fliegen und um die Geschwindigkeit der Entwicklung. Fliegen soll also alltäglicher werden, soll - so die Vorstellung der E-Flugzeugpioniere - die vom Autoverkehr verstopften Großstädte entlasten.

Wieso allerdings sollte beim Fliegen klappen, was beim Fahren mit autonomen Autos offenbar doch nicht ganz so einfach ist, wie die Hersteller das gerne behaupten? "Was wir am Himmel sehen, ist das, was wir vielleicht einmal auf der Straße sehen werden", sagt Bar-Yohay, der Physik und Geschichte studiert hat. Will heißen: Die fliegenden Taxis könnten autonomen Autos am Boden als Vorbild dienen, könnten die technischen Pionierleistungen vollbringen, die dann sozusagen auf die Straße gebracht werden. Sieben Passagiere und zwei Crew-Mitglieder kann das Modell von Eviation transportieren. Angetrieben wird es von einer großen Batterie. Die wäre zwar für ein Auto viel zu teuer, sie kostet etwa 400 000 Dollar. Aber bei den Gesamtkosten eines Flugzeuges in Millionenhöhe fällt das nicht so sehr ins Gewicht.

Auf elektrisch betriebene Kleinflugzeuge setzen auch viele andere Unternehmen. Zwei der bekanntesten haben ihren Sitz in Süddeutschland, Lilium und Volocopter. An Volocopter sind Konzerne wie Daimler und Intel beteiligt, auch Lilium hat in einigen Finanzierungsrunden schon viel Geld eingesammelt, unter anderem vom chinesischen Internetkonzern Tencent und dem Technologiefonds Atomico. Bis zu 300 km/h schnell und 300 Kilometer weit soll ihr Lufttaxi einmal bis zu fünf Personen befördern können.

Neben den jungen Gründern tüfteln inzwischen aber auch Luftfahrt-Konzerne wie Airbus an eigenen Elektro-Kleinfliegern. Sie wollen sich schließlich nicht von kleinen Emporkömmlingen ein mögliches zukünftiges Geschäftsfeld ohne Not wegschnappen lassen. Ob sie das ohne den Druck der Kleinen allerdings auch gemacht hätten und vor allem mit solchem Ehrgeiz, ist die Frage. Omer Bar-Yohay jedenfalls ist selbstbewusst genug zu sagen: "Manchmal braucht es ein paar Kleine, die die Großen in den Hintern treten."

Das würde Rey Buckmann vielleicht nicht so drastisch sagen, inhaltlich aber durchaus unterstützen. Buckman leitet das BizLab des Flugzeugherstellers Airbus in Hamburg und arbeitet dort mit einigen Start-ups zusammen - unter anderem in Sachen E-Flugzeug.

Die Start-ups, sagte Buckman kürzlich bei der Messe Cube Tech Fair in Berlin, wo er mit Bar-Yohay auf einer Bühne saß, könnten aber ebenso von den Etablierten der Flugzeugbranche profitieren. "Wir können Start-ups helfen, Investoren zu finden." Denn er weiß: "Wenn die eine Herausforderung meistern, gibt es auch einen Markt dafür." Bei Airbus, fügt er hinzu, setze man auf offene Innovation, teile also die Erkenntnisse, die bei solchen Projekten gewonnen werden, mit anderen.

Trotzdem ist es für ein kleines Unternehmen nicht so einfach, den Markt zu erobern. In dieser Branche gibt es zum Beispiel sehr hohe Sicherheitsanforderungen, die Regeln sind noch wesentlich strenger als im Fahrzeugbau. "Die Industrie", formuliert es Omer Bar-Yohay etwas drastisch, "ist zu Tode reguliert." Und der Unternehmer hat selbst erfahren, wie schwierig es ist, sich hier als Neuling zu etablieren: "Die Eintrittsbarrieren sind riesig, viel höher als bei Autos." Damit müsse man rechnen. Für Start-ups könne es also durchaus von Vorteil sein, sich mit einem der Großen zu verbünden.

© SZ vom 03.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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