Luftfahrt:Engpass Flughafen

Die großen Airlines wollen an ihren wichtigsten Drehkreuzen vor allem eines: weiter wachsen. Doch nun will ausgerechnet die Lufthansa die Höchstzahl ihrer Flüge in Frankfurt reduzieren. Damit eskaliert ein Streit, der schon seit Langem andauert.

Von Jens Flottau, Frankfurt

In der Regel wollen Fluggesellschaften an ihren Drehkreuzen vor allem Platz für Expansion. Die Lufthansa etwa kritisiert regelmäßig den Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport dafür, nicht genügend in die Terminals zu investieren und die Passagiere durch völlig überfüllte Gebäude zu schleusen. Fraport verweist in solchen Fällen gerne darauf, dass vor allem Lufthansa mehr als geplant wächst und für die Engpässe mitverantwortlich ist.

Der schon länger andauernde Streit ist nun nach SZ-Informationen eskaliert. Im sogenannten Koordinationsausschuss des Flughafens haben Lufthansa und das Board of Airline Representatives in Germany (BARIG) dafür gestimmt, die Kapazität des größten deutschen Airports für Linienflüge künstlich zu reduzieren. Pro Stunde sollen künftig maximal nur noch 102 Verkehrsmaschinen starten oder landen dürfen, bislang waren es 104. Die Begründung, die wohl ernst gemeint ist: Damit soll ein erneutes Chaos im deutschen Flugverkehr verhindert werden.

Die deutschen Flughäfen sind gar nicht begeistert über die Einmischung

Als unfreundlicher Akt ist der Vorgang nur unzutreffend beschrieben, zumal Flughäfen, Flugsicherung und Fluggesellschaften am 5. Oktober mit einer gemeinsamen Position beim Luftfahrt-Gipfel mit Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) aufkreuzen wollen. In Hamburg wollen sie der Bundesregierung eigentlich erklären, wie die Engpässe behoben werden können und hoffen unter anderem auf Scheuers Unterstützung bei der seit Jahren verzögerten Reform des Luftraumes. Abgesehen davon gäbe es auch noch jede Menge andere Ärgernisse wie die vor allem bei den Airlines verhasste Luftverkehrssteuer.

Dass eine Airline weniger Flüge an ihrer wichtigsten Basis durchsetzen will, ist wohl beispiellos. Dem Vernehmen nach will Lufthansa aber nicht nur die Zahl der Flüge pro Stunde beschränken, sondern auch eine maximal zulässige Zahl von Flügen pro Tag definieren. Und für den gesamten deutschen Luftraum soll ebenfalls ein "Eckwert" festgelegt werden, der nicht überschritten werden darf. Die Beteiligten äußern sich dazu übrigens nicht offiziell.

Für die Flughäfen ist der Vorstoß ein Affront. Denn die Begrenzung wäre ein Eingriff in ihr Geschäft. Und die meisten großen Airports (Frankfurt, München, Hamburg, Berlin-Tegel und Schönefeld sowie Düsseldorf) haben in Anbetracht der Lage auf Anträge verzichtet, die sogenannten Stundeneckwerte zu erhöhen. Von mehr Start- und Landezeiten hätten auch Konkurrenten profitiert, denn die Slots werden nach einem bestimmten Schlüssel verteilt. Die Flughäfen argumentieren sowieso, dass die aktuelle schlechte Pünktlichkeit nicht an ihnen, sondern vor allem an den Airlines liege. Die maximale Zahl der Starts und Landungen zu begrenzen, bringe zudem gar nichts, weil sie derzeit in Frankfurt nur in sechs Stunden erreicht wird. Zu den anderen Zeiten könnten die Airlines hingegen weitere Flüge aufnehmen und damit den Luftraum weiter verstopfen.

Kämen Lufthansa und der Lobbyverband BARIG mit ihrem Vorschlag durch, müssten Airlines in Frankfurt Slots entzogen werden. Dies aber ist nach den Regularien der Europäischen Union nicht möglich. Jede Fluggesellschaft, die einen bestimmten Slot zu mindestens 80 Prozent nutzt, bekommt ihn auch im kommenden Jahr wieder. In Kreisen der Lufthansa heißt es, man sei sogar bereit, selbst Flüge aufzugeben und damit gewissermaßen mit gutem Beispiel voranzugehen, allerdings nur dann, wenn die Slotregulierung ausgesetzt würde und man zu einem späteren Zeitpunkt auf die Zeitfenster wieder zugreifen könnte. Eine solche Ausnahme hat es bislang nur einmal gegeben, als nach den Anschlägen vom 11. September 2001 der Luftverkehr binnen kurzer Zeit einbrach. Es sieht nicht danach aus, dass die Europäische Kommission dies erneut in Erwägung zieht, zumal sie damit indirekt ein Versagen der europäischen Flugsicherung einräumen würde.

Dass das zuständige hessische Verkehrsministerium die Kapazität des Frankfurter Flughafens freiwillig beschränken würde, während Konkurrenten wie München die Zahl der Flüge nicht antasten wollen, ist ebenfalls kaum vorstellbar. Genau wissen werden es die Beteiligten am 4. Oktober, bis dahin muss über den Antrag der Lufthansa entschieden werden. Am nächsten Tag sehen sich die Beteiligten wieder - beim Minister.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: