Luftfahrt:Airbus trödelt auch beim A350

Der Flugzeugkonzern hat auch beim neuen Langstreckenflieger A350 Schwierigkeiten. Viele Zulieferer warten seit Monaten auf Bauvorgaben

J. Flottau

Der Flugzeughersteller Airbus muss nach Einschätzung von Insidern auch beim neuen Langstreckenflugzeug A350 erhebliche Verspätung und hohe zusätzliche Kosten befürchten. In Branchenkreisen heißt es, schon jetzt zeichne sich ab, dass das neue Flugzeug erst ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant ausgeliefert werden könne und damit frühestens Ende des Jahres 2013 auf den Markt komme.

A350, Foto: AP

Schon die Verspätungen beim Prestigeprojekt

A380

kosteten Airbus Milliardensummen, beim

A350

könnte sich das Fiasko nun wiederholen.

(Foto: Foto: AP)

Denkbar sei aber auch eine wesentlich größere Verspätung von ein bis zwei Jahren. Der für das operative Geschäft zuständige Airbus-Chef Fabrice Brégier betont indessen, dass "wir uns an unsere Verpflichtungen halten und die erste A350 Mitte 2013 liefern werden."

Die A350 ist ein neues Großraumflugzeug. Es hat - je nach Version - zwischen 250 und knapp 400 Sitzen. Die Maschine soll ab 2013 ältere Modelle wie die A330 und A340 ersetzen und ist ein direkter Konkurrent für die neue Boeing 787 und die etwas größere 777.

Der komplett neu entwickelte Jet stellt für Airbus technologisch ein hohes Risiko dar, denn erstmals wird der ganze Rumpf aus Faserverbundwerkstoffen bestehen und nicht mehr wie bisher aus Metall. Dafür muss der Konzern auch wichtige Teile der Produktion umstellen und in vielen Werken in die nötige Technologie investieren. Airbus hat von der A350 bislang 505 Maschinen in drei Versionen verkauft.

Airbus und der Mutterkonzern EADS sind bereits durch aktuelle Programme in existenzielle Schwierigkeiten geraten. Die A380 konnte erst zwei Jahre später als vorgesehen ausgeliefert werden und musste dadurch allein bis 2010 Einnahmeausfälle von fast sechs Milliarden Euro hinnehmen, die Zusatzkosten nicht eingerechnet.

Die A380 wird damit voraussichtlich auch mittel- bis langfristig hohe Verluste verursachen. Der um vier Jahre verspätete Militärtransporter A400M kostet einer Studie von Pricewaterhouse Coopers zufolge elf Milliarden Euro oder gut 50 Prozent mehr als budgetiert. Airbus muss davon voraussichtlich mindestens 6,4 Milliarden Euro tragen.

Bei der A350 war Airbus deswegen in der Planung besonders vorsichtig und hat großzügigere Zeitpuffer eingebaut. So sollten einige wichtige Lieferanten Komponenten bereits ein halbes Jahr vor dem eigentlich notwendigen Termin liefern. Doch in EADS-Kreisen heißt es, diese und andere Margen seien schon längst aufgebraucht.

Zulieferer rechnen mit einjähriger Verspätung

Denn viele Zulieferer warten seit Monaten auf detaillierte Vorgaben von Airbus, auf deren Basis sie ihre Bauteile entwickeln können. "Die Uhr tickt bereits", sagt ein EADS-Manager. Selbst wenn die Bauunterlagen vorlägen, sei fraglich, ob diese nicht im Nachhinein wieder mehrfach geändert würden. Genau dies ist im Fall der A400M passiert und sorgt nun hinter den Kulissen für großen Streit zwischen Airbus und den Lieferanten, vor allem dem Triebwerkskonsortium Europrop International (EPI). Beide Seiten schieben sich deswegen gegenseitig die Verantwortung für die Entwicklungsprobleme zu.

Nach Einschätzung des EADS-Mannes würden sich bei der A350 viele kleinere Verzögerungen bereits jetzt zu einem halben Jahr an Zusatzarbeiten summieren. Dabei sei nicht berücksichtigt, dass in den nächsten drei Jahren noch große Risiken lauerten, sowohl in der weiteren Entwicklung des Flugzeuges als auch bei den Flugtests. Der Vorstandschef eines großen Airbus-Lieferanten rechnet mittlerweile sogar mit einer Verspätung von einem Jahr - im günstigsten Fall.

Ein warnendes Beispiel ist die Boeing 787, das Airbus deswegen auch genauestens analysiert hat. Neben organisatorischen Mängeln war bei Boeing die Umstellung von Metall auf Kohlefasern für die mehr als zwei Jahre Verspätung verantwortlich, denn der Schritt klappte alles andere als reibungslos. Auch Airbus hat bereits ungeplante Änderungen vornehmen müssen: So musste eine neue Beschichtung für die Kohlefasern entwickelt werden, um den Rumpf besser gegen Blitzschlag zu schützen.

Streit kostet Zeit

Airbus-Vorstand Brégier, der 2012 Thomas Enders an der Konzernspitze ablösen will, räumt ein, dass die A350 "ein komplexes Programm" sei und "einige Margen aufgebraucht" seien. Er sei aber insgesamt "sehr zufrieden" mit den Fortschritten. Brégier betont, dass bei der A350 Transparenz oberste Priorität genieße, um auf diese Weise Probleme wie bei der A380 und A400M zu vermeiden.

Insider bestätigen, dass Airbus vieles in der Organisation geändert und den Informationsfluss deutlich verbessert hat. "Das Top-Management weiß jetzt über den Stand der Dinge genau Bescheid", sagt ein Verantwortlicher. Doch er verweist darauf, dass immer noch nationale Eifersüchteleien zwischen Deutschen und Franzosen bei Airbus und somit politische Faktoren eine effizientere Konzernstruktur verhindern.

So werde die vordere Rumpfsektion zwischen den Werken Hamburg und Saint Nazaire hin- und hertransportiert, weil dies die traditionelle Arbeitsteilung so vorsehe. Würde aber das in Saint-Nazaire produzierte Cockpit nach Hamburg geschickt und dort mit den Rumpfteilen verbunden, ließen sich bei jedem Flugzeug drei Monate einsparen.

"Eigentlich sollte jetzt die Zeit reif sein, solche Entscheidungen zu treffen und durchzusetzen", fordert ein Insider. Der Vorschlag sei bereits auf Vorstandsebene diskutiert worden, wird nach SZ-Informationen aber derzeit nicht weiterverfolgt, um keinen neuen Streit vom Zaun zu brechen.

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