Luftfahrt:Wieso lassen sich Flugzeugtüren eigentlich in der Luft öffnen?

Luftfahrt: Tag der offenen Tür: Ein Airbus "A321-200" der koreanischen Fluggesellschaft Asiana Airlines landete von der Ferieninsel Jeju kommend in Daegu mit offenem Notausgang.

Tag der offenen Tür: Ein Airbus "A321-200" der koreanischen Fluggesellschaft Asiana Airlines landete von der Ferieninsel Jeju kommend in Daegu mit offenem Notausgang.

(Foto: Yonhap News Agency/Reuters)

Ein Passagier wollte beim Landeanflug plötzlich das Flugzeug verlassen. Jetzt zeigt sich: Der Schaden ist groß, und das Vertrauen in die Sicherheit leidet.

Von Thomas Hahn, Tokio/Miyazaki

Jetstar-Flug GK635 von Tokio nach Miyazaki ist schon wieder auf dem Weg nach unten. Rumpelnd bricht der Airbus A320-200 durch die Wolkendecke über dem Meer zwischen den japanischen Inseln. Die Crewmitglieder sitzen auf den Klappsitzen bei den Türen. Vorhin sind sie durch die Reihen gegangen und haben geprüft, ob alle angeschnallt sind. Alles in Ordnung, alles ruhig. Die Türen sind zu. Es versucht auch niemand, sie aufzumachen. Könnte jemand sie überhaupt aufmachen?

Blöde Frage? Schön wär's. Die Flugzeugtüren-Frage ist aktueller denn je, seit vergangene Woche ein Airbus A321-200 der koreanischen Fluggesellschaft Asiana Airlines von der Ferieninsel Jeju kommend in Daegu mit offenem Notausgang landete. Videos vom Landeanflug zeigen Leute neben der offenen Tür mit zusammengekniffenen Augen, knatternder Kleidung und flatterndem Haar. Warum? Ganz einfach und gerade deshalb so irritierend: Ein Passagier hatte den Hebel der Tür betätigt und sie so in über 200 Meter Höhe geöffnet. Laut koreanischer Polizei erklärte er später, der Flug sei ihm zu lang geworden, er habe keine Luft mehr bekommen und schnell aussteigen wollen.

In der Geschichte des Transportverkehrs hat sich mit der Zeit die Einsicht durchgesetzt, dass es ungesund ist, ein Gefährt vor dem nächsten Halt zu verlassen. Jeder halbwegs moderne Lokalzug verfügt deshalb heutzutage über Türen, die man während der Fahrt so verriegeln kann, dass selbst Herkules sie nicht aufbekommen würde. Ein Flugzeug nicht? "Sehr bizarr", nennt der Luftfahrt-Experte Geoffrey Thomas den Asiana-Fall im amerikanischen Sender CNN und verweist auf die Landegeschwindigkeit einer A321-Maschine: fast 280 Stundenkilometer. Ihm erscheint es "gegen den Luftstrom technisch unmöglich", die Tür zu öffnen. Aber auch Geoffrey Thomas muss zugestehen: "Irgendwie ist es doch passiert."

Asiana Airlines und Südkoreas Transportministerium erklären, dass die A321-Türen bei großer Höhe tatsächlich nicht geöffnet werden können wegen des Luftdruckunterschieds zwischen dem Flugzeuginneren und außerhalb des Flugzeugs. Aber bei geringerer Höhe und geringerem Druckunterschied sei das durchaus möglich. Auch eine Jetstar-Stewardess auf dem Flug nach Miyazaki mit der A320-200-Maschine sagt das. "Die Türen haben zwei Modi", sagt sie. Grundsätzlich befänden sie sich in einem Automatikmodus, auf Fachenglisch genannt armed. Öffnet man sie in diesem Modus, wird dabei automatisch auch die aufblasbare Rutsche zum Aussteigen nach Notlandungen ausgelöst. Wenn das Flugzeug gelandet ist, wird der Modus auf disarmed umgeschaltet. Dann lässt sich die Tür öffnen, ohne dass sich die Rutsche aufbläst.

Eine A321 ist die längere Version der A320, türenmäßig gibt es Unterschiede. Die Tür, die bei dem Asiana-Flug aufging, gibt es in der A320-200 nicht, aber sie ähnelt den Vorder- und Hintertüren der A320-200. Den Mechanismus mit der Notfallrutsche hat sie auch. Auf den Bildern der offenen Asiana-Tür sieht man darunter die geöffnete Klappe für die Rutsche, die im Flugwind offensichtlich abgerissen wurde.

Luftfahrt: Die geöffnete Klappe für die Notrutsche, die aber von Luftsog abgerissen wurde.

Die geöffnete Klappe für die Notrutsche, die aber von Luftsog abgerissen wurde.

(Foto: Yun Kwan-shick/AP)

Die A321-200 ist ein relativ alter Flugzeugtyp. Modernere Maschinen haben zusätzliche Verriegelungsmechanismen. Aber Experten sagen, dass diese auch nicht ohne Risiko seien. Die Verriegelung könnte klemmen und die Tür nicht aufgehen, wenn sie aufgehen müsste.

Immerhin, der Fall des koreanischen Türöffners ist ein sehr seltener Vorgang. Der Mann muss ungewöhnlich entschlossen vorgegangen sein, um nicht zu sagen brutal. Er öffnete die Tür nämlich nicht nur, er machte sie auch kaputt. Die Zeitung JongAng Ilbo berichtet von "verbogenen Scharnieren". Insgesamt habe der Tag der offenen Tür einen Schaden von 2 Milliarden Won, 1,4 Millionen Euro, verursacht. Asiana Airlines muss die Tür sowie die Notrutsche reparieren. Übernimmt die Behandlung von neun Passagieren, die nach dem Schreck ins Krankenhaus mussten. Und hat den anwesenden Crew-Mitgliedern freigegeben und diese in psychologische Behandlung geschickt.

Außerdem verkauft Asiana für A321-200-Maschinen keine Plätze neben Notausgängen mehr, damit niemand mehr in Versuchung gerät. Denn am Ende des Tages erzählt diese Geschichte gar nicht vom Versagen der Türen. Sondern vom Irrtum, dass alles immer aufgehen muss.

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